Entscheidung
In der bisherigen arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung wurden Klagen auf zukünftige Zahlung von Arbeitslohn für zulässig gehalten (s. nur BAG, Urteil vom 20.08.2002 – 9 AZR 710/00, Urteil vom 28.01.2009 - 4 AZR 904/07 und Urteil v. 06.05.2009 – 10 AZR 390/08 Urteil vom 28.01.2009 - 4 AZR 904/07 sowie LAG Köln, Urteil vom 24.01.2012 – 6 Sa 962/11).
Das hatte auch der hier entscheidende 5. Senat mit Urteil vom 13. 3. 2002 - 5 AZR 755/00 (noch) so gesehen. Er hatte aber schon damals einschränkend gefordert, dass die Gegenleistung in das Urteil aufzunehmen sei, damit der Rechtspfleger die Voraussetzungen des § 726 ZPO prüfen könne.
Nunmehr erklärt der 5. Senat des BAG Klagen auf zukünftige Leistung von Arbeitslohn insgesamt für unzulässig:
„Ein auf die Vornahme einer künftigen Handlung gerichteter Antrag ist nach § 259 ZPO zulässig, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen […]. Die Besorgnis der Leistungsverweigerung kann sich auf einen bedingten Anspruch beziehen, sofern abgesehen vom Eintritt der Bedingung die Verpflichtung des Schuldners zur Erbringung der künftigen Leistung in ihrem Bestand gewiss ist. § 259 ZPO ermöglicht aber nicht die Verfolgung eines erst in der Zukunft entstehenden Anspruchs. Er setzt vielmehr voraus, dass der geltend gemachte Anspruch bereits entstanden ist […].
Diese Vorrausetzungen sind nicht erfüllt.
a) Die von der Klägerin geltend gemachten künftigen Ansprüche waren im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz noch nicht entstanden. Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis entstehen erst mit Erbringung der Arbeitsleistung, weil der Vertrag durch Kündigung beendet werden kann oder der Arbeitnehmer die ihm obliegende Leistung, ohne Vorliegen der Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch auf Vergütung ohne Arbeitsleistung gegeben wäre, verweigern kann […].
Der Abschluss des Arbeitsvertrags reicht für die Entstehung des Anspruchs nicht aus […]. Dies gilt unabhängig davon, ob als Voraussetzung für den künftigen Anspruch auf Arbeitsentgelt die Arbeitsleistung zu erbringen wäre oder ob künftig aus sonstigem Rechtsgrund Arbeitsentgelt ohne Arbeitsleistung beansprucht werden könnte […]. Auch im letztgenannten Fall entsteht der Anspruch erst, wenn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.
b) Es ist überdies zu berücksichtigen, dass § 259 ZPO die Besorgnis der Leistungsverweigerung zum Fälligkeitstermin voraussetzt. Auch hieran fehlt es vorliegend. Auch hieran fehlt es vorliegend. Denn allein das Bestreiten der vom Arbeitnehmer beanspruchten Forderungen durch den Arbeitgeber reicht hierfür nicht aus […]. Nur weil der Arbeitgeber - wie hier - aufgrund (vertretbarer) Auslegung des Tarifvertrags bisher Zahlungen ablehnte, kann nicht davon ausgegangen werden, er werde sich, trotz einer Verurteilung zur Zahlung bereits fälliger Forderungen, künftig der rechtzeitigen Leistung entziehen.“
Anmerkung
Schade ist zunächst, dass der Senat die Sache angesichts der abweichenden Rechtsprechung anderer Senate (s.o.) nicht gem. § 45 ArbGG dem großen Senat vorgelegt hat. Der 5. Senat begründet seine Nichtvorlage damit, die anderen Senate hätten nicht „tragend auf die Frage der Anspruchsentstehung“ abgestellt.
Überzeugend finde ich die Argumentation des BAG auch in der Sache nicht. Hinsichtlich der Argumentation unter b) schon deshalb, weil die dort vorgenommene Differenzierung (vertretbare Auslegung?) kaum geeignet ist, Rechtssicherheit zu schaffen.
Aber auch die Argumentation unter a), die Ansprüche seien mangels erbrachter Arbeitsleistung noch nicht entstanden, überzeugt nicht. Denn ob der Anspruch von einer Gegenleistung abhängig ist, ist nach der Systematik der ZPO lediglich im Rahmen von § 258 ZPO zu prüfen. Der 5. Senat des BAG liest mit seiner Auslegung aber die Voraussetzungen von § 258 mit in § 259 ZPO herein, so dass § 259 ZPO faktisch leerliefe. § 259 ZPO setzt schon nach seinem Wortlaut aber einen Anwendungsbereich von § 259 ZPO auch bei wiederkehrenden Leistungen voraus. Sonst wäre die dortige Bezugnahme auf § 258 ZPO sinnlos. Die Auslegung des 5. Senats ist daher mit Wortlaut und Systematik nicht überzeugend in Einklang zu bringen. Im Übrigen wären damit z.B. auch Klagen auf künftige Zahlung von Miete nicht mehr zulässig (anders aber zu Recht z.B. BGH, Urteil v. 04.05.2011 − VIII ZR 146/10, Rn. 15).
Anmerkung/Besprechung, BAG, Urteil vom 22.10.2014 - 5 AZR 731/12.
Foto: TomKidd
, Bundesarbeitsgericht, CC BY-SA 3.0