Entscheidung
Der Bundesgerichthof führt zunächst aus, dass nach ständiger Rechtsprechung die die Zustellung des Mahnbescheids die Verjährung auch bei unrichtigen Angaben die Verjährung hemmt:
„Richtig hat das Berufungsgericht dabei zum Ausgangspunkt genommen, die Zustellung des Mahnbescheids hemme trotz eines Verstoßes gegen § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO [...] nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB die Verjährung [...]"
Allerdings könne sich der Kläger gem. § 242 BGB dann nicht auf die Verjährungshemmung berufen, wenn er bewusst unrichtige Angaben gemacht und damit das Mahnverfahren missbraucht habe:
„Die § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO widerstreitende Geltendmachung des „großen" Schadensersatzes, der nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines erlangten Vorteils zu gewähren ist, stellt, wenn der Antragsteller entgegen § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar, der es dem Antragsteller nach § 242 BGB grundsätzlich verwehrt, sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu berufen […].
Denn der Antragsteller, dem der Gesetzgeber eine Erleichterung auf dem Weg zu einem vollstreckungsfähigen Titel nur gegen eine klare Festlegung zu den Voraussetzungen des Mahnverfahrens gewährt, überspielt damit zielgerichtet die Sicherungen, die das Mahnverfahren als Kompensation für die lediglich begrenzte Schlüssigkeitsprüfung […] zugunsten des Antragsgegners vorsieht.
Macht der Geschädigte seinen Anspruch auf Leistung "großen" Schadensersatzes im Klageverfahren geltend und ist der Schädiger säumig, kann der Geschädigte aufgrund des von Amts wegen zu berücksichtigenden Grundsatzes der Vorteilsausgleichung nach § 331 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO eine Verurteilung nur Zug um Zug erlangen. Die Schlüssigkeit seines Begehrens setzt im Klageverfahren die Schilderung des schädigenden Ereignisses, hier des darlehensfinanzierten Erwerbs von Wohnungseigentum aufgrund einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung der Bank als Schädigerin, voraus.
Damit ist das Erlangen eines schadensersatzrechtlich beachtlichen Vorteils Teil des nach § 331 Abs. 2 Halbsatz 1 ZPO zu berücksichtigenden Vortrags. Der Richter wird deshalb von Amts wegen, sollte der Klageantrag nicht schon auf eine Verurteilung Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils lauten, einen Zug-um-Zug-Vorbehalt aussprechen […].
Wählt der Geschädigte stattdessen das Mahnverfahren und gibt im Bewusstsein der die Vorteilsausgleichung beherrschenden Grundsätze eine nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO falsche Erklärung ab, erreicht er, weil im Mahnverfahren nur eine begrenzte Schlüssigkeitsprüfung stattfindet, ein vorbehaltloses Erkenntnis zulasten des Schädigers. Er nutzt damit – anders als ein Antragsteller, der etwa mangels juristischer Vorbildung die Vorteilsausgleichung in ihren Rechtsfolgen nicht einzuordnen weiß – die gegenüber dem Klageverfahren andere Verfahrensgestaltung des Mahnverfahrens mit der Aussicht, sich einen geldwerten Vorteil gegenüber der ansonsten von Amts wegen zu berücksichtigenden materiellen Rechtslage zu verschaffen.
Dass der Kläger, der sich das Verhalten seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss (§ 166 BGB, § 85 Abs. 2 ZPO), nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht hat, hat das Berufungsgericht festgestellt. Dass diese Feststellung im Revisionsverfahren beachtliche Rechtsfehler aufwiese, zeigt die Revision nicht auf und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Der Kläger hat den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids, auf dessen verjährungshemmende Zustellung er sich beruft, durch einen Rechtsanwalt stellen lassen, der durch seinen Zug-um-Zug-Vorbehalt in der Anspruchsbegründungsschrift deutlich zu erkennen gegeben hat, um die Unvereinbarkeit seiner Verfahrensweise mit § 688 Abs. 2 Nr. 2, § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zu wissen. Im Übrigen wurden die aus der oben zitierten älteren höchstrichterlichen Rechtsprechung für § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu ziehenden Konsequenzen bereits im Jahr 2005 in der Literatur dargestellt [...].“
Anmerkung
Ob es wirklich taktisch so klug war, in der Anspruchsbegründung „nur“ noch einen Zug-um-Zug-Antrag zu stellen? Ich bin mir nicht so sicher. Die Tatsacheninstanzen hätten sich dann mit der Begründung des Vorsatzes immerhin etwas mehr Mühe geben müssen…
Der III. Zivilsenat hat sich der Entscheidung in seinem Urteil vom 16.07.2015 – III ZR 238/14 mit identischer und weitgehend wortgleicher (!) Begründung angeschlossen.
tl;dr: Die Zustellung des Mahnbescheids hemmt die Verjährung auch bei unrichtige Angaben im Antrag. Auf die Verjährungshemmung kann sich aber nicht berufen, wer bewusst falsche Angaben gemacht hat.
Anmerkung/Besprechung, BGH, Urteil vom 23.06.2015 – XI ZR 536/14. Foto:Andreas Praefcke |
Karlsruhe BGH Eingangsbereich |
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