Kann teuer werden: Die nicht begründete (und zu früh eingelegte) Anschlussberufung

Bild des KammergerichtsInteressante Entscheidungen zum Berufungsrecht waren in den letzten Monaten „Mangelware“, deshalb kommt der Beschluss des Kammergerichts vom 25.06.2015 – 8 U 25/15 gerade recht.

Darin geht es einmal mehr um die Frage, wer die Kosten einer Anschlussberufung trägt, wenn es nicht zu einem Berufungsurteil kommt.

Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit hatte die Klägerin in erster Instanz rund die Hälfte der eingeklagten Forderung zugesprochen bekommen. Dagegen wendete sich die Beklagte mir ihrer Berufung. Noch vor Eingang der Berufungsbegründung legte die Klägerin Anschlussberufung ein, begründete diese aber nicht. Vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nahm die Beklagte ihre Berufung dann zurück.

Statthaftes Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Urteile ist (unter den Voraussetzungen des § 511 Abs. 2 ZPO) die Berufung.

Für die Berufungseinlegung sieht die ZPO ein „zweistufiges Verfahren“ vor: Die Berufung selbst ist durch eine Berufungsschrift (§ 519 ZPO) innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Urteils einzulegen, § 517 ZPO. Begründet werden muss die Berufung innerhalb einer – verlängerbaren und häufig verlängerten – Frist von zwei Monaten (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Noch vor Ablauf dieser Begründungsfrist hatte die Klägerin ihrerseits Anschlussberufung i.S.d. § 524 ZPO eingelegt. Die Anschlussberufung ist kein eigenständiges Rechtsmittel sondern nur ein Antrag innerhalb der vom Berufungskläger eingelegten Berufung. Damit konnte die Klägerin – ohne selbst Berufung einzulegen – eine Abänderung der Entscheidung zu ihren Gunsten verlangen, nämlich dahingehend, dass der Klage in vollem Umfang stattgegeben werde.

Hier hatte die Beklagte ihre Berufung aber noch vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zurückgenommen. Damit hatte war die Beklagte der Berufung „verlustig gegangen“ (§ 516 Abs. 3 Satz 1 Hs. 1 ZPO); die Anschlussberufung war wirkungslos geworden (§ 524 Abs. 4 ZPO).

Das Berufungsgericht musste daher nur noch über die Kosten des Berufungsverfahrens entscheiden. Und dabei stellte sich nun die Frage, wer die Kosten der Anschlussberufung zu tragen hatte. Nach § 516 Abs. 3 ZPO trägt im Zweifel der Berufungsführer die Kosten auch der Anschlussberufung, wenn er die Berufung zurücknimmt. Hier bestand die Besonderheit aber darin, dass die Anschlussberufung schon unzulässig war, weil diese nicht gem. § 524 Abs. 3 ZPO mit der Einlegung begründet worden war.

Entscheidung

Das Kammergericht hat die Kosten des Berufungsverfahrens gegeneinander aufgehoben und legte die Kosten der Anschlussberufung damit der Klägerin auf.

„Zwar hat der Berufungskläger gemäß § 516 Abs. 3 ZPO grundsätzlich auch die Kosten der durch eine Berufungsrücknahme gemäß § 524 Abs. 4 ZPO wirkungslos gewordenen Anschlussberufung zu tragen. Denn die Anschlussberufung ist kein eigenständiges Rechtsmittel, sondern nur ein Angriff innerhalb des vom Berufungskläger eingelegten Rechtsmittels […]. Die durch den Anschluss verursachten Mehrkosten stellen in einem weiteren Sinne durch das Rechtsmittel entstandene Kosten dar […].

Die Kostentragungspflicht des Berufungsklägers nach § 516 Abs. 3 ZPO erstreckt sich jedoch nicht auf die Kosten der Anschlussberufung, wenn diese unzulässig ist, so dass in diesem Fall eine Quotelung vorzunehmen ist […].

So liegt es hier. Die innerhalb der laufenden Berufungsbegründungsfrist eingelegte Anschlussberufung war unzulässig, da es an einer Anschlussberufungsbegründung fehlte. Nach § 524 Abs. 3 ZPO muss die Anschlussberufung in der Anschlussschrift begründet werden. Anders als für die Berufung, bei der eigenständige Fristen zur Einlegung (§ 517 ZPO) und zur Begründung (§ 520 Abs. 2 ZPO) laufen, verlangt das Gesetz für die Anschlussberufung eine Begründung „in der Anschlussschrift selbst“ […].

Dahin stehen kann, ob eine einschränkende Auslegung des § 524 Abs. 3 ZPO dahin vorzunehmen ist, dass die Nachreichung der Begründung innerhalb der Frist zur Anschlussberufung (§ 524 Abs. 2 S. 2 ZPO) genügt. Denn auch das würde nichts daran ändern, dass bis zu dieser Nachreichung eine zulässige Anschlussberufung (noch) nicht vorliegt, gleich, ob man ihr sodann eine Wirkung nur für die Zukunft oder eine Rückwirkung beimessen wollte.

Die entgegen § 524 Abs. 3 ZPO nicht formgerecht begründete Anschlussberufung ist daher auch dann unzulässig, wenn sie vor Eingang der Berufungsbegründung eingelegt worden ist und es zu einer Begründung wegen Rücknahme der Berufung vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nicht mehr kommt. Wartet der Berufungsbeklagte die Berufungsbegründung nicht ab, bevor er sich anschließt, und begründet er die Anschlussberufung nicht sogleich, so hat er das darin liegende Risiko zu tragen […].

Da eine Quotelung der Kosten bereits wegen Unzulässigkeit der Anschlussberufung vorzunehmen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob das gleiche Ergebnis auch daraus folgt, dass die Klägerin sich etwa „voreilig“ unter Erhöhung des Streitwerts des Berufungsverfahrens mit der Anschlussberufung am Verfahren beteiligt hat, obwohl die Berufung nur zur Fristwahrung eingelegt war, ein Berufungsantrag noch nicht gestellt und das Rechtsmittel noch nicht begründet worden war.

Es liegt nahe, in diesem Verhalten einen Verstoß gegen die auf Grund des Prozessrechtsverhältnisses obliegende Verpflichtung, die Kosten möglichst niedrig zu halten, zu sehen […], und dies bei der Kostenentscheidung nach § 516 Abs. 3 ZPO zu berücksichtigen […].“

Anmerkung

Insbesondere das letzte Argument scheint mir – wenn auch nicht „tragend“ – sehr wichtig. Denn die Anschlussberufung war ja nicht nur unzulässig. Es gab auch für die Klägerin überhaupt keinen Grund, die Anschlussberufung so früh einzulegen. Vielmehr hätte sie ohne Gefahr (vgl. § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO) zunächst die Berufungsbegründung und die Entscheidung des Berufungsgerichts, ob nach § 522 Abs. 2 ZPO verfahren werden soll, abwarten können.

Legt sie trotzdem zuvor schon eine unzulässige Anschlussberufung ein – insbesondere um „Druck“ auf die Berufungsklägerin auszuüben – erscheint es wenig interessengerecht, die Berufungsklägerin auch mit den Kosten einer solchen Anschlussberufung zu belasten (s. OLG Köln, Beschluss vom 17. 1. 2003 – 5 U 5/03).

tl;dr: Die Kosten der Anschlussberufung trägt abweichend von § 516 Abs. 3 ZPO ausnahmsweise die Berufungsbeklagte, wenn die Anschlussberufung ohne Begründung und noch vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingelegt wird.

Anmerkung/Besprechung, KG, Beschluss v. 25.06.2015 – 8 U 92/15. Foto: Axel Mauruszat | wikimedia.org | CC BY-SA 3.0