- Die Betreiber sozialer Netzwerke werden verpflichtet, ein internes Schlichtungsverfahren einzuführen (vgl. BGH, Versäumnisurt. v. 25.10.2011 − VI ZR 93/10). Damit kann ein Mitglied (oder u.U. auch ein Dritter) auf einem Formular einen Beitrag melden. Die Meldung wird dem Verfasser zugleietet mit der Information, dass der Meldende nach Ablauf einer Frist eine gerichtliche „Löschverfügung“ beantragen kann und er auch dazu Stellung nehmen kann.
- Löscht der Verfasser den Beitrag nicht, kann der Meldende nach Ablauf der Frist auf einem Online-Formular des Betreibers eine gerichtliche „Löschverfügung“ beantragen (wozu er selbstverständlich Klarnamen und ladungsfähige Anschrift angeben muss).
- Die Zuständigkeit für „Löschverfügungen“ wird landes- oder sogar bundesweit bei einem oder wenigen Amtsgerichten konzentriert.
- Der Antrag auf Erlass einer Löschverfügung wird dem Gericht mittels einer digitalen Schnittstelle zusammen mit dem Beitrag (und ggf. der Stellungnahme des Verfassers) vom Netzwerkbetreiber übermittelt.
- Das Gericht muss dann über den Antrag auf Erlass einer „Löschverfügung“ binnen einer weiteren bestimmten Frist entscheiden. Der Beschluss bedarf keiner Begründung, enthält aber eine Kostenentscheidung.
- Die Entscheidung des Gerichts wird dem Betreiber über dieselbe Schnittstelle (oder über dessen im Rahmen des Gesetzgebungsvorhabens vorgesehene und längst überfällige empfangsberechtigte Person im Inland) übermittelt. Der Betreiber muss das Posting dann binnen (sehr) kurzer Frist löschen, sonst drohen Bußgelder.
- Auch den Beteiligten wird der Beschluss übermittelt, und zwar über das Netzwerk.
- Dem unterlegenen Beteiligten steht das (befristete) Recht zu, dagegen ein dem Antrag auf mündliche Verhandlung (§ 54 Abs. 2 FamFG) nachgebildetes Rechtsmittel einzulegen (wozu er selbstverständlich ebenso Klarnamen und ladungsfähige Anschrift angeben muss).
- Das Gericht hat dann gem. § 216 ZPO zu terminieren und das Verfahren wird nach den Vorschriften des einstweiligen Rechtsschutzes in der ZPO fortgesetzt - mit den Konsequenzen der §§ 331 ff. ZPO, wenn die Person des Verfassers unbekannt bleibt.
- Auch das Urteil wird ggf. dem Betreiber mitgeteilt und dieser dazu verpflichtet, den Beitrag zu löschen.
Hate-Speech und Facebook: Wir brauchen eine Online-ZPO!
Der von Bundesjustizminister Heiko Maas vorgelegte und gestern vom Kabinett verabschiedete Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz - NetzDG) ist Gegenstand teils heftiger Kritik von Juristen und Journalisten.
Die Kritik entzündet sich insbesondere daran, dass es künftig den Betreibern sozialer Netzwerke obliegen soll, darüber zu befinden, ob Beiträge rechtswidrig sind, und diese dann zu löschen (s. nur Liesching, Buermeyer, Stadler und Härting). Kommen die Betreiber dem nicht nach, drohen nach dem Entwurf empfindliche Bußgelder. Deshalb wird zu Recht befürchtet, dass es für die Betreiber künftig nahe liegen wird, im Zweifel Beiträge zu löschen, um Bußgelder zu vermeiden.
Das NetzDG wird es aufgrund dieses „chilling effects“ auf die Meinungsfreiheit vor dem Bundesverfassungsgericht wohl schwer haben, wie Prof. Dr. Liesching im beck-blog hervorragend herausgearbeitet hat. Denn dass tatsächlich in jedem Fall ohne Weiteres ersichtlich ist, wie die grundgesetzlich gebotene Abwägung zwischen Persönlichkeitsbeeinträchtigung und Meinungsfreiheit ausfallen muss, darf als ausgeschlossen gelten (dass das auch Instanzgerichten nicht immer leicht fällt, ist dieser bemerkenswerterweise auf den gestrigen Tag datierenden Pressemitteilung des BVerfG zu entnehmen).
Unabhängig davon stellt sich aber die naheliegende Frage, warum man ein „monströs bürokratisches Verfahren“ (Buermeyer) schafft, statt die vorhandenen rechtsstaatlichen Instrumente behutsam weiterzuentwickeln und anzupassen. Den berechtigten rechtsstaatlichen Bedenken lässt sich nur dadurch begegnen, dass die erforderliche Abwägung auch weiterhin in die Hände der Justiz gelegt wird (wie es beispielsweise auch Heribert Prantl in der SZ gefordert hat). Dafür scheinen die aktuellen Vorschriften über den einstweiligen Rechtsschutz in der ZPO allerdings nur bedingt geeignet.
Sinnvoll wäre es deshalb, das Verfahrensrecht so weiterzuentwickeln, dass es auch diesen Herausforderungen gewachsen ist. Das könnte vielleicht so aussehen: