Ein Dauerbrenner: Zulässigkeit einer Schadensfeststellungsklage

Wann eine klagende Partei anstelle eines bezifferten Leistungsantrages einen – teilweise – unbezifferten Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der beklagten Partei stellen kann, sorgt nicht selten in der Praxis für erhebliche Unsicherheit. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 27.04.2016 – 4 Sa 384/15 bringt insoweit zwar nichts Neues, fasst aber die in der obergerichtlichen Rechtsprechung geltenden Grundsätze sehr lesenswert zusammen.
Sachverhalt
Die Klägerin war seit dem 01.11.2013 bei der beklagten GbR als HNO-Fachärztin beschäftigt. Vereinbart war eine Probezeit von sechs Monaten sowie eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende. Die Klägerin beabsichtigte, eine Zusatzqualifikation im Bereich plastische Chirurgie zu erwerben. Dazu beantragte einer der Gesellschafter der Beklagten Anfang 2014 bei der kassenärztlichen Vereinigung, die Klägerin im Bereich „plastische Operationen“ weiterbilden zu dürfen. Mit Bescheid vom 15.04.2014 lehnt die kassenärztliche Vereinigung diesen Antrag ab. Wann diese Ablehnung der Klägerin mitgeteilt wurde, ist streitig. Mit Schreiben vom 26.06.2014 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.09.2014. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin unter anderem die Feststellung, die Beklagte sei verpflichtet, ihr jeden materiellen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden sei, dass sie - wie sie behauptet - erst im Juni von der Ablehnung durch die kassenärztliche Vereinigung erfahren habe. Sie habe aufgrund der verspäteten Information das Arbeitsverhältnis nicht innerhalb der Probezeit mit einer Frist von zwei Wochen, sondern erst zum 30.09.2014 beenden können. Die Zusatzqualifikation könne sie nun erst drei Monate später erwerben, die Beklagte sei deshalb verpflichtet, ihr die Einkommensdifferenz zu erstatten, die sich aus dieser Verspätung ergebe. Das Feststellungsinteresse ergebe sich aus der drohenden Verjährung, eine Bezifferung des ihr entstehenden Schadens sei ihr erst möglich, wenn sie die Weiterbildung beendet habe.

Die Klägerin hatte hier Klage gegen ihre ehemalige Arbeitgeberin erhoben, konnte aber keinen Antrag auf Zahlung eines bestimmten Geldbetrages stellen, da noch nicht klar war, wie hoch ein Schaden ggf. sein würde. Deshalb hatte sie die Feststellung beantragt, dass die Beklagte ihr einen noch entstehenden Schaden ersetzen müsse. Das hätte für die Klägerin den Vorteil gehabt, dass ihr Anspruch dem Grund nach festgestellt ist und sie diesen theoretisch binnen 30 Jahren (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB) beziffern kann. Bei der behaupteten Schadensersatzpflicht der Beklagten handelte es sich auch um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO. Fraglich war allein, ob die Klägerin auch das erforderliche Interesse an der Feststellung hatte.
Entscheidung
Das LAG hat die Klage als unzulässig abgewiesen:

„Dem Feststellungsantrag fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

1. Ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO kann wegen eines erst künftig aus einem Rechtsverhältnis erwachsenden Schadens angenommen werden, wenn nach der Lebenserfahrung und im gewöhnlichen Verlauf der Dinge der Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich ist. Insbesondere wenn ein absolut geschütztes Rechtsgut bereits verletzt oder dem Kläger sogar ein Teilschaden schon entstanden ist, genügt es, wenn die spätere Verwirklichung eines weiteren Schadens in absehbarer Zeit nach der Art der Verletzung möglich erscheint und nicht gerade fernliegt.

Die – summarisch zu prüfende – Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gehört unter diesen Voraussetzungen zur Begründetheit der Klage.

2. Anders verhält es sich hingegen bei einer Norm zum Schutz des Vermögens im Allgemeinen, falls zuvor eine rechtswidrige Handlung in zu vertretender Weise abgeschlossen, aber noch ungewiss ist, ob sie überhaupt einen Schaden auslösen wird. Hier gebietet es der Schutz des Beklagten, dass die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt irgendeines Schadens wenigstens substantiiert dargetan wird, ehe eine Feststellungsklage anhängig gemacht werden darf […].

Bei reinen Vermögensschäden, die – wie vorliegend – Gegenstand der Klage sind, hängt daher bereits die Zulässigkeit der Feststellungsklage von der Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts ab […]."

Und für die Wahrscheinlichkeiten eines Schadenseintritts habe die Klägerin keine hinreichenden Beurteilungsgrundlagen vorgetragen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin bei einer früheren Kündigung schon vor dem 30.09.2014 eine Weiterbildung hätte beginnen können. Und die Klägerin hätte sich um eine schnellstmögliche einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bemühen können; dass die Beklagten dem nicht entsprochen hätten, sei nicht ersichtlich.
Anmerkung
Diese Differenzierung zwischen der Verletzung absoluter Rechtsgüter und bloßen Vermögensschäden wird nicht selten übersehen (auch und gerade übrigens in der Ausbildungsliteratur!), vom Bundesgerichtshof aber in schöner Regelmäßigkeit wiederholt (s. nur Urteil vom 02.12.1999 - IX ZR 415/98 aE und Urteil v. 24.01.2006 - XI ZR 384/03). Eine drohende Verjährung indiziert übrigens zwar stets das Feststellungsinteresse, ist dafür aber nicht in jedem Fall erforderlich (s. dazu ausführlich hier). Anmerkung/Besprechung, LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.04.2016 – 4 Sa 384/15. Foto: Stefan Frerichs | wikimedia.org | CC BY-SA 2.0