OLG Schleswig: Kein Widerruf der Zustimmungserklärung zu schriftlichem Vergleich
Entscheidung
Das OLG Schleswig das Zustandekommen des Vergleichs festgestellt und einen Beschluss gem. § 278 Abs. 6 ZPO erlassen:„1. Der Vergleich ist prozessual wirksam zwischen den Parteien zustande gekommen. […]
Die Annahmeerklärung des Klägers vom 01.02.2017 stellt eine wirksame Prozesshandlung dar. Sie ist als Prozesshandlung mit Eingang des Schriftsatzes am 02.02.2017 bei Gericht wirksam geworden. Sie konnte als Prozesshandlung nicht widerrufen oder zurückgenommen werden kann [...].
Bei den Prozesshandlungen wird unterschieden zwischen Erwirkungshandlungen und Bewirkungshandlungen. Erwirkungshandlungen sind Prozesshandlungen, die eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen sollen und erst durch diese auf den Prozess einwirken (zum Beispiel Anträge, Parteivorbringen); dagegen beeinflussen Bewirkungshandlungen die Prozesslage unmittelbar […]. Die Unterscheidung hat vor allem für die Widerruflichkeit und die Folgen der Fehlerhaftigkeit Bedeutung. Bewirkungshandlungen sind wegen ihrer prozessgestaltenden Wirkung grundsätzlich unwiderruflich. Erwirkungshandlungen können widerrufen werden, solange durch sie keine geschützte Position der Gegenseite entstanden ist […].
Bei der schriftsätzlichen Annahmeerklärung eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags nach § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO handelt es sich um eine Bewirkungshandlung und nicht um eine Erwirkungshandlung. Denn mit den beiderseitigen Annahmeerklärungen zu dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag wird der Prozess unmittelbar gestaltet. Der Beschluss des Gerichtes gemäß § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO hat lediglich feststellenden Charakter. Ist die Annahmeerklärung folglich als Prozesshandlung im Sinne einer Bewirkungshandlung grundsätzlich unwiderruflich, so fehlt es für die Möglichkeit des Widerrufs oder der Zurücknahme an einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage. […]
2. Der Vergleich zwischen den Parteien ist auch materiell-rechtlich wirksam zustande gekommen. [...] Die materiell-rechtliche Zustimmungserklärung des Klägers zu dem Vergleich ist nicht gemäß § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB aufgrund Widerrufs unwirksam geworden.
Nach § 130 Abs. 1 Satz BGB wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Die Willenserklärung wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht, § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Bei einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag gemäß § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO tritt an die Stelle des anderen, d.h. des Prozessgegners, das Gericht. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Regelung in § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO, die eine gesetzliche Empfangszuständigkeit des Gerichts vorsieht, wenn es heißt, dass die den Vorschlag des Gerichts annehmenden Willenserklärungen der Parteien „gegenüber dem Gericht“ abzugeben sind. Die Annahmeerklärungen sind folglich amtsempfangsbedürftige Willenserklärung im Sinne des § 130 Abs. 3 BGB [...]. Der am 06.02.2017 bei Gericht eingegangene Widerruf führte folglich nicht zu einer Unwirksamkeit der zuvor am 02.02.2017 eingegangenen Annahmeerklärung.“