Nebenintervention des Gesellschafters im Prozess der Gesellschaft?

Mit einer interessanten Frage an der Schnittstelle zwischen Gesellschaftsrecht und Prozessrecht hat sich der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 03.07.2018 – II ZB 28/16 befasst. Darin geht es um die Zulässigkeit der Nebenintervention eines Gesellschafters in einem Aktivprozess der Gesellschaft und einer im Rahmen eines solchen Aktivprozesses erhobenen Widerklage.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine französische Société Civile Immobilière (SCI) und macht zusammen mit über weiteren 30 Klägerinnen und Klägern Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten wegen angeblicher Verletzungen anwaltlicher Pflichten geltend. Mit Schriftsatz vom 29.04.2015 erklärte eine der Gesellschafterinnen der Klägerin ihren Beitritt zum Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin. Die Beklagten und die Kläger haben die Zurückweisung der Nebenintervention beantragt. Das Landgericht hat die Nebenintervention mit Zwischenurteil zugelassen. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin und der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Zwischenurteil abgeändert und die Nebenintervention der Rechtsbeschwerdeführerin zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde. Nach der Entscheidung des Landgerichts über die Zulassung der Nebenintervention und vor der Beschlussfassung des Oberlandesgerichts haben die Beklagten außerdem Widerklage gegen die Kläger erhoben.

Wer ein rechtliches Interesse am Ausgang eines zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreits hat, kann diesem Rechtsstreit gem. § 66 ZPO als Nebenintervenient beitreten. Als Nebenintervenient kann man auf den Prozess Einfluss nehmen (§ 67 ZPO), ist aber auch weitgehend an das Ergebnis des Prozesses gebunden (§ 68 ZPO). Hier hatte sich die Beschwerdeführerin darauf berufen, dass sie ein Interesse an einem Obsiegen der Gesellschaft habe, weil ihr dies einen finanziellen Vorteil bringe. Die Beklagten und die Klägerin hatten aber jeweils beantragt, die Nebenintervention gem. § 71 ZPO zurückzuweisen. Deshalb hatte das Landgericht gem. § 71 Abs. 2 ZPO durch Zwischenurteil entschieden und die Nebenintervention zugelassen. Auf die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte das OLG das Urteil abgeändert und die Nebenintervention zurückgewiesen. (Das wäre übrigens eine 18-Punkte-Frage im mündlichen Examen: Gibt es auch Urteile, gegen die eine sofortige Beschwerde statthaft ist? Antwort: Ja, Zwischenurteile gem. § 71 Abs. 2 ZPO und § 387 Abs. 3 ZPO.) Der BGH musste deshalb entscheiden, ob das rein finanzielle Interesse der Klägerin ein ausreichender Nebeninterventionsgrund war.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen:

„Der Beschluss des Oberlandesgerichts hält rechtlicher Nachprüfung stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht ein rechtliches Interesse am Beitritt (…) gemäß § 66 Abs. 1 ZPO verneint. Bei Zahlungsklagen einer Gesellschaft gegen Nichtgesellschafter hat der Gesellschafter regelmäßig kein rechtliches Interesse im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO am Beitritt zum Rechtsstreit.

a) Gemäß § 66 Abs. 1 ZPO kann derjenige, der ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit eine Partei obsiegt, dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten. Dabei ist der Begriff des rechtlichen Interesses weit auszulegen (…). Es ist erforderlich, dass der Nebenintervenient zu der unterstützten Partei oder zu dem Gegenstand des Rechtsstreits in einem Rechtsverhältnis steht, auf das die Entscheidung des Rechtsstreits durch ihren Inhalt oder ihre Vollstreckung unmittelbar oder auch nur mittelbar rechtlich einwirkt. Der bloße Wunsch eines Nebenintervenienten, der Rechtsstreit möge zugunsten einer Partei entschieden werden, stellt lediglich einen Umstand dar, der ein tatsächliches Interesse am Obsiegen einer Partei zu erklären vermag (…).

Ein rechtliches Interesse für den Gesellschafter am Beitritt zu einem gegen die Gesellschaft geführten Prozess ist bei Personenhandelsgesellschaften wegen der Haftung nach §§ 128, 129, 161 Abs. 2 HGB anerkannt (…).

Bei Zahlungsklagen der Gesellschaft gegen Nichtgesellschafter ist dagegen ein rechtliches Interesse im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO nicht gegeben. Das Interesse, die Vermögenssituation der Gesellschaft als Klägerin zu verbessern, um etwa höhere Tantiemen von der klagenden Gesellschaft oder als Gesellschafter einer Aktiengesellschaft aufgrund der verbesserten Vermögenssituation der Gesellschaft höhere Dividenden zu erhalten, ist ein rein wirtschaftliches und kein rechtliches (…).

b) Im vorliegenden Fall liegt das Interesse der Rechtsbeschwerdeführerin darin, durch den Erfolg der Klage der Klägerin (…) deren Vermögenssituation zu verbessern, um den Wert ihres Geschäftsanteils an der Klägerin (…) zu erhöhen. Das ist ein rein wirtschaftliches Interesse und kein die Nebenintervention nach § 66 Abs. 1 ZPO rechtfertigendes rechtliches Interesse.

c) Eine abweichende Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin (…) eine französische SCI ist, deren Gesellschafterin die Rechtsbeschwerdeführerin ist. Auch die Rechtsbeschwerde stellt nicht in Frage, dass die Klägerin (…) nach dem maßgeblichen französischen Recht über ein eigenes Gesellschaftsvermögen verfügt und die Gesellschafter lediglich einen Geschäftsanteil halten (…). Das Interesse der Rechtsbeschwerdeführerin als Gesellschafterin einer SCI ist nur rein wirtschaftlich.

d) Der rechtlichen Nachprüfung stand hält ebenfalls die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass das rechtliche Interesse für die Nebenintervenientin nicht dadurch begründet werden kann, dass im Fall eines Unterliegens der Klägerin zu 26 im Klageverfahren ein Kostenerstattungsanspruch für die Beklagten entstehen kann, für den die Rechtsbeschwerdeführerin als Gesellschafterin der Klägerin zu 26 akzessorisch haften müsste. Das rechtliche Interesse im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO muss sich aus der Entscheidung in der Hauptsache Das Interesse zur Vermeidung einer ungünstigen Kostenentscheidung zu Lasten der Hauptpartei genügt nicht. Es darf nicht erst durch den Rechtsstreit geschaffen werden, in dem der Beitritt erfolgen soll (…)

f) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, das Oberlandesgericht habe die Widerklage der Beklagten nicht berücksichtigt. (...)

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Nebenintervenientin ein rechtliches Interesse am Beitritt auf Seiten der Klägerin (…) im Hinblick auf die Widerklage hat. Der Beitritt zur Widerklage auf Seiten der Klägerin (…) als Widerbeklagte ist nicht Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Zum Zeitpunkt der Beitrittserklärung der Rechtsbeschwerdeführerin und der Entscheidung über die Zulässigkeit der Nebenintervention durch das Landgericht war die Widerklage noch nicht erhoben.

Gegenstand der Entscheidung des Landgerichts und damit auch des Beschwerdeverfahrens war damit allein die Entscheidung über die Zulässigkeit der Nebenintervention zur Klage (…). Dementsprechend ist auch das Rechtsbeschwerdeverfahren auf die Überprüfung der Zulassungsentscheidung des Beitritts der Nebenintervenientin zur Klage der Klägerin (…) beschränkt.

Auch wenn ein Beitritt zur Widerklage der Rechtsbeschwerdeführerin möglich ist, folgt daraus nicht, dass deswegen die Nebenintervention im Hinblick auf die Klage zulässig wird. Vielmehr ist die Zulässigkeit eines Beitritts zu Klage und Widerklage jeweils selbständig zu prüfen. Bei Klage und Widerklage handelt es sich um zwei selbständige Prozesse, die Kraft eines Parteiaktes zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung in einem Verfahren verbunden sind (…). Ein Beitritt ist nicht nur unteilbar zu allen im Prozess anhängigen, sondern vielmehr auch möglich zu einzelnen Streitgegenständen (…). Dies gilt auch im Fall von Klage und Widerklage (…).“

Anmerkung

Das ist angesichts der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach ein rein wirtschaftliches Interesse nicht ausreichend ist, nur folgerichtig und entspricht in der Sache auch der insoweit herrschenden Ansicht (ebenso z.B. schon OLG Rostock, Urteil v. 06.05.2002 - 3 U 146/01) Interessant ist die Aussage des BGH wohl vor allem im Hinblick auf die unberücksichtigt geblieben Widerklage. Insoweit sollte bei Erklärung des Beitritts ausdrücklich klargestellt werden, inwieweit der Beitritt erfolgt und ob er Klage und/oder Widerklage oder ggf. nur einzelne Streitgegenstände erfassen soll. Wird eine Widerklage erst nach dem Beitritt erhoben, muss ausdrücklich erklärt werden, dass der Beitritt sich auch auf die Widerklage beziehen soll. Gerade wenn der Umfang des Beitritts unklar sein könnte, sollte das Gericht außerdem auf eine dahingehende Klarstellung der Beitrittserklärung hinwirken (vgl. § 139 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 ZPO). tl;dr: 1. Bei Zahlungsklagen einer Gesellschaft gegen Nichtgesellschafter hat der Gesellschafter regelmäßig kein rechtliches Interesse im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO am Beitritt zum Rechtsstreit. 2. Die Zulässigkeit eines Beitritts zu Klage und Widerklage ist jeweils selbständig zu prüfen. Ein Beitritt auf Seiten einer Hauptpartei ist auch allein zur Klage oder allein zur Widerklage möglich. (Leitsätze des Bundesgerichtshofs) Anmerkung/Besprechung, BGH, Beschluss vom 03.07.2018 – II ZB 28/16. Wenn Sie diesen Artikel verlinken wollen, können Sie dafür auch folgenden Kurzlink verwenden: www.zpoblog.de/?p=6683. Foto: ComQuat, BGH - Empfangsgebäude, CC BY-SA 3.0