AG Stralsund: „Kurzer Prozess“ bei unschlüssiger Klage?

geralt pixabay.de CC0Der Streitwert eines nicht unwesentlichen Teils der Zivilprozesse am Amtsgericht liegt unterhalb der Grenze des § 495a ZPO. Trotzdem gehört das Verfahren nach billigem Ermessen zu den sehr „weißen Flecken auf der ZPO-Landkarte“, was vor allem auf der fehlenden Überprüfbarkeit der so ergangenen Entscheidungen beruhen dürfte.

Das Amtsgericht Stralsund hat sich nun mit Urteil vom 14.03.2016 - 25 C 31/16 mit der Zulässigkeit einer a-limine-Abweisung einer unschlüssigen Klage befasst.

Sachverhalt

Soweit sich den Gründen (§ 313a Abs. 1 ZPO) ein Sachverhalt entnehmen lässt, war der Kläger von einem Mitarbeiter der Beklagten (einem Sicherheitsunternehmen?) zu Unrecht des Ladendiebstahls verdächtigt worden und begehrte von der Beklagten nun ein Schmerzensgeld von unter 600 EUR .

Liegt der (Zuständigkeits-)Streitwert unter 600 EUR, kann das Gericht gem. § 495a ZPO sein Verfahren nach billigem Ermessen gestalten. Die Vorschrift hat praktische Bedeutung insbesondere insoweit, als eine mündliche Verhandlung nur erforderlich ist, wenn eine der Parteien dies beantragt (§ 495 Satz 2 ZPO).

Hier bestand die Besonderheit darin, dass die Klage schon unschlüssig war. D.h., dem Kläger stand schon nach dessen eigenem Sachvortrag kein Anspruch zu (weil eines der in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechtsgüter nicht betroffen war und es damit schon an einer Anspruchsgrundlage fehlte). Da der Kläger den Prozess daher auch ohne eine Reaktion des Beklagten verloren hätte (vgl. § 331 Abs. 2 ZPO), stellte sich nun die Frage, ob dem Beklagten überhaupt Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben war, oder ob das Gericht die Klage sofort (a limine) abweisen konnte.

Entscheidung
Das Amtsgericht fasst sich äußerst kurz:

„Die Klage kann hier sogleich - schon vor Zustellung an die Beklagte - abgewiesen werden, denn sie ist unschlüssig und der Kläger hat mit seiner ausdrücklichen Erklärung, es solle ein Verfahren „bitte nur schriftlich und sofort“ erfolgen, sinngemäß auf eine mündliche Verhandlung (§ 495a S. 2 ZPO) verzichtet […].

Für den eingeklagten Schmerzensgeldanspruch fehlt eine Rechtsgrundlage. […]“

Anmerkung

Für unzulässig und unschlüssige Klagen hat das Amtsgericht Meldorf mit Urteil vom 01.04.2010 – 81 C 204/10 (MDR 2010,976) dieselbe Auffassung vertreten, jedoch die – m.E. unbedingt erforderliche – Einschränkungen formuliert, dass auch kein Hinweis nach § 139 ZPO geboten sein darf.

Sehr lesenswert zum Thema ist auch der Aufsatz von Schäfer in der NJOZ 2012, 1961, der zu Recht darauf hinweist, dass bei einem solchen Vorgehen die Klageschrift und das Urteil abweichend von § 922 Abs. 2 ZPO der beklagten Partei zwingend zuzustellen sind.

Unter den so eingegrenzten Voraussetzungen

  1. a) Anwendungsbereich des § 495a ZPO,
  2. b) unzulässig oder unschlüssige Klage,
  3. c) Verzicht der klagenden Partei auf eine mündliche Verhandlung und
  4. d) keine Hinweispflicht gem. § 139 ZPO,
spricht m.E. aber tatsächlich alles dafür, dass eine a-limine-Abweisung der Klage zulässig ist. Oder was meinen die Leser/Leserinnen?

tl;dr: Eine unzulässige oder unschlüssige Klage kann im Anwendungsbereich von § 495a ZPO unmittelbar nach Eingang der Klageschrift abgewiesen werden, wenn der Kläger auf eine mündliche Verhandlung verzichtet und § 139 ZPO keinen Hinweis an den Kläger gebietet.

Anmerkung/Besprechung, AG Stralsund, Beschluss vom 14.03.2016 – 25 C 31/16.

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