Entscheidung
Der BGH ist der Ansicht, der Beklagte müsse die Feststellung aus dem selbständigen Beweisverfahren, das er den Mangel zu verantworten habe, entsprechend § 74 Abs. 3 i.V.m. § 68 ZPO gegen sich gelten lassen.
Auch ohne Beitritt des Beklagten treffe diesen die Interventionswirkung des § 74 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 68 ZPO, denn die Streitverkündung sei zulässig gewesen. Insbesondere sei die Streitverkündung über den Wortlaut des § 72 Abs. 1 ZPO hinaus auch zulässig, wenn die Ansprüche gegen den Antragsgegner und den Streitverkündeten in einem tatsächlichen oder rechtlichen Alternativverhältnis stünden. Das brauche sogar noch nicht einmal von vornherein sicher festzustehen; ausreichend sei, dass der Sachverhalt – wie hier – eine alternative Schuldnerschaft nahe lege.
Zur Reichweite der Bindungswirkung führt der BGH aus:
„aa) Die Bindungswirkung einer in einem Rechtsstreit erfolgten Streitverkündung kommt nicht nur dem Entscheidungsausspruch, sondern auch den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen zu, auf denen das Urteil im Vorprozess beruht. Sie greift dagegen nicht für Feststellungen des Erstgerichts, auf denen sein Urteil nicht beruht (sog. überschießende Feststellungen).
Dafür kommt es nicht auf eine subjektive Sichtweise des Gerichts, sondern darauf an, worauf die Entscheidung des Erstprozesses objektiv nach zutreffender Rechtsauffassung beruht. Jedoch muss der Empfänger einer Streitverkündung auch damit rechnen, dass sich das Erstgericht für einen Begründungsansatz entscheidet, den er nicht für richtig hält. Dieser Begründungsansatz gibt den Rahmen vor. Eine in diesem Rahmen objektiv notwendige Feststellung wird nicht deshalb überschießend, weil sie sich bei der Wahl eines anderen rechtlichen Ansatzes erübrigt hätte […].
bb) Bei der entsprechenden Anwendung auf ein selbständiges Beweisverfahren bedeutet dies, dass dessen Beweisergebnis Bindungswirkung gegenüber dem Streitverkündeten nach § 68 ZPO entfaltet, wenn es im Verhältnis zum Antragsgegner von rechtlicher Relevanz ist. Das ist auch dann der Fall, wenn die vom Sachverständigen durchgeführte Begutachtung zugleich zu Erkenntnissen darüber führt, ob ein Dritter die Ursache des Mangels oder des Schadens gesetzt hat.
Dagegen besteht keine rechtliche Relevanz im Verhältnis zum Antragsgegner, soweit das Beweisergebnis nicht geeignet ist, zur Klärung der Frage beizutragen, ob der Antragsgegner den streitgegenständlichen Mangel oder Schaden verursacht hat.“ [Hervorhebungen durch Bearb.]
Hier hatte der Sachverständige ausdrücklich festgestellt, dass nicht der Antragsgegner (die K-GmbH) sondern der Streitverkündete und spätere Beklagte für den Schaden verantwortlich war. Dieses Ergebnis war dem Antragsgegner gegenüber relevant (denn es entlastete ihn) und entfaltete daher auch gegenüber dem Streitverkündeten Bindungswirkung.
Anmerkung
Will der Antragsteller den Streitverkündeten aufgrund des Ergebnisses selbständigen Beweisverfahrens in Anspruch nehmen, hat die Bindungswirkung allerdings noch eine zweite Voraussetzung, die der BGH leider nur am Rande thematisiert. Denn dann muss das Ergebnis nicht nur dem Antragsgegner gegenüber relevant sein, sondern es muss gleichzeitig auch die Verantwortlichkeit des Streitverkündeten positiv festgestellt werden. Die Streitverkündung darf nämlich nicht dazu führen, dass aufgrund der Unaufklärbarkeit im Verhältnis zu einem der möglichen Anspruchsgegner im Wege einer Bindungswirkung plötzlich der andere haftet, ohne dass dessen Verantwortlichkeit positiv festgestellt wäre.
tl;dr: Die Bindungswirkung des § 68 ZPO bei alternativer Haftung umfasst im selbständigen Beweisverfahren ein Beweisergebnis, das im Verhältnis zum Antragsgegner von rechtlicher Relevanz ist.
Anmerkung/Besprechung, BGH, Urteil v. 18.12.2014 - VII ZR 102/14. Foto:
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