BGH: Wenn Vergleich zu den Kosten der Nebenintervention schweigt - Pech gehabt

Tobias Helferich wikimedia cc-by-sa 3.0Als Prozessbevollmächtigter eines Nebenintervenienten/einer Nebenintervenientin sollte man unbedingt darauf achten, dass in einen Vergleich auch eine Regelung über die Kosten der Nebenintervention aufgenommen wird.

Nach einem aktuellen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 04.02.2016 – IX ZB 28/15 geht der Nebenintervenient bzw. dessen Prozessbevollmächtigter anderenfalls nämlich leer aus.

Sachverhalt

Der Kläger machte gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche geltend; die Nebenintervenientin war dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten. Die Parteien schlossen dann einen Vergleich, nach dem sich die Beklagten verpflichteten, an den Kläger 60.000 EUR zu zahlen, wobei die Nebenintervenientin davon 57.500 EUR übernehmen sollte. Die Kosten des Rechtsstreits sollten der Kläger zu 4/5 und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 1/5 tragen. Die Nebenintervenientin stimmte dem Vergleich ausdrücklich zu.

Später beantragte die Nebenintervenientin dann, eine Kostenentscheidung dahingehend zu erlassen, dass der Kläger auch 4/5 der Kosten der Nebenintervention zu erstatten habe. Das Landgericht erließ eine entsprechende Kostengrundentscheidung, das OLG wie die sofortige Beschwerde des Klägers gegen die Entscheidung unter Hinweis auf § 101 ZPO zurück.

Wer ein rechtliches Interesse am Ausgang eines zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreits hat, kann diesem Rechtsstreit gem. § 66 ZPO als Nebenintervenient beitreten. Als Nebenintervenient kann er gem. § 67 ZPO selbst Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und Prozesshandlungen vornehmen, soweit diese nicht im Widerspruch zu Handlung und Erklärungen der unterstützten Partei stehen. Gem. § 68 ZPO ist der Nebenintervenient allerdings im dort genannte Umfang an das Ergebnis des Rechtsstreits gebunden.

Wer die Kosten der Nebenintervention trägt, richtet sich nach § 101 ZPO: Gewinnt die unterstützte Partei, sind die Kosten der Nebenintervention dem Gegner aufzuerlegen; verliert die unterstützte Partei, trägt der Nebenintervenient seine Kosten selbst.

Hier hatten aber nicht das Gericht über die Kosten entschieden, sondern die Parteien hatten einen Vergleich geschlossen. Nach dessen Inhalt sollte der Kläger 4/5 der Kosten des Rechtsstreits tragen. Bei einer entsprechenden Entscheidung des Gericht hätte der Kläger somit auch 4/5 der Kosten der Nebenintervention zu tragen gehabt.

Allerdings war eine entsprechende Regelung nicht in den Vergleich aufgenommen worden. Deshalb hatten die Vorinstanzen auf Antrag der Nebenintervenientin dem Kläger 4/5 der Kosten der Nebenintervention auferlegt.

Entscheidung
Mit der Rechtsbeschwerde schließlich hatte der Kläger Erfolg:

„Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO zulässig. Sie ist auch begründet. Der Streithelferin der Beklagten steht kein prozessualer Kostenerstattungsanspruch zu.

a) Gemäß § 101 Abs. 1 ZPO sind die Kosten der unselbständigen (nicht streitgenössischen) Nebenintervention dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit dieser nach den §§ 91 bis 98 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Beenden die Parteien den Rechtsstreit durch Vergleich, an dem der Nebenintervenient nicht teilnimmt, richtet sich der Kostenerstattungsanspruch des Nebenintervenienten daher nach der im Vergleich geregelten Kostentragungspflicht zwischen den Parteien […].

Diese Regelung ist jedoch insoweit dispositiv, als der Nebenintervenient mit den Parteien im Rahmen eines Vergleichs abweichende Regelungen treffen kann. Dies setzt voraus, dass der Nebenintervenient sich am Vergleich beteiligt, indem er dem Abschluss des Vergleichs zustimmt […]. Ob und inwieweit in einem mit Zustimmung des Nebenintervenienten abgeschlossenen Vergleich auch die Erstattungspflicht hinsichtlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten geregelt ist, ist Auslegungsfrage.

Soweit ein solcher Vergleich eine Regelung zu den Kosten enthält, ist anhand dieser Regelung zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Nebenintervenient einen Anspruch auf Erstattung seiner Kosten hat. Haben die Parteien mit Zustimmung des Nebenintervenienten ausdrücklich geregelt, wer die Kosten des Nebenintervenienten zu tragen hat, hat der Nebenintervenient einen entsprechenden Erstattungsanspruch.

Fehlt es an einer ausdrücklichen Bestimmung über die Kosten der Nebenintervention, ist damit eine prozessuale Kostenerstattung nicht stets ausgeschlossen. Sie scheidet allerdings aus, wenn dem mit Zustimmung des Nebenintervenienten geschlossenen Vergleich keine Bestimmung zu entnehmen ist, dass eine der Parteien die durch die Nebenintervention verursachten Kosten zu tragen hat […]. Dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 98 ZPO […]. Ein Nebenintervenient, der einem Vergleich zustimmt, der keine Kostenerstattung zu seinen Gunsten regelt, muss hinnehmen, so gestellt zu werden wie eine Partei, die einen Vergleich abschließt, ohne eine von § 98 ZPO abweichende Vereinbarung über die Kostenerstattung zu treffen. Angesichts der Möglichkeit für einen Nebenintervenienten, seine Zustimmung zum Vergleich von einer Regelung der Kostenerstattung abhängig zu machen, ist seine Lage der von § 98 ZPO geregelten Situation vergleichbar.

Eine Bestimmung, wonach dem Nebenintervenienten seine Kosten zu erstatten sind, kann sich aber auch aus dem Kontext der Kostenregelung des mit seiner Zustimmung geschlossenen Vergleichs ergeben. Nennt ein solcher Vergleich nur die Kosten des Rechtsstreits (gegebenenfalls einschließlich der Kosten des Vergleichs), ohne die Kosten der Nebenintervention oder den Nebenintervenienten zu erwähnen, ist entscheidend, ob die Parteien damit nur die Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 ZPO meinten oder diese Bezeichnung auch die Kosten der Nebenintervention einschließen sollte […]. Sofern eine solche Bestimmung die Kosten des Rechtsstreits ausdrücklich lediglich zwischen den Parteien des Rechtsstreits verteilt, schließt sie regelmäßig zugleich einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch des Nebenintervenienten aus.

Anders ist dies nur, wenn festgestellt werden kann, dass Parteien und Nebenintervenient mit der Verteilung der Kosten des Rechtsstreits auch eine Kostenerstattung zugunsten des Nebenintervenienten regeln wollten. Hierfür bedarf es aber konkreter Anhaltspunkte. Dies kommt etwa in Betracht, wenn sich die unterstützte Hauptpartei mit einer solchen Kostenregelung im Vergleich abweichend von der gesetzlichen Regel verpflichten wollte, Kosten des Nebenintervenienten zu tragen. Gleiches gilt, wenn Parteien und Nebenintervenient bei der nur die Kosten des Rechtsstreits verteilenden Vergleichsbestimmung zugleich – stillschweigend – vereinbarten, dass damit auch die Regel des § 101 ZPO Vergleichsinhalt sein sollte.

b) Nach diesen Maßstäben hält die Entscheidung des Beschwerdegerichts rechtlicher Überprüfung nicht stand. [...]

Der Vergleich regelt nur, wie die Kosten des Rechtsstreits zwischen den Parteien zu verteilen sind, ohne die Kosten der Nebenintervention oder die Nebenintervenientin zu erwähnen. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Parteien des Vergleichs mit dieser Regelung auch vereinbart haben, Kosten der Nebenintervenientin zu tragen. Umstände, die eine stillschweigende Vereinbarung nahelegen, gibt es nicht. Hierbei ist unerheblich, ob die Parteien des Vergleichs dies bewusst unterlassen haben oder ob eine solche Regelung nur vergessen worden ist. Entscheidend ist, dass die Nebenintervenientin am Abschluss des Vergleichs beteiligt worden ist und dem vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich ausdrücklich zugestimmt hat, ohne eine für sie günstige Kostenregelung anzustreben.“

Anmerkung

Grundlage für die Kostengrundentscheidung des Landgerichts ist eine entsprechende Anwendung von §§ 91a, 269 Abs. 4 ZPO. Insbesondere wenn der Nebenintervenient nicht am Vergleich beteiligt wird, kann das Gericht so die erforderliche Kostengrundentscheidung herbeiführen (s. nur MünchKommZPO/Schulz, 4. Aufl. 2013, § 101 Rn. 33; Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 101 Rn. 9 f.).

Nimmt der Nebenintervenient hingegen – wie hier – am Vergleich teil, nimmt die ganz herrschende Ansicht einen konkludenten Verzicht des Nebenintervenienten an (s. nur OLG Köln, Beschluss vom 06.03.2009 – 17 W 39/09; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 12 Aufl. 2015, § 101 Rn. 6; MünchKommZPO/Schulz, 4. Aufl. 2013, § 101 Rn. 28; Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 101 Rn. 7; a.A. aber OLG Koblenz, Beschluss vom 16.02.2016 – 14 W 98/06). Dass das wirklich interessengerecht ist, darf man m.E. aber bezweifeln. Bei verständiger – und lebensnaher – Auslegung wird es vielfach näher liegen, davon auszugehen, dass der Kostenerstattungsanspruch des Nebenintervenienten schlicht vergessen wurde. Einen vom gesetzlichen Leitbild des § 101 ZPO abweichenden Willen sollte man m.E.. nur dann unsterstellen, wenn sich gerade für einen solchen Willen konkrete Anhaltpunkte ergeben.

tl;dr: Wird in einen Vergleich, dem der Nebenintervenient ausdrücklich zugestimmt hat, keine Bestimmung über die Kosten der Nebenintervention aufgenommen, schließt dies regelmäßig einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch des Nebenintervenienten aus.

Anmerkung/Besprechung, BGH, Beschluss vom 04.02.2016 – IX ZB 28/15. Foto: Tobias Helferich | wikimedia.org | CC BY-SA 3.0