Das OLG Bamberg und die „Todesfalle“ – Vorsicht beim Aussetzungsantrag nach Tod einer Partei!

Auf den Beschluss des OLG Bamberg vom 04.12.2017 – 8 U 109/17 wurde ich von einem Leser in einer Email mit dem Betreff „Haftungsfalle/Todesfalle“ aufmerksam gemacht. Und auch wenn es wohl ganz so dramatisch nicht ist – die Entscheidung betrifft tatsächlich eine wichtige aber nur wenig bekannte Besonderheit bei der Unterbrechung bzw. Aussetzung des Verfahrens nach dem Tod einer Partei, die im konkreten Fall wohl ein Haftungsfall für den Anwalt geworden sein dürfte.

Sachverhalt

Der ursprüngliche Kläger hatte gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil fristgerecht Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist war mehrfach bis zum 22.09.2017 verlängert worden. Mit Schriftsatz vom 14.09.2017 teilte der Klägervertreter dann mit, dass der Kläger verstorben sei und beantragte die Aussetzung des Verfahrens. Diesem Antrag entsprach der Senat mit Beschluss vom 12.10.2017, nachdem am 11.10.2017 eine Sterbeurkunde vorgelegt worden war. Mit Schriftsatz vom 14.11.2017 erklärte der Klägervertreter dann, dass die Ehefrau des Klägers als Alleinerbin den Rechtsstreit aufnehme und reichte eine Berufungsbegründung ein.

Die Entscheidung ist ein hervorragendes Beispiel, um sich näher mit den Rechtsinstituten der Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens in §§ 239 ff ZPO zu beschäftigen. §§ 239-245 normieren Umstände, die das Verfahren unterbrechen. Praktisch relevant sind vor allem der Tod einer Partei (§ 239 ZPO), die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 240 ZPO) und ggf. noch der Eintritt der Prozessunfähigkeit (§ 241 ZPO). „Unterbrechung“ heißt gem. § 249 ZPO, dass – ohne irgendeine Handlung der Parteien oder des Gerichts und ohne dass es auf die Kenntnis eines Beteiligten ankommt – Fristen zu laufen aufhören, Parteihandlungen dem Gegner gegenüber unwirksam sind und Gerichtsentscheidungen unzulässig sind. Die Unterbrechung ist notwendig, weil in sämtlichen Fällen der oder die „Nachrückende“ (bei § 239 ZPO der oder die Erbe(n), bei § 240 ZPO der Insolvenzverwalter und bei § 241 ZPO der gesetzliche Vertreter/Betreuer) Kenntnis vom Prozess erhalten und entscheiden können muss, ob der Prozess aufgenommen und fortgesetzt werden soll . In den Fällen der §§ 239 und 241 ZPO (Tod oder Verlust der Prozessfähigkeit) tritt eine Unterbrechung hingegen nicht ein, wenn die Partei anwaltlich vertreten ist, § 246 Abs. 1 Hs. 1 ZPO. Denn dann gilt die Prozessvollmacht gem. § 86 ZPO fort, die Partei muss nicht geschützt werden. Allerdings kann der Prozessbevollmächtigte gem. § 246 Abs. 1 Hs. 2 ZPO in den Fällen des §§ 239 und 241 ZPO die Aussetzung des Verfahrens beantragen; über den Antrag entscheidet das Gericht gem. § 248 ZPO durch Beschluss. Einen solchen Aussetzungsantrag hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers hier innerhalb der laufenden Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 ZPO) gestellt. Den Beschluss über die Aussetzung hatte das Gericht allerdings erst gefasst, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bereits abgelaufen war. Deshalb stellte sich die Frage, ob für die Wirkungen des § 249 Abs. 1 ZPO auf den Zeitpunkt des Antrags oder der gerichtlichen Entscheidung abzustellen war. Denn eine nicht fristgerecht begründete Berufung ist als unzulässig zu verwerfen, § 522 Abs. 1 ZPO.

Entscheidung

Der Senat hat darauf hingewiesen, dass er die Berufungsbegründung für verspätet hält:

„Die Berufung der Klägerin wird gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen sein, da das Rechtsmittel nicht rechtzeitig begründet worden ist, § 520 Abs. 2 ZPO.

Das Gesetz räumt dem Prozessbevollmächtigten einer verstorbenen Partei das Recht ein, die Aussetzung des Verfahrens zu beantragen (§ 246 Abs. 1 ZPO); über dieses Gesuch entscheidet das Gericht (§ 248 Abs. 2 ZPO). Gibt es dem Gesuch statt, liegt hierin die Aussetzung des Verfahrens im Sinne des § 249 Abs. 1 ZPO.

Das Gesetz stellt also hinsichtlich der Wirkungen der Aussetzung nicht auf den Antrag, sondern auf die gerichtliche Entscheidung ab. Eine auf den Zeitpunkt der Antragstellung rückbezogene Wirksamkeit sieht das Gesetz nicht vor, obwohl es an die Aussetzung des Verfahrens die Folgen des § 249 Abs. 1 ZPO knüpft. Daraus ergibt sich, dass eine bereits vor Bekanntgabe des Aussetzungsbeschlusses abgelaufene Frist nicht mehr nach § 249 Abs. 1 ZPO aufhören kann zu laufen. Ist demnach eine Rechtsmittelbegründungsfrist abgelaufen, bevor der Aussetzungsbeschluss bekanntgegeben wird, kann das Rechtsmittel nicht mehr rechtzeitig begründet werden (…).

Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte des bereits vor Urteilsverkündung erster Instanz verstorbenen Klägers zwar innerhalb laufender Berufungsbegründungsfrist einen Aussetzungsantrag gestellt, hierüber ist aber erst nach Ablauf der Frist entschieden worden, ohne dass der Klägervertreter zuvor eine nochmalige Fristverlängerung beantragt hätte.“

Anmerkung

Wird deshalb ein Aussetzungsantrag gem. § 246 ZPO gestellt, muss zugleich mit dem Aussetzungsantrag auch ein ausdrücklicher Fristverlängerungsantrag gestellt werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.12.2016 – 15 U 31/14). Im Aussetzungsantrag ist ein Fristverlängerungsantrag nicht automatisch enthalten (BGH, Beschluss vom 09.03.1987 – II ZB 10/86). Und ist vor Ablauf der Frist noch kein Beschluss ergangen, sollte – ggf. telefonisch – nachgefragt werden, ob der Beschluss erlassen worden ist (OLG Düsseldorf, aaO); die telefonische Mitteilung des Beschlusses reicht nach Ansicht des Bundesgerichtshofs für eine formlose Bekanntgabe gem. § 329 Abs. 2 Satz 1 ZPO aus (BGH, Beschluss vom 26.05.2011 – V ZB 248/10). Und, in gewisser Weise „off topic“, aber Ehre wem Ehre gebührt: Die – leider bislang nicht veröffentlichte – Entscheidung habe ich per Email bei der Pressestelle des OLG Bamberg angefordert und innerhalb von weniger als 2 Stunden (!) per Email als PDF bekommen. (Und nein, kein „Kollegenbonus“, ich habe die Blog-Mailadresse benutzt und nicht meine dienstliche E-Mail-Adresse.) tl;dr: Die Wirkungen der Aussetzung des Verfahrens gem. § 249 Abs. 1 ZPO treten erst mit Bekanntgabe der gerichtlichen Entscheidung und nicht bereits mit Antragstellung ein. Ist im Zeitpunkt der Entscheidung eine Frist schon abgelaufen, kann diese nicht mehr gem. § 249 Abs. 1 ZPO unterbrochen werden. Anmerkung/Besprechung, OLG Bamberg, Beschluss vom 04.12.2017 – 8 U 109/17. Wenn Sie diesen Artikel verlinken möchten, können Sie dafür auch folgenden Kurzlink verwenden: www.zpoblog.de/?p=6051 Foto: Tilman2007 | Bamberg, Wilhelmsplatz 1 von Südwesten, 20150925-002 | CC BY-SA 3.0