BGH: Bei Räumungsklage führt Insolvenz des Beklagten zur Unterbrechung gem. § 240 ZPO

Mit den prozesualen Folgen der Insolvenz des Räumungsbeklagten befasst sich der Beschluss des BGH vom 10.12.2014 – XII ZR 136/12.

Sachverhalt

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall hatte die Klägerin – stark vereinfacht – den Beklagten auf Räumung und Herausgabe eines Fitnessstudios in Anspruch genommen und damit in erster Instanz obsiegt. Der Beklagte hatte dagegen noch Berufung eingelegt. Begründet hatte der Beklagte die Berufung nicht mehr, weil zwischenzeitlich über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden war.

Das OLG hatte die Berufung daraufhin als unzulässig verworfen, weil diese nicht begründet worden sei. Es sei keine Verfahrensunterbrechung gem. § 240 ZPO eingetreten, weil das Fitnessstudio nicht dem Insolvenzbeschlag unterliege und daher nicht die Insolvenzmasse betreffe.

Gerichtverfahren werden gem. § 240 ZPO unterbrochen, wenn über das Vermögen einer der Parteien das Insolvenzverfahren eröffnet wird und der Rechtsstreit die Insolvenzmasse betrifft. Hintergrund ist, dass die Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse gem. § 80 InsO mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter übergeht.

Die Unterbrechung gem. § 240 ZPO und die dadurch eintretenden Rechtsfolgen sind sehr anschaulich dargestellt in einem Aufsatz von Huber in der JuS 2013, 1070 ff.

Eine Unterbrechung tritt aber nicht ein, wenn die durch den Streitgegenstand betroffene Sache nicht zur Insolvenzmasse gehört. Die Insolvenzmasse ist gem. § 35 Abs. 1 InsO definiert als „das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt“. Die Räume des Fitnessstudios gehörten offensichtlich nicht dem Beklagten sondern der Klägerin.

Die Vorinstanz war daher davon ausgegangen, dass der Rechtsstreit gerade nicht sie Insolvenzmasse betraf und daher nicht gem. § 240 ZPO unterbrochen war. Und da der Beklagte seine Berufung nicht begründet hatte (§ 520 Abs. 1 ZPO), hatte es diese als unzulässig verworfen (§ 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Entscheidung

Der BGH weist jedoch darauf hin, dass die Räumungsklage richtigerweise nicht nur einen schlichten Herausgabeanspruch (§ 985 BGB) beinhalte, sondern auch den darüber hinausgehenden Räumungsanspruch gem. § 546 Abs. 1 BGB. Und der betreffe die Insolvenzmasse, so dass der Rechtsstreit insgesamt gem. § 240 ZPO unterbrochen sei:

„Im Rahmen einer Räumungsklage ist zwischen Räumungs- und Herausgabeanspruch zu differenzieren. Nach § 985 BGB hat der Besitzer dem Eigentümer den unmittelbaren Besitz an der Sache zu verschaffen, insbesondere den Zugang zu ermöglichen und die Wegnahme zu dulden.

Davon ist die mietvertragliche Räumungspflicht zu unterscheiden. Sie hat grundsätzlich zum Inhalt, dass der Mieter bei Vertragsende die Mietsache auch im vertragsgemäß geschuldeten Zustand zurückzugeben, ihn also notfalls herzustellen hat. Diese weitergehende Pflicht des Mieters beruht allein auf dem von ihm abgeschlossenen Vertrag […]

Die Räumungspflicht betrifft daher – anders als der bloße Herausgabeanspruch – immer auch die Insolvenzmasse.

Gemessen hieran ist der Rechtsstreit […] insgesamt unterbrochen. Jedenfalls hat die Verpflichtung des Beklagten […] zur Räumung den Rechtsstreit insoweit insgesamt unterbrochen, da auch nur einer von mehreren im Prozess zusammen geltend gemachten, die Insolvenzmasse betreffenden Ansprüche die Unterbrechung des gesamten Rechtsstreits bewirkt.“

Und der Senat gibt dann gleich auch noch ein Bisschen Nachilfe und erklärt, wie es „richtig geht“:

„Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es der Klägerin unbenommen bleibt, den Rechtsstreit hinsichtlich ihres Herausgabeanspruchs gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 47 InsO aufzunehmen […].“

Anmerkung/Besprechung, BGH, Beschluss v. 10.12.2014 – XII ZR 136/12.

tl;dr: Klagt der Vermieter nicht nur auf Herausgabe (§ 985 BGB) sondern auch auf Räumung der Mietsache (§ 546 Abs. 1 BGB), so wird der Rechtsstreit durch die Insolvenz des Mieters insgesamt unterbrochen. Der Vermieter kann den Rechtsstreit aber hinsichtlich des Herausgabeanspruchs aufnehmen.

Foto: Ricardo Estefânio | Unsplash