Klassische Haftungsfalle III: Die Zuständigkeitskonzentration für WEG-Berufungen

Bild des Landgerichts AurichEin eher wenig erhebender Anlass, sich mit landesrechtlichen Zuständigkeitskonzentrationen zu befassen, ist der schon ein paar Tage alte Beschluss des BGH vom 25.05.2014 – V ZB 172/13.

Sachverhalt

Bei dem Verfahren handelte es sich um eine WEG-Streitigkeit, in der das Amtsgericht Brake (Bezirk des LG Oldenburg) die Beklagten zur Zahlung rückständigen Hausgelds (§ 16 Abs. 2 WEG) verurteilt hatte. Das Urteil wurde den Beklagten am 13.02.2014 zugestellt. Mit am 13.03.2014 beim Landgericht Oldenburg eingegangenem Schriftsatz legten die Beklagten gegen dieses Urteil Berufung ein.

Für Berufungen in WEG-Sachen gelten gem. § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG jedoch Sonderregeln. Zuständig ist für Berufungen gegen Urteile sämtlicher Amtsgerichte eines OLG-Bezirks grundsätzlich dasjenige Landgericht zuständig, in dessen Bezirk sich das OLG befindet. Gem. § 72 Abs. 2 Satz 2 und 3 GVG können die Landesregierungen davon abweichend durch Verordnung auch die Zuständigkeit eines anderen Landgerichts bestimmen. Von dieser Möglichkeit hat Niedersachsen in § 10 der NdsZustVO-Justiz Gebrauch gemacht; für den Bezirk des OLG Oldenburg ist das LG Aurich zuständiges Berufungsgericht für WEG-Sachen.

Nachdem die Beklagten dies gemerkt hatten, legten sie mit weiterem am 14.06.2014 beim Landgericht Aurich eingegangenem Schriftsatz auch dort Berufung ein und begehrten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags führte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten aus, sie habe die Zuständigkeit des Berufungsgerichts nicht selbst ermittelt, sondern dies einer Rechtsanwaltsfachangestellten übertragen. Diese habe das Landgericht Oldenburg als zuständiges Berufungsgericht ermittelt.

Entscheidung

Das Landgericht Aurich wies den Antrag auf Wiedereinsetzung zurück und verwarf die Berufung wegen Verfristung als unzulässig. Und der BGH hatte dagegen keine Bedenken, so dass er die Rechtsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung gem. § 574 Abs. 2 ZPO als unzulässig zurückwies.

Zunächst verneint der BGH die Frage, ob die Beklagten mit der beim LG Oldenburg eingereichten Berufungsschrift die Berufungsfrist gewahrt hatten:

„Der Senat hat entschieden, dass die Berufung in einer Streitigkeit nach § 43 Nr. 2 WEG fristwahrend nur bei dem nach § 72 Abs. 2 GVG zuständigen Berufungsgericht eingelegt werden kann. Etwas anderes gilt nur in dem – hier nicht gegebenen – Fall, dass das Vorliegen einer wohnungseigentumsrechtlichen Streitigkeit im Sinne dieser Regelungen für bestimmte Fallgruppen höchstrichterlich noch nicht geklärt ist und über deren Beantwortung mit guten Gründen gestritten werden kann […].“

Auch den Wiedereinsetzungsantrag habe das LG Aurich zu Recht zurückgewiesen:

„An den mit der Berufungseinlegung betrauten Rechtsanwalt sind – wovon auch die Rechtsbeschwerde ausgeht – mit Blick auf die Ermittlung des zuständigen Rechtsmittelgerichts hohe Sorgfaltsanforderungen zu stellen […]. Die Prüfung der Rechtsmittelzuständigkeit obliegt dem Rechtsanwalt und kann von ihm nicht delegiert werden […]. Bei einer bundesrechtlichen Zuständigkeitsregelung, die abweichende Regelungen durch das Landesrecht zulässt, umfasst die Prüfung auch die Frage, ob das betreffende Land hiervon Gebrauch gemacht hat […]. Ein Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts ist regelmäßig nicht unverschuldet. Er muss die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen […], oder diese anhand geeigneter Quellen, etwa von Vorschriftendatenbanken […], ermitteln. Diesen Maßstäben entsprach das Vorgehen der Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht.“

Zusatz

Die jeweiligen landesrechtlichen Zuständigkeitsverordnungen sind nach meiner Erfahrung im Internet nicht ganz einfach zu finden. Ich habe daher hier (und oben unter „Service – Zuständigkeitskonzentrationen“) den Versuch unternommen, die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften zu sammeln und zu verlinken. Sollte etwas fehlen oder jemand Fehler finden, würde ich mich über einen Hinweis sehr freuen!

tl;dr: Für WEG-Berufungen gelten gem. § 72 Abs. 2 GVG besondere Zuständigkeiten. Diese muss ein Anwalt kennen und selbst prüfen. Wird die Berufung bei einem unzuständigen Gericht eingelegt, kommt eine Wiedereinsetzung daher nicht in Betracht.

Anmerkung/Besprechung, BGH, Beschl. v. 15.05.2014 – V ZB 172/13. Foto: © Olaf Meister www.wikimedia.org