BGH: Beweiserleichtung gem. § 287 ZPO gilt nicht für Primärverletzungen
Entscheidung
Der BGH hat die Revision zurückgewiesen:„Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht seiner Beweiswürdigung kein falsches Beweismaß zugrunde gelegt, indem es trotz des von ihm festgestellten Primärschadens in Form einer HWS-Distorsion im Hinblick auf die behauptete zusätzliche Knieschädigung das strenge Beweismaß des § 286 ZPO statt des erleichterten Beweismaßes des § 287 ZPO zugrunde gelegt hat.
a) Bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs ist zwischen der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität zu unterscheiden.
Die haftungsbegründende Kausalität betrifft den Kausalzusammenhang zwischen der Verletzungshandlung und der Rechtsgutsverletzung, d. h. dem ersten Verletzungserfolg (Primärverletzung). Insoweit gilt das strenge Beweismaß des § 286 ZPO, das die volle Überzeugung des Gerichts erfordert.
Hingegen bezieht sich die haftungsausfüllende Kausalität auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen der primären Rechtsgutsverletzung und – hieraus resultierenden – weiteren Gesundheitsschäden des Verletzten (Sekundärschäden). Nur hierfür gilt das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO, d. h. zur Überzeugungsbildung kann eine hinreichende bzw. überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen (…).
b) Allerdings hat der Senat im Beschluss vom 14. Oktober 2008 (VI ZR 7/08…) – insoweit die Entscheidung nicht tragend – ausgeführt, die Anwendung des § 287 Abs. 1 ZPO sei nicht auf Folgeschäden einer Verletzung beschränkt, sondern umfasse neben einer festgestellten oder unstreitigen Verletzung des Körpers im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB entstehende weitere Körperschäden „aus derselben Schädigungsursache“, was zumindest zu Missverständnissen Veranlassung geben kann. Soweit dem zu entnehmen sein sollte, dass eine festgestellte unfallursächliche Primärverletzung ausreiche, um alle darüber hinaus behaupteten Verletzungen unabhängig von ihrem Verhältnis zu dieser Primärverletzung in den Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität zu verlagern und damit dem Beweismaß des § 287 Abs. 1 ZPO zu unterstellen, wird hieran nicht festgehalten.
c) Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus den im vorgenannten Beschluss vom 14. Oktober 2008 (VI ZR 7/08…) zitierten Senatsentscheidungen, in denen ebenfalls zwischen haftungsbegründender Kausalität einerseits und haftungsausfüllender Kausalität als Folge der jeweiligen Primärverletzung andererseits differenziert wird (wird ausgeführt).
Den vorgenannten Entscheidungen ist gemeinsam, dass die Anwendbarkeit des § 287 ZPO nur insoweit bejaht wurde, als es um die Frage ging, ob eine haftungsbegründende Primärverletzung – wie vom Kläger jeweils geltend gemacht – weitere Gesundheitsbeeinträchtigungen zur Folge hatte. Dies steht im Streitfall jedoch nicht in Rede.
Ob der Kläger im Streitfall durch den genannten Verkehrsunfall neben einer vom Berufungsgericht festgestellten HWS-Distorsion eine Verletzung des linken Knies erlitten hat, ist – entgegen der Auffassung der Revision – keine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität, sondern betrifft die Frage, ob der Kläger durch den Unfall eine weitere Primärverletzung in Form einer Knieschädigung erlitten hat. Dies unterfällt – wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat – dem Beweismaß des § 286 ZPO. Die Revision zeigt keinen in der Instanz übergangenen Sachvortrag auf, wonach der Kläger geltend gemacht hat, die behauptete Knieschädigung sei Folge der HWS-Distorsion.“