Entscheidung durch Beschluss oder Urteil - das ist hier die Frage!
- Ist die Sache in besonderem Maße eilbedürftig, erlässt das Gericht die begehrte einstweilige Verfügung ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners, und zwar durch Beschluss, § 937 Abs. 2 ZPO.
- Ohne (ganz) besondere Eilbedürftigkeit i.S.d. § 937 Abs. 2 ZPO bestimmt das Gericht kurzfristig einen Termin zur mündlichen Verhandlung und lädt die Parteien. Kommt in dem Termin zur mündlichen Verhandlung keine Einigung zustande, entscheidet das Gericht durch (normales) Urteil, §§ 936 i.V.m. 922 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Entscheidung
Das Oberlandesgericht hat das Vorgehen des Landgerichts, trotz der mündlichen Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, für richtig gehalten:„a) Das Landgericht war berechtigt, nach Einlegung der sofortigen Beschwerde im Abhilfeverfahren mündlich zu verhandeln. Die Befugnis des Ausgangsgerichts, nach einer sofortigen Beschwerde mündlich zu verhandeln, ergibt sich aus § 128 Abs. 4 ZPO.
Bestimmte Entscheidungen (Urteile und andere Entscheidungen, in denen nach der Zivilprozessordnung eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist) können nur nach mündlicher Verhandlung ergehen. Für alle anderen Entscheidungen eines Gerichts gilt hingegen der Grundsatz der fakultativen mündlichen Verhandlung. Das heißt, dass eine mündliche Verhandlung vor jeder anderen Entscheidung des Gerichts nach der Zivilprozessordnung möglich, jedoch nicht vorgeschrieben ist. Mithin ist es zulässig, rechtliches Gehör beispielsweise auch bei Nebenentscheidungen, wie Kostenentscheidungen oder Berichtigungs-beschlüssen oder auch vor einer Abhilfeentscheidung in einem beliebigen Beschwerdeverfahren durch Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zu gewähren.
Der Umstand, dass über die Abhilfe nach einer sofortigen Beschwerde in der Regel ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, ändert an der sich aus § 128 Abs. 4 ZPO ergebenden Befugnis nichts. (…). Die Frage, ob das Ausgangsgericht nach einer sofortigen Beschwerde vor der Abhilfeentscheidung eine mündliche Verhandlung durchführt, richtet sich nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten. Im vorliegenden Fall gab es für das Landgericht nachvollziehbare Erwägungen, mündlich zu verhandeln, um den Sachverhalt aufzuklären und um die Möglichkeit einer vergleichsweisen Lösung zu erörtern.
b) Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Abhilfeverfahren ändert nichts daran, dass das Landgericht durch Beschluss und nicht etwa durch Urteil zu entscheiden hatte. Die Form der Entscheidung des Landgerichts ergibt sich aus § 572 Abs. 1 ZPO. Bei einer sofortigen Beschwerde hat das Ausgangsgericht über die Frage der Abhilfe durch Beschluss zu entscheiden (…). Der Umstand, dass das Landgericht im Abhilfeverfahren von der Möglichkeit einer mündlichen Verhandlung gemäß § 128 Abs. 4 ZPO Gebrauch gemacht hat, ändert am Gang des Abhilfeverfahrens und an der gebotenen Form der Entscheidung durch Beschluss nichts (…).
Die Gegenauffassung, die in derartigen Fällen eine Entscheidung des Ausgangsgerichts durch Urteil für erforderlich hält (…) übersieht, dass die Durchführung der mündlichen Verhandlung im Abhilfeverfahren auch nach einer einstweiligen Verfügung auf § 128 Abs. 4 ZPO beruht, und nicht etwa auf den speziellen Vorschriften für den Arrest bzw. für die einstweilige Verfügung. § 922 Abs. 1 Satz 1 ZPO (Entscheidung nach einer mündlichen Verhandlung durch Endurteil) findet keine Anwendung; denn das Landgericht hat über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung am 20.07.2017 ohne mündliche Verhandlung entschieden. Die weitere Entscheidung vom 13.09.2017 war keine Entscheidung über „das Gesuch“ im Sinne von § 922 Abs. 1 Satz 1 ZPO, sondern eine Entscheidung im Beschwerde-Abhilfeverfahren.
Für eine über den Wortlaut von § 922 Abs. 1 Satz 1 ZPO hinausgehende Auslegung (Entscheidung durch Urteil auch nach einer mündlichen Verhandlung im Beschwerde-Abhilfeverfahren) besteht kein Anlass. Denn dies würde dem durch § 567 ff. ZPO vorgegebenen Charakter des Beschwerdeverfahrens widersprechen. Mit der Einlegung der sofortigen Beschwerde soll der Antragsteller gerade im Verfahren des Arrests und der einstweiligen Verfügung die Möglichkeit erhalten, eine möglichst schnelle Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung durch die höhere Instanz zu erreichen. Daher ist das Landgericht gemäß § 572 Abs. 1 ZPO in jedem Fall verpflichtet, die Beschwerde dem Oberlandesgericht vorzulegen, wenn es nicht selbst abhilft. Das Ausgangsgericht ist gemäß § 572 Abs. 1 ZPO nicht berechtigt, eine sofortige Beschwerde ohne Vorlage an das nächst höhere Gericht zurückzuweisen. Diesem Prinzip würde eine Entscheidung durch Urteil (nach mündlicher Verhandlung im Abhilfeverfahren) widersprechen.
Ob etwas anderes dann gelten kann, wenn im Verfahren der einstweiligen Verfügung mit einer Beschwerde erstmals neue Anträge gestellt werden (…) kann dahinstehen. Denn der Antragsteller verfolgt im Beschwerdeverfahren dasselbe Ziel wie mit seinem ursprünglichen Antrag (…).“