Wann ist „demnächst“ i.S.v. § 167 ZPO bei der Einzahlung eines Kostenvorschusses?

Wird eine Klage innerhalb einer zu wahrenden Klage- oder Verjährungsfrist anhängig gemacht aber erst nach Ablauf dieser Frist zugestellt, stellt sich stets die Frage, ob die Zustellung noch „demnächst“ i.S.d. § 167 ZPO erfolgt ist und deshalb fristgemäß war. Wie viel Eile insoweit bei der Einzahlung eines Kostenvorschusses geboten ist, hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 29.09.2017 – V ZR 103/16 entschieden.Sachverhalt Die Kläger hatten Anfechtungsklage gegen mehrere Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft erhoben, deren Mitglied sie waren. Die Beschlüsse wurden am 26.02.2015 gefasst. Danach ergab sich folgender zeitlicher Ablauf:
  • 11.03.2015 Eingang der Klage beim zuständigen Amtsgericht
  • 24.03.2015 Zugang der Gerichtskostenvorschussrechnung bei der Prozessbevollmächtigten der Kläger
  • 23.04.2015: Eingang des Vorschusses bei der Justizkasse
  • 29.04.2015: Zustellung der Klage.
Amtsgericht und Landgericht hatten die Klage abgewiesen, weil die Klagefrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG nicht gewahrt sei und dazu ausgeführt: Selbst wenn man die Tage vor dem 26.03.2015 ebenso wie das Wochenende 28./29.03. unberücksichtigt lasse, bleibe immer noch eine Bearbeitungszeit von 28 Tagen, die eine erhebliche Verzögerung darstelle. Der Partei sei es angesichts kurzer Banklaufzeiten möglich gewesen, den Vorschuss binnen einer Woche nach Zugang der Gerichtskostenrechnung einzuzahlen.

Die Klage war hier zwar innerhalb der Frist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG bei Gericht eingegangen (und damit anhängig geworden), aber erst lange nach dem 26.03.2015 zugestellt worden (und damit rechtshängig geworden). Die Klagefrist war damit grundsätzlich nicht gewahrt. Die Zustellung nach Ablauf der Frist wäre aber nicht schädlich gewesen, wenn sie  gem. § 167 ZPO „demnächst“ erfolgt wäre. § 167 ZPO trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass die klagende Partei nur begrenzten Einfluss darauf hat, wann die Zustellung erfolgt. „Demnächst“ i.S.v. § 167 ZPO erfolgt eine Zustellung deshalb – vereinfacht – dann, wenn die klagende Partei keine erhebliche Verzögerung der Zustellung verursacht hat; Verzögerungen, die ihre Ursache in der Sphäre des Gerichts haben, sind grundsätzlich irrelevant. Hier lag zwischen Eingang der Kostenrechnung bei der Anwältin der Kläger und dem Eingang des Vorschusses bei Gericht jedoch fast ein Monat, weshalb die Vorinstanzen der Ansicht waren, die Zustellung sei nicht mehr „demnächst“ erfolgt.
Entscheidung
Nach Ansicht des V. Zivilsenats war die Klagefrist allerdings gewahrt, weil die Klage „demnächst“ zugestellt worden sei.

„1. Im Ausgangspunkt rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht (...) an, dass das Merkmal „demnächst“ (§ 167 ZPO) nur erfüllt ist, wenn sich die der Partei zuzurechnenden Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Dabei wird eine Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen regelmäßig hingenommen, um eine Überforderung des Klägers sicher auszuschließen (…). Dies gilt für sämtliche Fallgruppen, so dass auch für die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses (§ 12 Abs. 1 GKG) bei der Berechnung der noch hinnehmbaren Verzögerung von 14 Tagen nicht auf die Zeitspanne zwischen der Aufforderung zur Einzahlung der Gerichtskosten und deren Eingang bei der Gerichtskasse, sondern darauf abgestellt wird, um wie viele Tage sich der ohnehin erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert hat (…).

2. Zutreffend lässt das Berufungsgericht für die Frage, ob die Zustellung demnächst erwirkt worden ist, den Zeitraum von der Einreichung der Klage bis zum Ablauf der Klageerhebungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG am 26. März 2015 unberücksichtigt. Wenn eine Klage – wie hier – bereits vor Ablauf einer durch Zustellung zu wahrenden Frist eingereicht worden ist, die Zustellung der Klage aber erst nach Ablauf der Frist erfolgt ist, sind bis zum Fristablauf eingetretene Versäumnisse nicht in den Zeitraum der hinnehmbaren Verzögerung von 14 Tagen miteinzurechnen (…).

3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt jedoch eine den Klägern vorwerfbare Verzögerung von mehr als 14 Tagen nicht vor.

a) Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass es den Klägern eine Woche zur Erledigung der Zahlung zugebilligt hat. (...)

Die Auffassung des II. Zivilsenats, ihr sei dafür eine Erledigungsfrist von bis zu drei Werktage zuzugestehen (Urteil vom 25. Oktober 2016 - II ZR 230/15 …), teilt der Senat nicht. Die Partei muss nicht zwingend an demselben Tag tätig werden, an dem bei ihr die Anforderung eingeht. Bei der Bemessung der Frist, innerhalb der die Zahlung zu erfolgen hat, ist zudem nicht nur auf den für die Überweisung durch die Bank erforderlichen Zeitraum (§ 675s Abs. 1 Satz 1 u. 3 BGB) abzustellen. Es ist vielmehr auch die Zeitspanne zu berücksichtigen, die die Partei im Normalfall benötigt, um für eine ausreichende Deckung des Kontos zu sorgen und die Überweisung zu veranlassen.

Der Partei ist deshalb in der Regel eine Erledigungsfrist von einer Woche zur Einzahlung des angeforderten Gerichtskostenvorschusses zuzugestehen. Die Frist kann sich nach Umständen des Einzelfalls angemessen verlängern, etwa wenn - wie hier - der Kostenvorschuss eine beträchtliche Höhe hat (…) bzw. es mehrere Kostenschuldner gibt und eine interne Abstimmung über die Zahlung erforderlich ist. Danach beträgt sie hier für die Kläger jedenfalls eine Woche.

Anlass für eineVorlage an den Großen Senat für Zivilsachen gemäß § 132 GVG besteht nicht, weil die Annahme des II. Zivilsenat in dem Urteil vom 25. Oktober 2016 (…), die Erledigungsfrist zur Einzahlung des Kostenvorschusses betrage bis zu drei Werktage, nicht entscheidungserheblich war. Bei fehlender Entscheidungserheblichkeit ist eine Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen nicht zulässig (…).

b) Rechtsfehlerhaft rechnet das Berufungsgericht aber die für die Kenntnisnahme, Bearbeitung und Weiterleitung der Gerichtskostenvorschussrechnung durch die Prozessbevollmächtigte erforderliche Zeit den Klägern als vorwerfbare Verzögerung zu.

aa) Die Zusendung der Gerichtskostenvorschussrechnung an die Prozessbevollmächtigte der Kläger war, wie das Berufungsgericht insoweit zutreffend erkennt, verfahrensfehlerfrei. Das ergibt sich aus der Vorschrift des § 26 Abs. 6 KostVfg Hessen vom 16. April 2014 (…). Danach soll, sofern der Zahlungspflichtige u.a. von einem Prozessbevollmächtigten vertreten wird, die Kostenanforderung grundsätzlich diesem zur Vermittlung der Zahlung zugesandt werden.

bb) Auch wenn die Gerichtskostenvorschussrechnung dem Anwalt verfahrensfehlerfrei zur Vermittlung der Zahlung zugesandt wurde, ist der für die Prüfung der Kostenanforderung und deren Weiterleitung an die Partei erforderliche Zeitaufwand dieser nicht als Zustellungsverzögerung anzulasten.

Der Prozessbevollmächtigte, dem die Gerichtskostenvorschussrechnung zugesandt wird, (…) muss die Kostenanforderung entgegennehmen, prüfen und an die Partei zur Unterrichtung weiterleiten. Der dafür erforderliche Zeitraum ist im Allgemeinen mit drei Werktagen zu veranschlagen (…). Er führt nicht zu einer der Partei zuzurechnenden Verzögerung, sondern zählt zum normalen Ablauf.

c) Danach überschreitet die den Klägern zuzurechnende Zustellungsverzögerung den Zeitraum von 14 Tagen nicht. Der mit drei Tagen zu veranschlagende Zeitraum für die Prüfung und Weiterleitung der Gerichtskostenvorschussrechnung durch den Prozessbevollmächtigten begann wegen der am 26. März 2015 abgelaufenen Klageerhebungsfrist am 27. März 2015 (Freitag) und endete am 31. März 2015 (Dienstag). Danach wäre eine Einzahlung bzw. Überweisung spätestens am 7. April 2015 zu erwarten gewesen.

Es ist aber in Rechnung zu stellen, dass von einer auf die Wahrung ihrer prozessualen Obliegenheiten bedachten Partei nicht verlangt werden kann, an Feiertagen für die Einzahlung des Kostenvorschusses Sorge zu tragen (…). Daher sind, was das Berufungsgericht übersehen hat, die Osterfeiertage vom 3. April 2015 (Karfreitag) und vom 6. April 2015 (Ostermontag) bei der Ermittlung des für die Einzahlung des Vorschusses ohnehin erforderlichen Zeitraums herauszurechnen. Danach war die Einzahlung bzw. Überweisung frühestens am 9. April 2015 zu erwarten. Tatsächlich haben die Kläger den Kostenvorschusses am 23. April 2015 und damit noch innerhalb von 14 Tagen nach diesem Zeitpunkt gezahlt.“

Anmerkung
Es bleibt damit zunächst dabei, dass die der Partei anzulastende Zustellungsverzögerung grundsätzlich bis zu 14 Tage betragen darf, um eine Überforderung der klagenden Partei auszuschließen. Wichtig ist aber, welche Zeiträume bei der Berechnung dieser 14 Tage nicht zu berücksichtigen sind, weil diese zum „normalen Ablauf“ gehören. Dies sind nach Ansicht des V. Zivilsenats
  1. der Zeitraum bis zum Ablauf der zu wahrenden Frist (das wird häufig übersehen, s. z.B. hier),
  2. für die Prüfung und Weiterleitung der Anforderung drei Tage, wenn der Kostenvorschuss zu Recht vom Prozessbevollmächtigten angefordert wird,
  3. Feiertage zwischen Ablauf der zu wahrenden Frist und Einzahlung des Vorschusses
  4. und mindestens eine Woche, um die Überweisung zu veranlassen.
Bei der Frist zur Veranlassung der Überweisung sollte aber berücksichtigt werden, dass der II. Zivilsenat dies – wenn auch in einem obiter dictum – in der vom V. Zivilsenat zitierten Entscheidung anders beurteilt und nur drei Tage gewährt hat. Die Entscheidung zeigt im Übrigen sehr anschaulich ein erhebliches praktisches Defizit des deutschen Zivilprozessrechts. Denn es fehlt an einer Möglichkeit, über einzelne Verteidigungsmittel (insbesondere die Einrede der Verjährung) durch Teil- bzw. Zwischenurteil zu entscheiden (s. dazu ausführlich Voit, NJW 2017, 203). tl;dr: Einer Partei sind in der Regel eine Erledigungsfrist von einer Woche zur Einzahlung des angeforderten Gerichtskostenvorschusses sowie ein Zeitraum von drei Tagen für die Prüfung und Weiterleitung der zu Recht dem Anwalt zugesandten Vorschussrechnung zuzugestehen. Anmerkung/Besprechung, BGH, Urteil vom 29.09.2017 – V ZR 103/16 Foto: ComQuat | BGH - Palais 1 | CC BY-SA 3.0