70. DJT: Strukturierter Parteivortrag, Verwertung von Parteigutachten

Um den 70. DJT und dessen Beschlüsse ist es in den letzten Wochen und Monaten deutlich ruhiger geworden. Justizminister Maas hat erklärt, sich lediglich einigen der eher „einfachen Baustellen“ annehmen zu wollen.

Umso lesenswerter sind daher zwei Aufsätze in der letzten Ausgabe der Zeitschrift für Rechtspolitik, in denen mehrere der Thesen des 70.DJT nochmals aufgegriffen und vertieft werden.

Gaier: „Strukturiertes Parteivorbringen im Zivilprozess“

RiBVerfG Prof. Dr. Reinhard Gaier greift in seinem Aufsatz (ZRP2015, 101 ff., online verfügbar hier) die mit knapper Mehrheit angenommene These auf, dass über verbindliche Regelungen sicherzustellen sei, dass die Parteien ihren Vortrag zum rechtlichen und tatsächlichen Vorbringen strukturieren.

Im Rahmen einer Bestandsaufnahme stellt Gaier fest, im heutigen Zivilprozess schreibe jeder „nach seinen persönlichen Vorlieben auf Geratewohl, nicht selten am Thema und regelmäßig am Vortrag des Gegners vorbei“, man könne von einem Austausch „formloser Parteiaufsätze“ sprechen. Hintergrund der unzulänglichen Regeln sei die Vorstellung des historischen Gesetzgebers von einem vollständig durch den Mündlichkeitsgrundsatz geprägten Zivilprozess, in welchem den vorbereitenden Schriftsätzen kaum Bedeutung zukomme.

Das sei angesichts des durch starke Elemente der Schriftlichkeit geprägten heutigen Zivilprozesses nicht mehr zeitgemäß und führe zu einer „grandiosen Verschwendung richterlicher Arbeitskraft“, wenn dieser den relevanten Sachvortrag mühsam herausfiltern müsse. Der Beibringungsgrundsatz sei daher dahingehend weiterzuentwickeln, dass der schriftliche Parteivortrag vertikal strukturiert werde: In der Klageschrift sei der Streitstoff „entlang“ der Voraussetzungen der jeweiligen Anspruchsgrundlage vorzutragen. Die beklagte Partei müsse sich entlang diesen Vorgaben zum Tatsachenvortrag der klagenden Partei erklären. Soweit die beklagte Partei Einreden erhebe, müsse sie diese strukturieren und die klagende Partei sich wiederum daran orientieren. Aufgabe des Gerichts sei es, diesen Verfahrensabschnitt durch frühzeitige Hinweise zu flankieren.

Im Zeitalter eines „IT-gestützten Zivilprozesses“ sei es bei einer solchen Strukturierung technisch im Übrigen ein Leichtes, „auf Knopfdruck“ eine Gegenüberstellung des Prozessstoffs zu generieren.

Ahrens: „Reform des Sachverständigenbeweises“

Prof. Dr. Hans-Jürgen Ahrens befasst sich in seinem Aufsatz (ZRP 2015, 105 ff.) mit dem „Dauerbrenner“ Sachverständigenbeweis. Ausgangspunkt seiner Vorschläge ist die künftige europäische Patentgerichtsbarkeit und deren Verfahrensordnung (EPGÜVerfO). Die EPGÜVerfO gehe von einer grundsätzlichen beweisrechtlichen Beachtlichkeit von Parteigutachten aus und lehne sich damit an das englische Prozessrecht an.

Dass Privatgutachten im deutschen Zivilprozessrecht lediglich als substantiierter Parteivortrag berücksichtigt werden könnten, bedeute bei unvoreingenommener Betrachtung eine „Verschwendung persönlicher, zeitlicher und finanzieller“ Ressourcen. Vor diesem Hintergrund fordert Ahrens, die beweisrechtliche Berücksichtigung von Privatgutachten im deutschen Zivilprozess „mit positiver Tendenz zu regeln“.

Die Verwertung von Privatgutachten solle neben das selbständige Beweisverfahren treten, das weiterhin bestehen bleibe und unumgänglich sei, wenn einem Dritten der Streit verkündet oder Prozesskostenhilfe beantragt werden soll. Sei beides nicht der Fall, führe die private Beauftragung eines Sachverständigen regelmäßig zu einer erheblichen Beschleunigung des Verfahrens.

Die erforderliche Unabhängigkeit der Sachverständigen sei durch eine Zertifizierung der Sachverständigen sowie eine zivilrechtliche, strafrechtliche und ggf. berufsrechtliche Sanktionierung sicherzustellen. Soweit ein Gutachten von einem zertifizierten Sachverständigen erstellt und vom Gericht verwendet worden sei, seien dessen Kosten gem. § 91 ZPO zu erstatten, allerdings nur in Höhe der JVEG-Sätze.

Einordnung/Bewertung
Bevor ich nun meine Meinung zu alledem kundtue: Was meinen Sie? Foto: Christian A. Schröder (ChristianSchd), Hannover Congress Centrum dome hall Theodor-Heuss-Platz Zoo Hannover Germany, CC BY-SA 4.0