Jura ist einfach, nur die Studierenden sind zu dumm – So einfach ist es nicht, Herr Fischer

Das Interview mit VRiBGH Prof. Dr. Thomas Fischer in der Zeit Campus 06/2014 unter der tollen Überschrift „Jura ist leicht“ (online hier) schlug auf Twitter so hohe Wellen, dass ich dem nicht einmal im Urlaub entgehen konnte. Und Fischers Äußerungen reizen sehr zu einer kurzen Replik.

Fischers Thesen lassen sich etwas pointiert wie folgt zusammenfassen: Das juristische Studium sei eigentlich ganz einfach, die meisten Studierenden nur ziemlich „unbegabt“. Es sei auch völlig falsch, dass diese zum Repetitorium gingen, Aufbauschemata lernten und – ganz schwach! – sich sogar auf ihr Examen vorbereiteten. Stattdessen sollten sie lieber mit Kommilitonen diskutieren. Außerdem wollten die Studierenden heute ja alle ohnehin nur BGH-Richter oder Großkanzleianwälte werden. Das sei aber beides gar nicht so erstrebenswert: Denn als BGH-Richter diniere man gar nicht mit wichtigen Ministern. Und als Großkanzleianwalt müsse man allzu viel des hart erarbeiteten Geldes für Haargel aufwenden.

Während der eine oder andere Leser jetzt vielleicht kurz den Kopf schüttelt, würde ich gerne klarzustellen, dass ich Fischers schnoddrig-arrogante Art in aller Regel äußerst erfrischend finde. Es ist beispielsweise geradezu ein „Fest“, den angeblich für seine Beförderung gar nicht so förderlichen Beitrag für die Rissing-van Saan-Festschrift zu lesen. Im konkreten Fall erscheint mir die Art aber wenig hilfreich, denn sie trifft sie die Falschen.

Inhaltlich ist Fischer m.E. noch weitgehend zuzustimmen: Das Jurastudium krankt ganz akut daran, dass es viel zu einseitig auf die Vermittlung von Wissen ausgerichtet ist und dass es dabei vor allem um Detailwissen geht. Das lässt sich immer wieder sehr schön an einem Lehrbuch mit dem Titel „20 Probleme aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis“ zeigen. Solches Detailwissen – sofern überhaupt relevant – ist heute aber spätestens durch juristische Datenbanken überall, jederzeit und ohne Weiteres verfügbar. Der Praxisnutzen einer solchen Ausbildung daher sehr fragwürdig.

Wollte das juristische Studium daher tatsächlich einen Beitrag zur juristischen Ausbildung leisten, müsste dort gerade das vermittelt werden, was man nicht nachschlagen kann. Und das sind einerseits Systemverständnis und Überblick (Breite vor Tiefe - „Weitwinkelobjektiv statt Lupe“). Und andererseits die für sämtliche juristische Berufe erforderlichen Fähigkeiten (um nicht den arg strapazierten Pädagogenbegriff der „Kompetenzen“ zu bemühen): Juristische Methodik, die über das nachschlagen von Präzedenzfällen hinausgeht, Argumentationstechnik, Rhetorik, etc.

Fähigkeiten oder Kompetenzen spielen aber heute im Studium nach wie vor eine absolute Nebenrolle, auch wenn man neuerdings vielleicht ein paar „Soft-Skill-Fächer“ belegen muss. Die werden abgearbeitet und dann vergessen – was man dort lernt, ist ja nicht „examensrelevant“.

Und genau das ist es, was Fischer offensichtlich völlig verkennt: Es wäre tatsächlich ziemlich dumm, ginge jemand sein Studium heute so an, wie Herr Fischer es vorschlägt. Denn noch immer sind die Examensnoten ja das hauptsächlich ausschlaggebende Einstellungskriterium. Für Richter – und damit sogar BGH-Richter! – sogar fast das einzige. Und die Examina sind eben noch immer darauf ausgelegt, große Mengen erlernten Wissens abrufen und anwenden zu können.

In herablassendem Duktus Studierende zu belächeln, ist daher ziemlich wohlfeil und wird an der Situation kaum etwas ändern. Stattdessen müssten die politisch und an den Hochschulen Verantwortlichen davon überzeugt werden, dass die Prüfungsordnungen von vorgestern sind. Und diese inhaltllich in der Tiefe reduziert und stattdessen um Moot-Courts, Rhetorikseminare, Methodikseminare, etc. ergänzt werden sollten.

Und gegenüber diesen hätte Fischers Wort ja unter Umständen durchaus Gewicht – auch wenn er nicht ständig mit wichtigen Ministern diniert.

Foto: re:publica/Jan Zappner | CC BY 2.0