BGH: Unwirksames Anerkenntnis bei fehlender Postulationsfähigkeit

Fragen zur Postulationsfähigkeit bei der Abgabe von Prozesserklärungen beschäftigen Obergerichte erstaunlich häufig, s. zuletzt hier.

Mit für die Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehenen Beschluss vom 12.05.2015 – XI ZR 397/14 hat sich der Bundesgerichtshof mit Frage befasst, bis wann ein Anerkenntnis in der Revisionsinstanz auch ohne am Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt wirksam ist.

Sachverhalt

Der Kläger begehrte von der beklagten Bank die Rückzahlung von Bearbeitungsentgelten. Damit war er in erster und zweiter Instanz unterlegen. Die zugelassene Revision hatte der Kläger fristgerecht eingereicht und begründet. Wohl nachdem der BGH die zugrunde liegenden Rechtsfragen inzwischen (zugunsten des Klägers) beantwortet hatte, erkannte die Beklagte den Anspruch an; allerdings nicht durch einen am BGH zugelassenen Rechtsanwalt, sondern durch ihren zweitinstanzlichen Bevollmächtigten. Der Kläger beantragte daraufhin den Erlass eines Anerkenntnisurteils.

Die Beklagte hatte den Klageanspruch hier anerkannt, und zwar durch den Anwalt, der sie auch in der Berufungsinstanz vertreten hatte. Erkennt eine Partei den gegen sie geltend gemachten Anspruch an (und ist die Klage zulässig), erlässt das Gericht grundsätzlich ohne weitere Sachprüfung ein Anerkenntnisurteil; eines Antrages braucht es dafür grundsätzlich nicht (§ 307 ZPO).

Das Anerkenntnis war hier aber erst vor dem Bundesgerichtshof erklärt worden. Und vor dem Bundesgerichtshof können sich die Parteien gem. § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO nur durch die dort zugelassenen Anwälte vertreten lassen.

Fraglich war daher, ob dies auch für ein Anerkenntnis gilt und ob das Anerkenntnis daher wirksam war. Und, wenn das Anerkenntnis unwirksam sein sollte, ob das Gericht einfach weiterverhandeln konnte oder ob der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils förmlich beschieden werden musste.

Entscheidung

Erst im vergangenen Jahr hatte der X. Zivilsenat entschieden, dass ein Anerkenntnis vor dem Bundesgerichtshof auch durch einen dort nicht zugelassenen Anwalt erklärt werden kann, solange die Revision nicht begründet worden ist (Urteil v. 6. Mai 2014 – X ZR 11/14).

Weitere Ausnahmen will der XI. Zivilsenat aber nicht zulassen:

„Der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten konnte die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche des Klägers gegenüber dem Revisionsgericht nicht wirksam anerkennen.

a) Die Erklärung eines Anerkenntnisses unterliegt als Prozesshandlung dem Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 ZPO). Vor den Gerichten des höheren Rechtszugs kann eine dem Anwaltszwang unterliegende Prozesshandlung grundsätzlich wirksam nur von einem Rechtsanwalt vorgenommen werden, der bei dem Gericht zugelassen ist, dem gegenüber die Prozesshandlung zu erklären ist.

Wenn der Rechtsstreit in der Rechtsmittelinstanz anhängig ist, können daher grundsätzlich auch die Prozesshandlungen, die sich an das Rechtsmittelgericht richten – wie die Abgabe eines prozessualen Anerkenntnisses –, nur von einem beim Rechtsmittelgericht zugelassenen Rechtsanwalt vorgenommen werden (BGH, Anerkenntnisurteil vom 6. Mai 2014 - X ZR 11/14 Rn. 5).

Von diesem Grundsatz hat der Bundesgerichtshof eine Ausnahme zugelassen, wenn das Anerkenntnis vor Eingang der Revisionsbegründung abgegeben wird, weil dann der Schutzzweck des § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO eine Bestellung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts nicht erfordere, da diesem mangels Revisionsbegründung keine andere Beurteilungsgrundlage zur Verfügung stehe als dem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten (BGH, aaO Rn. 8).

b) Die Voraussetzungen dieser Ausnahme liegen hier nicht vor, da die Revision vor Abgabe des Anerkenntnisses begründet worden ist. Das Anerkenntnis hätte daher von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt abgegeben werden müssen. Das vom zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten erklärte Anerkenntnis ist unwirksam.

Da sich nach Eingang der Revisionsbegründung die Grundlage für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage für die beklagte Partei wandelt und nun insbesondere revisionsrechtliche Fragen hinsichtlich Zulässigkeit und Begründetheit des Rechtsmittels im Vordergrund stehen, deren Beurteilung spezielle Rechtskenntnisse erfordert, die sich gerade die beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte angeeignet haben, kann nach Eingang der Revisionsbegründung unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO keine weitere Ausnahme vom oben dargestellten Grundsatz zugelassen werden. Es bedarf in dem hier vorliegenden Verfahrensstadium zur Abgabe eines Anerkenntnisses zwingend des Handelns eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts.“

Blieb die Frage, ob und ggf. wie der Senat den Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils bescheiden musste (denn gem. § 551 Abs. 3 ZPO ergeht ein Anerkenntnisurteil in der Revisionsinstanz nur auf Antrag).

„Der Kläger ist vom Senatsvorsitzenden darauf hingewiesen worden, dass ein Anerkenntnisurteil wegen fehlender Postulationsfähigkeit des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht ergehen kann.

Da er auf einer Entscheidung des Senats bestanden hat, ist sein Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils wegen des Fehlens eines wirksamen Anerkenntnisses im Beschlusswege entsprechend § 335 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen […], denn die Frage nach der Wirksamkeit des Anerkenntnisses ist verfahrensrechtlich einer Prozessvoraussetzung gleichzustellen.

3. Eine Kostenentscheidung ergeht nicht, weil der zurückweisende Beschluss gerichtsgebührenfrei ergeht und weitere Anwaltskosten nicht anfallen […].“

Anmerkung

Die Differenzierung des Bundesgerichtshofs finde ich nicht wirklich überzeugend. Mir erschließt sich nicht, was die Situation nach Eingang der Revisionsbegründung so grundlegend von der Situation vor deren Eingang unterscheiden soll, wenn doch die beklagte Partei gewillt ist, den eingeklagten Anspruch zu erfüllen.

Noch weniger verstehe ich, warum es überhaupt zu dieser Entscheidung gekommen ist. Es hätte doch für die Beklagte – insbesondere nach dem Hinweis des Vorsitzenden – einen Weg gegeben, den Rechtsstreit doch noch ohne am Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu beenden: Die Beklagte hätte den geschuldeten Betrag an den Kläger zahlen können. Der dann folgenden Erledigungserklärung des Kläger hätte sie sich gem. §§ 91a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 78 Abs. 3 ZPO sogar völlig ohne anwaltliche Vertretung anschließen können (vgl. BGH, Beschluss vom 10.02.2004 – VI ZR 110/03).

Bleibt die – praktisch viel relevantere – Frage, ob die vom BGH aufgestellten Grundsätze entsprechend auch für die Berufung zum Landgericht gelten. Denn konsequenterweise müsste vor dem Landgericht bis zum Eingang einer Berufungsbegründung ein Anerkenntnis dann auch ohne anwaltliche Vertretung möglich sein (ebenso Weth, in: Musielak/Voit, § 78 Rn. 6a aE).

Ist ein Anerkenntnis in den ersten beiden Instanzen unwirksam, passt § 335 Abs. 1 ZPO übrigens nicht, weil ein Anerkenntnisurteil dann keinen Antrag voraussetzt (vgl. § 307 ZPO). Daher ist ggf. durch Zwischenurteil (§ 303 ZPO) auszusprechen, dass das Anerkenntnis unwirksam ist (Musielak, in: MünchKommZPO, § 307 Rn. 23).

tl;dr: Ein Anerkenntnis kann in der Revisionsinstanz nur bis zum Eingang der Revisionsbegründung auch durch den in der Vorinstanz beauftragten Anwalt erklärt werden. Ein Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils ist bei unwirksamem Anerkenntnis entsprechend § 335 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Anmerkung/Besprechung, BGH, Beschluss vom 12.05.2015 – XI ZR 397/14. Foto: Balthasar Schmitt User:Waugsberg | Justitia Justizpalast Muenchen | CC BY-SA 3.0