BGH: § 167 ZPO auch auf innerhalb der Frist des § 545 BGB zugestellte Räumungsklage anzuwenden

Bild des Erbgroßherzoglichen PalaisMit Urteil vom 25.06.2014 – VIII ZR 10/14 hat der Bundesgerichtshof erneut zum Anwendungsbereich des § 167 ZPO Stellung genommen und entschieden, dass die Vorschrift auch auf eine innerhalb der Widerspruchsfrist des § 545 BGB erhobene Räumungsklage anwendbar ist.

Sachverhalt

Im zugrundeliegenden Fall war der Beklagte Mieter trotz der Kündigung durch die Klägerin nicht ausgezogen. Die (Räumungs-)Klägerin hatte einer Fortsetzung des Mietverhältnisses (wohl) nicht ausdrücklich widersprochen, jedoch innerhalb der Zweiwochenfrist des § 545 BGB Räumungsklage erhoben. Die Klage war dem Beklagten jedoch erst nach Ablauf der Zweiwochenfrist zugestellt worden. Nun vertrat der Beklagte die Ansicht, da die Zweiwochenfrist nicht eingehalten war, sei die Kündigung unwirksam geworden.

Soll mit der Klageerhebung (oder Antragstellung im Mahnverfahren) gem. § 204 Abs. 1 BGB die Verjährung gehemmt werden, kommt es auf die Rechtshängigkeit an. Diese tritt gem. § 253 Abs. 1 ZPO aber erst mit Zustellung ein, jedoch hat der Kläger nur wenig Einfluss darauf, wie lange die Zustellung dauert. Aus dieser misslichen Lage soll den Kläger § 167 ZPO befreien: Es ist nicht auf die Zustellung, sondern auf den Eingang der Klage bei Gericht abzustellen, wenn die Zustellung „demnächst“ erfolgt.

„Demnächst“ i.S.v. § 167 ZPO erfolgt eine Zustellung - vereinfacht - dann, wenn der Kläger oder Antragsteller alles veranlasst hat, damit die Zustellung ohne Verzögerung ausgeführt werden kann (d. h. den Vorschuss zeitnah einzahlt, den Namen des Beklagten richtig angibt, etc.). Verzögerungen, die ihre Ursache in der Sphäre des Gerichts haben, sind grundsätzlich irrelevant.

§ 167 ZPO gilt aber nicht nur für die Hemmung der Verjährung gem. § 204 BGB sondern auch für Fristen wie z.B. die Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage gem. § 4 KSchG oder die Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage nach Erlass einer einstweiligen Verfügung gem. § 926 ZPO.

Nach früher ganz überwiegend vertretener Auffassung sollte § 167 ZPO nur auf Fristen anwendbar sein, die ausschließlich mit Hilfe der Justiz unterbrochen werden können. Insbesondere für die Anfechtungsfristen der §§ 121 und 124 BGB sollte § 167 ZPO daher nicht gelten.

Bereits 2008 war der I. Zivilsenat des BGH von dieser strengen Auslegung abgewichen und hatte § 167 ZPO auch auf die Ausschlussfrist des § 26 Abs. 4 UrhG angewandt. Entgegen der bisherigen Auffassung sei gelte für Fristen in der Regel § 167 ZPO, davon seien aber in Einzelfällen Ausnahmen zuzulassen. Mit sehr sorgfältig begründetem Urteil vom 22.05.2014 – 8 AZR 662/13 hat jüngst sich dem jüngst auch das BAG angeschlossen und entschieden, dass eine „demnächst“ zugestellte Klage die Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG wahrt.

Entscheidung

Ganz auf dieser Linie liegt auch die Entscheidung des für das Mietrecht zuständigen VIII. Zivilsenats, der § 167 ZPO auch auf die Frist des § 545 BGB anwendet. Der VIII. Zivilsenat stellt gleichzeitig aber auch klar, dass sich damit für die Anfechtungsfristen der § 121, 124 BGB nichts ändert:

„Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, ist die Klageschrift dem Beklagten ohne der Klägerin zuzurechnende Verzögerungen und deshalb „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO zugestellt worden. Dem Berufungsgericht ist insbesondere darin beizupflichten, dass die in § 167 ZPO angeordnete Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage auch für die Widerspruchsfrist des § 545 BGB gilt.

aa) Allerdings wird in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der mietrechtlichen Literatur unter Bezugnahme auf eine ältere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs […] überwiegend die Auffassung vertreten, dass die Vorschrift des § 167 ZPO auf die Frist des § 545 BGB […] keine Anwendung finde […].

Zur Begründung wird vor allem angeführt, dass die Vorschrift des § 167 ZPO restriktiv auszulegen sei und deshalb nur für Fristen gelte, die nicht durch außergerichtliche Geltendmachung, sondern nur durch Inanspruchnahme der Gerichte gewahrt werden könnten, wie etwa die Hemmung der Verjährung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Auch stehe der Zweck des § 545 BGB, alsbald Klarheit über die Beendigung des Mietverhältnisses zu erlangen, einer Anwendung des § 167 ZPO entgegen.

bb) In der auch vom Berufungsgericht herangezogenen, grundlegenden Entscheidung vom 17. Juli 2008 (I ZR 109/05, BGHZ 177, 319) hat der Bundesgerichtshof allerdings seine ältere, restriktive Rechtsprechung aufgegeben und entschieden, dass § 167 ZPO regelmäßig auch auf Fristen anzuwenden ist, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden können. Er hat dabei vor allem auf Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes abgestellt. Der Wortlaut des § 167 ZPO bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zustellung davon abhängt, ob mit der Zustellung eine nur gerichtlich oder auch eine außergerichtlich geltend zu machende Frist gewahrt werden soll und ob die Zustellung durch Vermittlung des Gerichts oder eines Gerichtsvollziehers (§ 132 BGB) erfolgt. Wer mit der Klage die stärkste Form der Geltendmachung von Ansprüchen wählt, muss sich darauf verlassen können, dass die Einreichung der Klageschrift die Frist wahre (BGH, […] aaO Rn. 24 f.).

Für die Wahrung der in § 545 BGB bestimmten Frist gilt nichts anderes, auch insoweit findet § 167 ZPO Anwendung. Eindeutiger als durch die Einreichung einer Räumungsklage kann der Vermieter seinen Widerspruch gegen die Verlängerung des Mietverhältnisses nach § 545 BGB nicht zum Ausdruck bringen. Derjenige, der mit der Klage die stärkste Form der Geltendmachung von Ansprüchen wählt, muss sich aber darauf verlassen können, dass die Einreichung der Klageschrift die Frist wahrt (vgl. BGH, […] aaO Rn. 25). Ein rechtzeitiger Widerspruch gegen die Verlängerung des Mietverhältnisses kann mithin auch dadurch erfolgen, dass innerhalb der Widerspruchsfrist eine Räumungsklage eingereicht wird, deren Zustellung "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt […].

cc) Entgegen der Auffassung der Revision ist der Widerspruch nach § 545 BGB nicht mit der Anfechtung nach §§ 119 f. BGB vergleichbar. Für diese Anfechtung wird eine Ausnahme anerkannt, weil die Anfechtung „unverzüglich“ zu erklären ist (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) und das Interesse des Anfechtungsgegners im Vordergrund steht, alsbald darüber Klarheit zu erlangen, ob der Anfechtungsberechtigte von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch macht (vgl. BGH, […], aaO Rn. 26 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 11. Oktober 1974 - V ZR 25/73, NJW 1975, 39 f.).

Demgegenüber bezweckt § 545 BGB, einen vertragslosen Zustand zu vermeiden, der ohne diese Vorschrift - von den Parteien unbemerkt - auch für einen längeren Zeitraum eintreten und zu erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten bei der in diesem Fall erforderlichen Abwicklung nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts oder des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses führen könnte (vgl. BT-Drucks. 14/1454, S. 44, 98). Diesem Gesetzeszweck steht es nicht entgegen, die innerhalb der zweiwöchigen Frist eingereichte und "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO zugestellte Räumungsklage für die rechtzeitige Erhebung des Widerspruchs ausreichen zu lassen. Denn auch durch die Einreichung einer Räumungsklage ist sichergestellt, dass binnen einer Frist von zwei Wochen ab Ende des Mietverhältnisses die alsbaldige Abwicklung des Mietverhältnisses in die Wege geleitet wird.“

Anmerkung

Die vom BGH vorgenommene Abgrenzung zur Anfechtung überzeugt mich ehrlich gesagt nicht. Überzeugender erscheint es mir, wie Zöller/Greger, 30. Aufl. 2014, § 167 Rn. 3 danach abzugrenzen, dass die Anfechtung unverzüglich erklärt werden muss, es also auf die Erklärung selbst und nicht auf den Zugang ankommt.

Konsequenterweise dürfte § 167 ZPO damit in Zukunft auf alle zeitlich bestimmbaren Fristen anwendbar sein und damit z.B. auch auf § 124 Abs. 1 BGB. Bleibt die Frage: Was ist mit der Widerrrufsfrist des § 355 Abs. 2 BGB?

Anmerkung/Besprechung, Bundesgerichtshof, Urteil v. 25.06.2014 – VIII ZR 10/14.

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