BGH: Keine Verspätung bei bloßen Konkretisierungen, Erläuterungen oder Korrekturen
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hat sich der Ansicht des Berufungsgerichts nicht angeschlossen:„1. Bei Auslegung und Anwendung der Präklusionsvorschriften sind die Gerichte einer strengeren verfassungsrechtlichen Kontrolle unterworfen als dies üblicherweise bei der Anwendung einfachen Rechts geschieht. Die Überprüfung geht insoweit über eine bloße Willkürkontrolle hinaus (…). Das Gebot aus Art. 103 Abs. 1 GG , rechtliches Gehör zu gewähren, ist daher bereits dann verletzt, wenn das Berufungsgericht neues Vorbringen unter offensichtlich fehlerhafter Anwendung des § 531 Abs. 2 ZPO nicht zur Verhandlung zulässt (…).
2. Letzteres ist hier der Fall.
a) Das zweitinstanzliche Vorbringen des Klägers zu einem Austausch der Schließanlage in den USA vor seinem Erwerb des Fahrzeugs ist bereits nicht neu im Sinne der Vorschrift.
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Nichtübereinstimmung des vom Kläger vorgelegten Fahrzeugschlüssels mit den beim Hersteller hinterlegten Daten nur mit einem vollständigen Austausch der Schließanlage zu erklären wäre, wofür aber keine Anhaltspunkte bestünden; daraus ergebe sich eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der bloßen Vortäuschung eines Diebstahls.
Rechtserheblich ist deshalb die vom Kläger bereits in erster Instanz behauptete und unter Beweis gestellte Tatsache, dass ein solcher Austausch an dem Fahrzeug in den USA stattgefunden hatte, bevor er dieses erwarb. Auf das genaue Austauschdatum kam es für die Erheblichkeit dieser Tatsachenbehauptung dagegen nicht an.
Die erst in zweiter Instanz erfolgte Angabe des Klägers, dass dieser Austausch am 4. Januar 2011 erfolgt sei, stellt sich deshalb nicht als vollständig neue Behauptung, sondern als ergänzende Präzisierung seines unabhängig vom genauen Datum erheblichen Vorbringens aus erster Instanz dar.
Ein in zweiter Instanz konkretisiertes Vorbringen ist nämlich dann nicht neu, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus erster Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (…). Das gilt nicht nur für schlüssiges Vorbringen der darlegungs- und beweisbelasteten Partei, sondern ebenso für erhebliches Vorbringen des Gegners.
Das ist im Streitfall nicht deshalb anders, weil die präzisierende Angabe im Berufungsverfahren, wann genau der Austausch der Schließanlage erfolgt sein soll, mit einer Korrektur abweichender Angaben aus erster Instanz einherging. Die Korrektur einer zuvor erfolgten Präzisierung im Berufungsverfahren ist insofern nicht anders zu beurteilen als die erstmalige Präzisierung bereits schlüssigen Vorbringens.“
Und dann folgt noch eine interessante „Segelanweisung“, denn das Berufungsgericht hatte auch noch die Beweislast falsch verteilt:„Ob die übrigen vom Berufungsgericht angeführten, gegen den Kläger sprechenden Umstände für sich alleine genommen bereits ausreichen, die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines nur vorgetäuschten Diebstahls zu begründen, ist ungewiss. Dies wird das Berufungsgericht neu zu beurteilen haben.
Sollte es dagegen entscheidend darauf ankommen, ob der Austausch tatsächlich durchgeführt wurde, so wäre es Sache der Beklagten, das durch die nunmehr vorgelegte Rechnung gestützte und zu berücksichtigende Vorbringen des Klägers zu widerlegen, da der Versicherer für Umstände, die eine überwiegende Vortäuschungswahrscheinlichkeit begründen, beweispflichtig ist (…).