Noch ein Dauerbrenner: Wert des Beschwerde­gegenstands bei Auskunfts­titeln

Neben dem Feststellungsinteresse bei Schadensfeststellungsklagen gehört zu den prozessualen Themen, die immer wieder Gegenstand obergerichtlicher Entscheidungen sind, auch der Wert des Beschwerdegegenstands bei Berufungen gegen Auskunftstitel. In einer ungewöhnlichen Konstellation hat sich der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 26.10.2016 – XII ZB 134/15 mit dieser Thematik befasst und seine Rechtsprechung zur Berechnung der Beschwer bestätigt.
Sachverhalt
Die in Russland lebende Antragstellerin ist die 1996 geborene Tochter der in Deutschland lebenden Antragsgegnerin. Durch einen russischen Unterhaltstitel war sie 2013 verurteilt worden, an die Antragstellerin Unterhalt in Höhe „eines Viertels allen Arbeitseinkommens ausgehend vom 1. Oktober 2012 bis zur Erlangung der Volljährigkeit“ zu zahlen. Dem folgend nimmt die Antragstellerin die Antragsgegnerin auf Auskunft über ihr Einkommen im Jahr 2013 in Anspruch. Das Amtsgericht – Familiengericht – verpflichtete die Antragsgegnerin antragsgemäß, die sich dagegen mit der Beschwerde (§ 58 FamFG) wendete. Das Beschwerdegericht verwarf die Beschwerde als unzulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 600 EUR nicht überschreite (§ 61 Abs. 1 FamFG). Bei einer Verurteilung zur Auskunft sei der Wert des Beschwerdegegenstands aufgrund des Zeitaufwands für die Erfüllung der Auskunftspflicht zu ermitteln. Der Stundensatz richte sich nach dem JVEG und liege gem. § 22 JVEG bei maximal 21 EUR. Dagegen wendet sich der Antragsgegnerin mit der Rechtsbeschwerde, mit der sie insbesondere geltend macht, beim Wert des Beschwerdegegenstands sei auch zu berücksichtigen, dass sie ggf. aufgrund der Auskunft zur Zahlung eines höheren Unterhalts verpflichtet werde.

Im Familienrecht hat man es ebenso wie im Erbrecht, im gewerblichen Rechtsschutz oder im Presserecht relativ häufig mit Auskunftsansprüchen zu tun. Denn um die Höhe des eigenen Anspruchs beziffern zu können, benötigt man in diesen Bereichen nicht selten Angaben des Gegners (über die Höhe des Einkommens, des Erbes oder des Gewinns aus einer Schutzrechts- oder Persönlichkeitsrechtsverletzung). Der Wert eines solchen Auskunftsantrages wird in der Regel mit einen Bruchteil (häufig 20%) des Wertes der erwarteten Hauptforderung beziffert. Unterliegt der Anspruchsteller, entspricht der Wert des Beschwerdegegenstands (vgl. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) dem Wert des Auskunftsantrags, da der Auskunftsberechtigte ja in der Höhe des Wertes seines Antrags unterlegen ist. Wird dem Auskunftsbegehren hingegen stattgegeben, berechnet sich der Wert des Beschwerdegegenstands hingegen anders, nämlich i.d.R. nur danach, wie hoch der Aufwand des Anspruchsgegners ist, um die begehrte Auskunft zu erteilen. Denn nur in dieser Höhe ist der Auskunftspflichtige ja unterlegen; seine materielle Rechtsstellung wird durch die Auskunftspflicht i.d.R. nicht berührt. Hier stellte sich nun die Frage, ob das auch dann gilt, wenn die Auskunft jedenfalls mittelbar weitere Folgen hat (nämlich eine höhere Zahlungspflicht).
Entscheidung
Das hat den XII. Zivilsenat nicht überzeugt:

„a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bemisst sich die Beschwer eines zur Auskunft verpflichteten Beteiligten nach seinem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Es kommt auf den Aufwand an Zeit und Kosten an, den die Erteilung der Auskunft erfordert.

Der Zeitaufwand ist dabei grundsätzlich in Anlehnung an den Stundensatz zu bewerten, den ein Zeuge im Zivilprozess erhalten würde. Zusätzlich kann ein Geheimhaltungsinteresse zu berücksichtigen sein (…).

b) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist die aufgrund eines vorliegenden rechtskräftigen ausländischen Unterhaltstitels mögliche Erhöhung der bisherigen Unterhaltszahlungen nach Erteilung der Auskunft bei der Bemessung der Beschwer nicht zu berücksichtigen.

aa) Bei der Bewertung des Beschwerdegegenstandes ist nur auf den unmittelbaren Gegenstand der Entscheidung Der tatsächliche oder rechtliche Einfluss der Entscheidung auf andere Rechtsverhältnisse bleibt außer Betracht. Während der geltend gemachte Auskunftsanspruch für den Antragsteller typischerweise zur Vorbereitung der Durchsetzung des Hauptanspruchs dient, ist Gegenstand des Rechtsmittels des im Auskunftsverfahren unterlegenen Antragsgegners nur dessen Ziel, keine Auskunft erteilen zu müssen.

Das daneben auch bestehende Ziel des Antragsgegners, den Hauptanspruch zu verhindern, geht hingegen über das Ziel des Rechtsmittels hinaus. Es ist daher bei der Wertfestsetzung nicht zu berücksichtigen […]

Das muss auch dann gelten, wenn – wie hier – der Hauptanspruch bereits dahingehend rechtskräftig feststeht, dass ein Bruchteil des sich aus der Auskunft ergebenden Einkommens als Unterhalt zu zahlen ist. [...]

bb) Im Übrigen trifft die Annahme der Rechtsbeschwerde, die Erteilung der Auskunft führe ohne weiteres zu einer unmittelbaren Änderung der Unterhaltsverpflichtung, in dieser Form nicht zu, weil es zunächst einer Umsetzung durch die ausländischen Vollstreckungsorgane – mit insoweit möglicherweise bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten für den Unterhaltsschuldner – bedarf.

Soweit ein ausländischer Unterhaltstitel in Deutschland in einem innerstaatlichen Vollstreckbarerklärungsverfahren oder aufgrund einer völkerrechtlichen Anerkennungs- und Vollstreckungsvereinbarung für vollstreckbar erklärt werden muss, behält der zur Auskunft verpflichtete Unterhaltsschuldner die Möglichkeit, Einwendungen im Exequaturverfahren vorzubringen. Es muss auch nicht entschieden werden, ob der Unterhaltstitel, der – wie hier – auf den Bruchteil eines nicht bezifferten Individualeinkommens lautet, im Hinblick auf seine Bestimmtheit überhaupt für vollstreckbar erklärt werden kann oder ob es zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche der Antragstellerin in Deutschland nicht ohnehin eines neuen Leistungsantrags bedarf […].

c) Gemessen hieran ist die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht zu beanstanden. Die Rechtsbeschwerde erhebt auch keine Einwendungen gegen die Schätzung und Bewertung des für die Erteilung der Auskunft erforderlichen Aufwands und gegen die Verneinung eines Geheimhaltungsinteresses.“

Anmerkung
Es bleibt damit dabei, dass strikt zwischen Auskunftsanspruch und Hauptanspruch zu trennen ist: Auch wenn der Auskunftsanspruch den Hauptanspruch (wie hier) weitgehend oder völlig präjudiziert, bestimmt sich der Wert des Beschwerdegegenstands allein nach den unmittelbaren Folgen der Verurteilung zur Auskunftserteilung. tl;dr: Die Beschwer eines zur Auskunft Verpflichteten bemisst sich nach Aufwand, Zeit und Kosten, die die Erteilung der Auskunft erfordert. Der Zeitaufwand ist in Anlehnung an die Zeugenentschädigung nach dem JVEG zu bemessen. Zusätzlich kann ein Geheimhaltungsinteresse zu berücksichtigen sein. Anmerkung/Besprechung, BGH, Beschluss vom 26.10.2016 – XII ZB 134/15. Foto: Waugsberg | wikimedia.org | CC BY-SA 3.0