BGH: Anwaltliche Vergütungsvereinbarung trotz Rechtswidrigkeit wirksam

Zwar kein Zivilprozessrecht im engeren Sinne aber für die meisten Leser wohl trotzdem interessant ist das Urteil des BGH vom 05.06.2014 – IX ZR 137/12. In der für die Veröffentlichung in BGHZ vorgesehenen Entscheidung gibt des BGH seine bisherige Rechtsprechung zur Unwirksamkeit anwaltlicher Vergütungsvereinbarungen auf: Vergütungsvereinbarungen, die gegen § 3a oder 4a RVG verstoßen, sind trotzdem wirksam. Der Verstoß führt aber zu einer Deckelung des anwaltlichen Honorars auf das gesetzliche Honorar bzw. ein geringeres vereinbartes Honorar.

Foto des BundesgerichtshofsIn dem vom BGH zu entscheidenden Fall hatten Anwalt und Mandant – vereinfacht – zunächst für die außergerichtliche Beratung wegen einer Finanzierung eine deutlich unter den RVG-Sätzen liegende Pauschalvergütung vereinbart, die der Mandant auch zahlte. Für den Fall, dass zwischen dem Mandanten und einer Bank eine Finanzierungsvereinbarung zustande kommen würde, war ein Zuschlag vereinbart. Auch zusammen mit diesem Zuschlag betrug die Vergütung aber nur einen Bruchteil der RVG-Sätze. Nachträglich vereinbarten die Parteien dann mündlich, dass diese Pauschalvergütung auch die ggf. erforderliche Vertretung im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren abdecken sollte. Der Anwalt erstellte dann einen Klageentwurf, der jedoch nicht mehr benötigt wurde, weil die Finanzierung zustande kam. Als der Mandant den Erfolgszuschlag nicht zahlte, rechnete der Anwalt nach den weit höheren RVG-Sätzen ab und klagte diesen Betrag abzüglich des bereits gezahlten Pauschalhonorars ein.

Die Vorinstanzen sprachen dem Anwalt lediglich das Erfolgshonorar zu, nicht aber die Vergütung nach den RVG-Sätzen. Ihre Entscheidungen begründeten sie mit der bisherigen BGH-Rechtsprechung, nach der die Vergütungsvereinbarung, nicht aber der Anwaltsvertrag wegen Verstoßes gegen § 3a und 4a RVG nichtig seien. Die danach grundsätzlich geschuldete Vergütung in Höhe der RVG-Sätze sei jedoch gem. § 242 BGB auf die niedrigere vereinbarte Vergütung beschränkt.

Der BGH kommt unter Anwendung von § 4b RVG nunmehr zum gleichen Ergebnis wie die Vorinstanzen, jedoch ohne Anwendung von § 242 BGB.

Zunächst führt der BGH aus, dass der Anwaltsvertrag unabhängig von der Vergütungsvereinbarung wirksam sei. Die Neuregelung in § 49b Abs. 2 Satz 1 RV G solle keine weitere Nichtigkeitsfolge führen, als nach der vorherigen Rechtslage.

"Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt der unstreitige Verstoß gegen § 4a Abs. 1 und 2 RVG bei Vereinbarung des Erfolgshonorars jedoch nicht zur Nichtigkeit der Erfolgshonorarvereinbarung, sondern zur Deckelung der vereinbarten Vergütung auf die gesetzliche Vergütung.

a) Ob ein Verstoß gegen § 4a Abs. 1 oder 2 RVG die Nichtigkeit der Erfolgshonorarvereinbarung zur Folge hat, ist allerdings umstritten. Nach einer Auffassung sind Erfolgshonorarvereinbarungen, die die Voraussetzungen des § 4a RVG nicht erfüllen, nichtig […]. Nach anderer Auffassung sind sie rechtswirksam, begrenzen aber im Erfolgsfall die Vergütung des Rechtsanwalts auf die gesetzliche Vergütung […]. Andere lassen die Frage offen, wenden aber § 242 BGB an […].

b) Die Frage ist dahin zu beantworten, dass eine Erfolgshonorarvereinbarung, die gegen § 4a Abs. 1 oder 2 RVG verstößt, nicht nichtig ist, sondern die vertragliche vereinbarte Vergütung – auch im Erfolgsfall – auf die gesetzliche Gebühr beschränkt. Ist die gesetzliche Gebühr höher, kann nur die vereinbarte Vergütung verlangt werden.

Nach § 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO sind Erfolgshonorarvereinbarungen unzulässig, soweit das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nichts anderes bestimmt.Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz hat in §§ 4a, 4b eine Sonderregelung getroffen, in § 4a RVG hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen ein Erfolgshonorar vereinbart werden darf und in § 4b RVG hinsichtlich der Folgen, die sich aus einem Verstoß gegen § 4a Abs. 1 und 2 RVG ergeben. […] Danach kann der Rechtsanwalt aus einer Vergütungsvereinbarung, die § 4a Abs. 1 und 2 RVG nicht entspricht, keine höheren als die gesetzlichen Gebühren fordern. Bis zu dieser Grenze kann dagegen aus der Honorarvereinbarung Erfüllung verlangt werden. Dies spricht dagegen, dass die Vereinbarung nach dem Willen des Gesetzgebers nichtig sein soll. Denn dann hätte es der Regelung des § 4b RVG nicht bedurft. Die Nichtigkeit hätte sich, wie nach früherem Recht, aus § 134 BGB ergeben.

§ 4b Satz 1 RVG entfaltet demnach nicht nur Wirkung für den Fall, dass die vereinbarte Vergütung höher ist als die gesetzliche Vergütung, sondern auch dann, wenn sie niedriger ist. Da § 4b Satz 1 RVG als Folge nur eine Deckelung nach oben anordnet, kann der Verstoß gegen § 4a Abs. 1 und 2 RVG bei vereinbarter niedrigerer Vergütung nicht dazu führen, dass in Abweichung von der Vereinbarung mehr als vereinbart verlangt werden könnte, etwa die höheren gesetzlichen Gebühren. […]

c) Die Regelung des § 4b RVG ist in ihrer Formulierung allerdings an Vorgängerregelungen in § 4 Abs. 1 Satz 1 RVG in seiner bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung sowie an die zuvor geltende Regelung in § 3 BRAGO angelehnt. […]

aa) Der Senat hat Honorarvereinbarungen, die gegen diese Vorschriften verstießen, bislang als unwirksam angesehen […]. Er hat dies auch auf § 3a Abs. 1 Satz 1 RVG nF übertragen (BGH, Urteil vom 3. November 2011 - IX ZR 47/11[…]), ohne sich allerdings mit der Neufassung des § 4b RVG näher zu befassen.

bb) Hieran hält der Senat jedoch nicht fest. […]

e) Nach § 49b Abs. 1 BRAO dürfen geringere Gebühren und Auslagen, als das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorsieht, nicht vereinbart werden, soweit dieses nichts anderes bestimmt. Gemäß § 4 Abs. 1 RVG sind geringere Gebühren in außergerichtlichen Angelegenheiten zulässig.

Der [Kläger] und der Beklagte sind allerdings durch mündliche Vereinbarung dahin übereingekommen, dass auch die Gebühren für das gerichtliche Verfahren erster Instanz durch die Erfolgshonorarvereinbarung abgegolten sein sollten. In Erfolgshonorarvereinbarungen sind derartige Regelungen unter den Voraussetzungen des § 4a Abs. 1 Satz 2 RVG zulässig, die hier nicht eingehalten wurden. Diesen Fall erfasst jedoch § 4b Satz 1 RVG ausdrücklich und in gleicher Weise wie die sonstigen Fälle des § 4a Abs. 1 und 2 sowie die Fälle des § 3a Abs. 1 Satz 1 und 2 RVG. Ein Rückschluss, dass aus diesem Grund Erfolgshonorarvereinbarungen generell gerade im Hinblick auf den Fall gerichtlicher Gebühren nichtig sein sollten, kann daraus folglich nicht abgeleitet werden. Auch hier greift, bezogen auf das vereinbarte Gesamthonorar, die Deckelungsregelung ein.

Die mündlich vereinbarte Honorarabrede verstieß zudem allerdings gegen § 3a Abs. 1 Satz 1 RVG. Sie war jedoch auch aus diesem Grund nicht unwirksam. Vielmehr gilt auch insoweit § 4b Satz 1 RVG und die dort festgelegte Deckelung.

f) Das hier angenommene Verständnis von § 4b RVG schafft klare Regelungen für die Folgen von Honorarvereinbarungen, welche die gesetzlichen Voraussetzungen nicht einhalten. Sie führen ohne Rückgriff auf Billigkeitserwägungen nach den Besonderheiten des Einzelfalls zu praktikablen Ergebnissen, zu denen auch die Rechtsprechung zum alten Recht in der Regel über § 242 BGB gelangt ist: Überstieg nach altem Recht eine nichtige Erfolgshonorarvereinbarung die gesetzlichen Gebühren, konnten ohnehin nur Letztere verlangt werden. War das vereinbarte Erfolgshonorar selbst bei Erfolg geringer als die gesetzlichen Gebühren, begrenzte im Regelfall § 242 BGB die Höhe des Honorars auf die vereinbarte Höhe. […]

g) Der Umstand, dass der Beklagte um den Abschluss der Gebührenvereinbarung gebeten hatte, ist unerheblich. Der Beklagte wollte seine Ausgaben planbar begrenzen und Rechtssicherheit erreichen. Über die Voraussetzungen, unter denen dies möglich war, hatte ihn der Zedent im Rahmen seiner Beratungspflicht zu unterrichten."

Update vom 14.07.2014: lto.de (Dirk Michel) berichtet jetzt ebenfalls.

Anmerkung/Besprechung, BGH, Urteil vom 05.06.2014 – IX ZR 137/12. Foto: © Thomas Steg / www.wikimedia.org