BGH: Vertragsstrafeversprechen steht der Androhung eines Ordnungsmittels gem. § 890 Abs. 2 ZPO nicht entgegen

Nach Betonmischern heute ein Fall mit Betonpumpen: Der Bundesgerichtshof hatte sich in seinem Beschluss vom 03.04.2014 – I ZB 3/12 mit der Frage zu befassen, ob ein Vertragsstrafeversprechen in einem gerichtlichen Vergleich der Androhung und Verhängung eines Ordnungsgeldes gem. § 890 ZPO entgegensteht.

BetonpumpeSachverhalt

Die Parteien (zwei Hersteller von Betonpumpen) hatten vor dem Landgericht einen Vergleich geschlossen, in dem sich die Schuldnerin verpflichtete, bestimmte Äußerungen über die Gläubigerin zu unterlassen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung hatte sich die Schuldnerin verpflichtet, an die Gläubigerin eine Vertragsstrafe in Höhe von 10.000 EUR zu zahlen. Die Gläubigerin behauptete nun einen Verstoß gegen diese Unterlassungsverpflichtung und beantragte gem. § 890 Abs. 2 ZPO die Androhung eines Ordnungsgeldes. Das Landgericht wies den Antrag mit der Begründung zurück, der Antragstellerin fehle es schon am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, da sie aus dem Vertragsstrafeversprechen klagen könne.

Unterlassungstitel (und Duldungstitel) werden gem. § 890 Abs. 1 ZPO durch die Verhängung von Ordnungsgeldern bzw. Ordnungshaft vollstreckt. Der Verhängung eines Ordnungsgeldes muss gem. § 890 Abs. 2 ZPO eine Androhung vorausgehen, wenn die Androhung nicht bereits in dem Urteil enthalten ist. Eine solche Androhung wird in der Regel schon in den Tenor aufgenommen, wenn die Unterlassungsverpflichtung in einem Urteil ausgesprochen wird. In einen Vergleich wird eine solche Androhung hingegen selten aufgenommen, weil die Androhung in einem Vergleich nicht die Wirkung des § 890 Abs. 2 ZPO hat. Zuständig für die Androhung und die Verhängung des Ordnungsgelds ist das Prozessgericht des ersten Rechtszugs.

Eine solche Androhung i.S.d. § 890 Abs. 2 ZPO hatte die Gläubigerin hier beantragt, war damit jedoch in erster Instanz "abgeblitzt".

Entscheidung

Das OLG hob das landgerichtliche Urteil auf und sprach die begehrte Androhung aus, da das Vertragsstrafeversprechen als privatrechtliche Sanktion und die (hoheitliche) vollstreckungsrechtliche Ahndung nebeneinanderstünden. Die Androhung eines Ordnungsmittels setze im Übrigen auch nicht voraus, dass der Schuldner bereits gegen die Unterlassungspflicht verstoßen habe. Dem stimmt der BGH zu:

"3. a) Für den Antrag auf gerichtliche Androhung von Ordnungsmitteln gemäß § 890 Abs. 2 ZPO fehlt es nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, weil die Unterlassungspflicht der Schuldnerin bereits durch das Vertragsstrafeversprechen hinreichend abgesichert ist und deshalb aus Rechtsgründen eine zusätzliche Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 890 ZPO generell nicht in Betracht kommt.

Die Verwirkung einer Vertragsstrafe und die Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 ZPO schließen sich nicht unter dem Gesichtspunkt der Spezialität aus. Beide Sanktionen regeln unterschiedliche Sachverhalte. Während das Ordnungsgeld im Sinne von § 890 ZPO eine strafähnliche Sanktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbots darstellt, ist die Vertragsstrafe im Sinne von § 339 BGB eine schuldrechtlich vereinbarte Leistung zur Sicherung der Vertragserfüllung und zur Schadenspauschalierung. In der Vollstreckung nach § 890 ZPO kommt es allein auf das Verschulden des Schuldners an, während er im Rahmen des Unterlassungsvertrages gemäß § 278 BGB ohne Entlastungsmöglichkeit auch für seine Erfüllungsgehilfen einzustehen hat […]. Beide Sanktionen können deshalb grundsätzlich vom Gläubiger nebeneinander geltend gemacht werden […]

b) Nichts anderes gilt, wenn die Parteien – wie im Streitfall – einen Prozessvergleich geschlossen haben, in dem sich der Schuldner vertragsstrafebewehrt zur Unterlassung verpflichtet hat. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist ein solcher Vergleich nicht generell dahingehend auszulegen, dass der Gläubiger die Vertragsstrafe als alleinige Sanktion akzeptiert habe und sich daran festhalten lassen müsse.

Die Parteien eines Rechtsstreits können allerdings grundsätzlich vollstreckungsbeschränkende Vereinbarungen treffen […]. Da aber die Bestimmung des § 890 ZPO und ein Vertragsstrafeversprechen zwar jeweils den gemeinsamen Zweck verfolgen, den Schuldner von Zuwiderhandlungen abzuhalten […], im Übrigen jedoch – wie bereits ausgeführt – unterschiedliche Sachverhalte regeln, können beide Sanktionen nebeneinander durchaus sinnvoll sein und parallel geltend gemacht werden. Es besteht daher regelmäßig kein Anlass anzunehmen, dass die Parteien sich ausschließlich auf die Sanktion der Vertragsstrafe festgelegt haben […]. Dem stehen auch keine berechtigten Schuldnerinteressen entgegen. Eine übermäßige Beanspruchung des Schuldners durch eine doppelte Inanspruchnahme wird dadurch vermieden, dass die jeweils früher verhängte Sanktion bei der Höhe der jeweils späteren zu berücksichtigen ist […]. Außerdem kann der Schuldner der Doppelsanktion von vornherein dadurch entgehen, dass er entweder keine Vertragsstrafe verspricht oder auf einem Verzicht des Gläubigers hinsichtlich einer Vollstreckung gemäß § 890 Abs. 1 ZPO besteht […]. Fehlt es jedoch an derartigen Gestaltungen und sind auch sonst keine deutlichen Anhaltspunkte für einen entsprechenden Willen der Parteien ersichtlich, ist ein Prozessvergleich mit Vertragsstrafeversprechen nicht im Sinne einer vollstreckungshindernden Vereinbarung auszulegen […]

4. a) Die Androhung gemäß § 890 Abs. 2 ZPO setzt weder eine bereits erfolgte Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht noch sonst ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis voraus […]. Nichts anderes gilt, wenn sich der Schuldner – wie im Streitfall – in einem Prozessvergleich vertragsstrafebewehrt zur Unterlassung verpflichtet hat […]

b) Da die Zulässigkeit des Antrags auf Androhung von Ordnungsmitteln gemäß § 890 Abs. 2 ZPO mithin keine bereits erfolgte Zuwiderhandlung voraussetzt, kommt es nicht auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage an, ob die Schuldnerin das als Anlage Ast 4 zu den Akten gereichte Dokument an einen potentiellen Kunden übergeben und dadurch gegen die titulierte Unterlassungspflicht verstoßen hat."

Die Entscheidung war übrigens auch bei Thomas Stadler/Internet-Law schon Thema.

Anmerkung/Besprechung, BGH, Beschluss vom 03.04.2014 – I ZB 3/12. Foto: © H.D.Volz / www.pixelio.de