70. DJT: „Gerichtsräte“ statt Proberichter?

Ein weiterer Reformvorschlag im Gutachten von Prof. Callies zum 70. DJT besteht darin, die Proberichterzeit durch eine fünfjährige Zeit als Gerichts- bzw. Justizrat zu ersetzen.

Nach Callies‘ Ansicht befinden sich Richter mit Mitte 20 in „einem Alter, in welchem die erforderliche Reife und Lebenserfahrung zur Ausübung des Richteramtes – insbesondere als Einzelrichter – noch fehlt“. Die von Callies vorgeschlagene Lösung soll darin bestehen, dass nur Richter auf Lebenszeit werden kann, wer vorher fünf Jahre Berufserfahrung erworben hat, die angehende Richter als Justiz- bzw. Gerichtsräte ableisten können. Solche Gerichtsräte sollen nach dem Vorbild der US-Amerikanischen „judicial clerks“ als weisungsgebundene Beamte im höheren Dienst nach Weisung des Präsidiums als „Flying Brigades“ immer dort helfen können, wo „Not am Mann“ ist. Durch Aktenstudium, Sachberichte, juristische Recherche und Gutachten sollen diese Gerichtsräte die Richter bei der Entscheidungsfindung unterstützen.

Nachdem ich den Gedanken nun seit einigen Tagen mit mir herumtrage, muss ich sagen, dass ich die Idee im Grundsatz für gut, richtig und unterstützenswert halte. Auch wenn ich mich damit bei einigen (künftigen) Kollegen unbeliebt machen werde. Nur die vorgeschlagene Dauer von 5 Jahren erscheint mir doch ein wenig übertrieben.

Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass die „Last der Verantwortung“, die einem als jungem Proberichtern (gerade am Landgericht als Einzelrichter) ohne irgendeine Vorbereitung übertragen wird, nicht zu unterschätzen ist. Mir hätte eine gewisse Zeit als „clerk“ in einer oder mehreren Kammern die Möglichkeit geben, mich mit justizinternen Abläufen vertraut zu machen (das fällt praktisch im Referendariat ja meist weitgehend aus) und mich auch fachlich fortzubilden. Zudem könnte man auf diese Art und Weise auch einen tieferen Einblick in die Arbeitsweise vieler Kollegen gewinnen, was ebenfalls nützlich wäre – und wenn es auch nur ein Lernen am „abschreckenden Beispiel“ wäre. Aus diesem Grund könnte eine solche Tätigkeit – ebenso wie die „clerkships“ in den USA – u.U. sogar auch für Assessoren interessant sein, die später in die Anwaltschaft wechseln wollen.

Gerade in großen Bausachen oder umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren gäben solche Gerichtsräte den Richtern m.E. auch die Chance, Anwalts- bzw. Verteidigerteams jedenfalls ansatzweise auf Augenhöhe zu begegnen.

Eines lässt Callies jedoch außer Acht: Nämlich, dass Proberichter seitens der Justizverwaltung in erhebliche Maße als „Lückenfüller“ ge-(miss-)braucht werden. Die Proberichterzeit besteht nicht selten zu einem erheblichen Teil daraus, kranke oder schwangere KollegInnen zu vertreten. Auch bei einer sehr guten und vorausschauenden Planung seitens der Justizverwaltung wird daher ein gewisser Teil an „versetzbaren“ Proberichtern wohl unerlässlich sein. Mir will sonst nicht einleuchten, wie derartige Personalengpässe aufgefangen werden sollen.

Eine allen Seiten Rechnung tragende Lösung könnte daher z.B. so aussehen, dass zwei Jahre als Gerichtsrat und zwei Jahre als Proberichter erforderlich sind, um als Richter auf Lebenszeit ernannt zu werden.

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