BGH zur Bindung des Insolvenzverwalters an eine Schiedsklausel

Haben die Parteien eines Vertrages eine Schiedsabrede getroffen und wird über das Vermögen einer der Parteien das Insolvenzverfahren eröffnet, stellt sich immer wieder die Frage, ob eine später zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Vertragspartner entstehenden Streitigkeiten von der Schiedsabrede erfasst ist. Die insoweit geltenden Grundsätze hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 29.06.2017 – I ZB 60/16 nochmals klargestellt und auf den Fall eines Geschäftsbesorgungsvertrages angewendet.
Sachverhalt
Die spätere Insolvenzschuldnerin war Eigentümerin eines Schiffes und hatte mit der Antragsgegnerin einen Bereederungsvertrag geschlossen (das ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag, mit dem – vereinfacht – der „Betrieb“ des Schiffes auf die Antragsgegnerin übertragen wurde). In diesem Vertrag war u.a. festgehalten, dass die Antragsgegnerin bei einem Verkauf des Schiffes für ihre Leistungen eine Vergütung in Höhe von 1,5 % des Kaufpreises erhalten sollte. Außerdem befand sich in dem Bereederungsvertrag eine Schiedsklausel mit folgendem Wortlaut:
„All disputes arising out of or in connection with this contract or concerning its validity shall be finally settled by arbitration in accordance with the arbitration rules of the German Maritime Arbitration Association. The arbitration proceedings shall be held in Hamburg and in the English language.“
Nachdem über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, veräußerte der Insolvenzverwalter das Schiff. Die Antragsgegnerin erhob daraufhin am gegen den Insolvenzverwalter Schiedsklage in Höhe von 1,5 % des Verkaufspreises. Dabei vertrat die Antragsgegnerin die Ansicht, es handele sich bei dem ihr zustehenden Anspruch um einen solchen aus Notgeschäftsführung gem. § 115 Abs. 2 InsO, ihr Anspruch sei daher eine Masseforderung. Das Schiedsgericht erklärte sich durch Zwischenentscheid für zuständig. Dagegen wendete sich der Insolvenzverwalter (Antragsteller) mit dem Antrag, den Zwischenentscheid aufzuheben und festzustellen, dass das Schiedsgericht zur Entscheidung über die mit der Schiedsklage geltend gemachten Anträge unzuständig ist. Das OLG hatte dem Antrag stattgegeben, wogegen sich die Antragsgegnerin mit der Rechtsbeschwerde wendete.

Die Insolvenzschuldnerin und die Antragsgegnerin hatten hier eine Schiedsvereinbarung i.S.d. §§ 1029 ff. ZPO getroffen, wonach Streitigkeiten zwischen den Parteien nicht vor den staatlichen Gerichten, sondern vor einem Schiedsgericht beigelegt werden sollten. Die Antragsgegnerin klagte nun aber nicht gegen die Schuldnerin (denn die war ja insolvent), sondern gem. § 80 InsO gegen den Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes (herrschende sog. „Amtstheorie“). Dabei argumentierte sie, der Bereederungsvertrag sei zwar mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. §§ 116, 115 InsO erloschen. Sie habe aber nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Leistungen im Zusammenhang mit der Veräußerung des Schiffes erbracht und diese fielen unter § 115 Abs. 2 InsO. Das hätte zur Folge, dass sie gem. § 115 Abs. 2 Satz 3 InsO mit ihrem Anspruch Massegläubigerin wäre und deshalb vom Insolvenzverwalter Zahlung in voller Höhe hätte verlangen können (Massegläubiger werden gem. § 55 InsO vorab aus der Insolvenzmasse befriedigt und erhalten - anders als einfache Insolvenzgläubiger - nicht nur die Insolvenzquote). Fraglich war nun, ob die Antragsgegnerin diesen Anspruch wegen der Schiedsklausel ebenfalls vor dem Schiedsgericht einklagen musste (das wäre jedenfalls dann der Fall gewesen, wenn es sich um einen „normalen“ vertraglichen Anspruch handeln würde) oder ob sie vor den staatlichen Gerichten klagen musste (das wäre der Fall gewesen, wenn es sich um einen insolvenzrechtlichen Anspruch gehandelt hätte). Das angerufene Schiedsgericht hatte sich auf die Rüge des Insolvenzverwalters gem. § 1040 Abs. 3 Satz 1 ZPO für zuständig erklärt. Daraufhin hatte der Insolvenzverwalter gem. § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO das OLG angerufen und beantragt, festzustellen, dass das das Schiedsgericht nicht zuständig sei. Das hatte dem Antrag stattgegeben, wogegen sich nun die Antragsgegnerin wendete.
Entscheidung
Der BGH hat den Beschluss des OLG aufgehoben und den Antrag selbst zurückgewiesen. 1. Zunächst stellt der Senat klar, dass der Bereederungsvertrag selbst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. §§ 116 Abs. 1 i.V.m. 115 Abs. 1 InsO erloschen sei, dies aber gem. § 1040 Abs. 1 Satz 2 ZPO keine Auswirkung auf die Schiedsklausel habe. 2. Der geltend gemachte Anspruch auf Vergütung aus Notgeschäftsführung sei auch von der Schiedsklausel erfasst:

„Es handelt sich um einen Anspruch, der im Zusammenhang mit dem Bereederungsvertrag steht. Der Vergütungsanspruch aus Notgeschäftsführung gemäß § 115 Abs. 2 InsO beruht darauf, dass der Auftrag insoweit als fortbestehend gilt. Der Anspruch knüpft damit an den vorher bestehenden Auftrag, hier den Bereederungsvertrag, an und setzt ihn voraus. Die von der Antragsgegnerin behaupteten vergütungspflichtigen Leistungen im Zusammenhang mit dem Verkauf des Schiffs stehen im Zusammenhang mit der Beendigung und Abwicklung des Bereederungsvertrags. (…)

Für die Beurteilung des in Rede stehenden Anspruchs aus Notgeschäftsführung kommt es auf kein insolvenzspezifisches Recht des Insolvenzverwalters an, das der Bindung an die Schiedsvereinbarung entgegensteht.“

3. Der Senat referiert dann ausführlich die allgemein geltenden Grundsätze dazu, wann ein insolvenzspezifisches Recht des Insolvenzverwalters vorliegt, das einer Bindung an eine Schiedsvereinbarung entgegenstehe:

„Der Insolvenzverwalter ist an eine vom Schuldner abgeschlossene Schiedsvereinbarung nicht gebunden, soweit im Streit ein selbständiges, der Verfügungsgewalt des Schuldners entzogenes Recht des Insolvenzverwalters ist (…). Zu diesen Rechten des Verwalters gehört etwa die Insolvenzanfechtung. Der Rückgewähranspruch aus Insolvenzanfechtung (§ 143 Abs. 1 InsO) folgt nicht aus dem anfechtbar geschlossenen Vertrag, sondern aus einem selbständigen, der Verfügungsgewalt des Schuldners entzogenen Recht des Insolvenzverwalters. Der Schuldner ist an dem materiellen Streitverhältnis der Insolvenzanfechtungsansprüche nicht beteiligt; er kann nicht über sie disponieren (…). Ebenso verhält es sich mit dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO. Dabei handelt es sich um keine Befugnis, die ursprünglich dem Insolvenzschuldner zustand, und die deshalb Gegenstand von vertraglichen Vereinbarungen einschließlich einer entsprechenden Schiedsabrede hätte sein können, sondern um ein gesetzlich dem Insolvenzverwalter zustehendes Recht (…).

Allgemein entfällt die Bindung des Insolvenzverwalters an eine vom Insolvenzschuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossene Schiedsabrede, wenn es um Rechte des Insolvenzverwalters geht, die sich nicht unmittelbar aus dem vom Insolvenzschuldner abgeschlossenen Vertrag ergeben, sondern auf der Insolvenzordnung beruhen und daher insolvenzspezifisch sind. Der Schuldner ist nicht befugt, über sie zu verfügen oder Einfluss darauf zu nehmen, wann, in welcher Weise und bei welcher Stelle sie geltend gemacht werden (…).

Demgegenüber bleibt es bei einem Streit, ob einem Gläubiger ein Aus- oder Absonderungsrecht in der Insolvenz des Schuldners zusteht, bei der Bindung des Insolvenzverwalters an eine Schiedsvereinbarung (…), obwohl diese Gläubigerrechte ihre Grundlage ebenfalls in den Vorschriften der Insolvenzordnung finden. Ebenso bleibt der Insolvenzverwalter an eine Schiedsvereinbarung gebunden, wenn er gemäß § 166 Abs. 2 InsO eine Forderung einzieht, die der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hat (…). Dieses Einziehungsrecht ist dem Verwalter zwar von der Insolvenzordnung besonders verliehen. Der Schuldner selbst hätte es nicht. Auf die einzuziehende Forderung als solche, die der Schiedsabrede unterliegt, wirkt sich das besondere Einziehungsrecht des Verwalters gemäß § 166 Abs. 2 InsO jedoch nicht aus. Eingezogen wird die vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete und von ihm sicherungshalber abgetretene Forderung. Ebenso wie der Sicherungsnehmer dann bei einer Zahlungsklage an die Schiedsvereinbarung gebunden gewesen wäre, gilt dies für den Verwalter, der gemäß § 166 Abs. 2 InsO anstelle des Sicherungsnehmers die Forderung einzieht. Wie der Sicherungsnehmer hat er die vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam geschaffene Rechtslage insoweit hinzunehmen (…).“

4. Die sich aus den §§ 115, 116 InsO ergebenden Rechtsfolgen seien aber nicht abschließend im Gesetz geregelt und nicht „insolvenzspezifisch“. Vielmehr handele es sich bei dem Anspruch aus § 115 Abs. 2 InsO um einen „gewöhnlichen“ vertraglichen Vergütungsanspruch, der auf dem ursprünglichen Geschäftsbesorgungsvertrag beruhe:

„Soweit § 116 InsO auf § 115 Abs. 2 und 3 InsO verweist, werden die Vertragsinteressen des Geschäftsbesorgers geschützt (…) und keine insolvenzspezifischen Rechte des Insolvenzverwalters begründet. (…) Zwar haben sowohl das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO als auch die Vorschriften der §§ 115, 116 InsO die Frage zum Gegenstand, wie sich das Insolvenzverfahren auf die Erfüllung der vom Schuldner begründeten Rechtsgeschäfte auswirkt. Anders als § 103 InsO verleihen die §§ 115, 116 InsO dem Insolvenzverwalter jedoch kein Recht. Vielmehr handelt es sich bei Vergütungsansprüchen nach § 115 Abs. 2 oder 3 InsO um vertragliche Ansprüche des Auftragnehmers. (…)

Die Antragsgegnerin stützt ihren Anspruch in der Schiedsklage allein auf eine Notgeschäftsführung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Sie macht einen Vergütungsanspruch gemäß Ziffer (…) des Bereederungsvertrags für im Zusammenhang mit dem Verkauf des Schiffs erbrachte Leistungen geltend. Auf den dieser vertraglichen Absprache unterliegenden Vergütungsanspruch für im Rahmen der Notgeschäftsführung erbrachte Leistungen wirken sich Bestimmungen des Insolvenzrechts nicht aus (…).

aa) Zwar wird der Umfang der berechtigten Notgeschäftsführung durch die Möglichkeit des Insolvenzverwalters begrenzt, anderweitig Fürsorge zu treffen.

Dabei handelt es sich aber um keine insolvenzspezifische Beschränkung. Die Regelung der Notgeschäftsführung in § 115 Abs. 2 Satz 1 und 2 InsO entspricht der allgemein für das Auftragsrecht geltenden Bestimmung des § 672 Satz 2 BGB. (…) Vergleichbare Regelungen zur Notgeschäftsführung finden sich in § 1472 Abs. 4 und § 1698b BGB, auf die wiederum in den Fällen des § 1497 Abs. 2 und § 1893 Abs. 1 BGB verwiesen wird. Derselbe Rechtsgedanke liegt der Bestimmung des § 727 Abs. 2 BGB zugrunde. Handelt es sich bei der Regelung zur Notgeschäftsführung um einen allgemeinen Rechtsgedanken, so liegt es fern, von einer insolvenzspezifischen Regelung auszugehen.

bb) Dem vertraglichen und nicht insolvenzspezifischen Charakter des Vergütungsanspruchs der Antragsgegnerin steht nicht entgegen, dass sich der Insolvenzverwalter zur Abwehr von Ansprüchen grundsätzlich auf das Erlöschen des Bereederungsvertrags gemäß § 116 in Verbindung mit § 115 Abs. 1 InsO berufen kann. Das führt zu keiner stärkeren insolvenzrechtlichen Prägung des Sachverhalts als die Abwehr von Ansprüchen aus Ab- oder Aussonderungsrechten durch den Insolvenzverwalter, bei der eine Bindung an eine vom Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossene Schiedsvereinbarung besteht (…) Für die Annahme eines von der Bindung an die Schiedsvereinbarung befreienden insolvenzspezifischen Rechts reicht es nicht aus, dass sich der Insolvenzverwalter auf bestimmte in der Insolvenzordnung geregelte Rechtsfolgen berufen kann, wenn er Ansprüchen ausgesetzt ist, die ihre Grundlage in nach der Insolvenzordnung erloschenen Verträgen finden.“

Anmerkung
Ein – wegen der Spezialmaterie der §§ 115, 116 InsO – eher nicht alltäglicher Fall, der aber die Abgrenzung noch einmal sehr anschaulich macht: Der Insolvenzverwalter ist an eine vom Schuldner abgeschlossene Schiedsvereinbarung nur dann nicht gebunden, wenn streitgegenständlich ein selbständiges, der Verfügungsgewalt des Schuldners entzogenes Recht des Insolvenzverwalters ist, über das der Schuldner mit der Schiedsabrede gar nicht hätte disponieren können. Das ist insbesondere bei Ansprüche aus Insolvenzanfechtung gem. §§ 129 ff. InsO sowie bei Ansprüchen im Zusammenhang mit dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters gem. § 103 InsO der Fall. Das OLG Hamburg als Vorinstanz (Beschluss vom 20.06.2016 - 6 SchlH 2/16) war übrigens davon ausgegangen, dass durch die Tätigkeit der Antragsgegnerin beim Verkauf des Schiffes ein neuer Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Insolvenzverwalter zustande gekommen sei (s. dort Rn. 17). tl;dr: Die Bindung des Insolvenzverwalters an eine Schiedsabrede entfällt nur, wenn sich die Rechte des Insolvenzverwalters nicht unmittelbar aus dem vom Insolvenzschuldner abgeschlossenen Vertrag ergeben, sondern auf der Insolvenzordnung beruhen und daher insolvenzspezifisch sind. Das ist bei den §§ 115, 116 InsO nicht der Fall. Anmerkung/Besprechung, BGH, Beschluss vom 29.06.2017 – I ZB 60/16. Foto: Axel Ahoi | Unsplash