Entscheidung
Der BGH hat das Urteil des OLG aufgehoben:
„Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte nicht verneint werden.
1. Nach § 945 Fall 1 ZPO ist die Partei, die eine von Anfang an ungerechtfertigte einstweilige Verfügung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus deren Vollziehung entsteht. Die Vorschrift des § 945 ZPO beruht auf dem Rechtsgedanken, dass die Vollstreckung aus einem noch nicht endgültigen Vollstreckungstitel auf Gefahr des Gläubigers erfolgt […].
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war die von der Beklagten erwirkte einstweilige Verfügung vom 7. Dezember 2010 von Anfang an ungerechtfertigt.
a) Im Streitfall kann dahinstehen, ob die einstweilige Verfügung bereits deshalb als von Anfang an ungerechtfertigt im Sinne des § 945 ZPO anzusehen ist, weil das Landgericht Hamburg diese Verfügung durch rechtskräftiges Urteil vom 16. Februar 2011 aufgehoben hat. Von einer entsprechenden Bindungswirkung sind das Reichsgericht […] und der Bundesgerichtshof in älteren Entscheidungen ausgegangen […]. Der Senat hat die umstrittene Frage, ob eine Entscheidung im summarischen Verfahren, durch die eine einstweilige Verfügung (formell rechtskräftig) als unbegründet aufgehoben worden ist, das Gericht im Schadensersatzprozess bindet, bislang offengelassen […]. Diese Frage muss auch im Streitfall nicht entschieden werden.
b) Nach der Annahme des Berufungsgerichts hat das Landgericht Hamburg die einstweilige Verfügung zu Recht erlassen und fälschlicherweise mit rechtskräftigem Urteil vom 16. Februar 2011 wieder aufgehoben, weil der Beklagten der im Verfügungsverfahren verfolgte Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 9 Buchst. a UWG nach Ansicht des Berufungsgerichts zustand. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. [wird ausgeführt]“
Und im Rahmen der Zurückverweisung folgt dann die eigentlich relevante und sehr ausführliche „Segelanleitung“:
„Für das weitere Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen:
1. Da der Beklagten kein den Erlass der einstweiligen Verfügung rechtfertigender Unterlassungsanspruch zugestanden hat, ist von einem dem Grunde nach bestehenden Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß § 945 Fall 1 ZPO auszugehen.
2. Das Berufungsgericht wird deshalb zu prüfen haben, ob der Klägerin ein Schadensersatzanspruch in der von ihr geltend gemachten Höhe zusteht.
a) Dabei kann ein Schaden der Klägerin wegen der durch die Rückholung bereits ausgelieferter Wärmepantoffeln aus dem Einzel- und Großhandel verursachten Kosten entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht von vornherein verneint werden.
aa) Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, ist mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig dahin auszulegen, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst […].
bb) Der Klägerin war durch die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 7. Dezember 2010 verboten worden, ihre Wärmepantoffeln anzubieten, zu bewerben, zu importieren und/oder in den Verkehr zu bringen.
In Befolgung dieses Verbots war die Klägerin nicht nur verpflichtet, den weiteren Vertrieb ihrer noch nicht verkauften Wärmepantoffeln einzustellen. Es oblag ihr auch, bereits an den Groß- und Einzelhandel verkaufte Wärmepantoffeln zurückzurufen.“
tl;dr: Zum nach § 945 ZPO ersatzfähigen Schaden können auch Kosten gehören, die der Beseitigung eines Störungszustandes dienen, der durch die zu unterlassende Handlung verursacht ist.
Anmerkung/Besprechung, BGH, Urteil v. 19.11.2015 – I ZR 109/14. Foto: ComQuat |wikimedia.org |
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