OLG Zweibrücken: Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung gem. § 185 Ziff. 1 ZPO

Als ultima ratio kommt eine öffentliche Zustellung der Klageschrift an eine natürliche Person gem. § 185 Ziff. 1 ZPO nur in Betracht, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt ist. Da mit einer öffentlichen Zustellung faktisch der Anspruch der beklagten Partei auf rechtliches Gehör unterlaufen wird, werden an die insoweit bestehenden Nachforschungspflichten der klagenden Partei hohe Anforderungen gestellt. Mit diesen hat sich jüngst sehr lesenswert das OLG Zweibrücken mit Beschluss vom 08.12.2017 – 4 W 64/17 befasst.

Sachverhalt

Der Kläger wollte den Beklagten auf Rückzahlung eines (Privat-)Darlehens in Anspruch nehmen und beantragte die öffentliche Zustellung der Klageschrift. Dazu gab er an, der Beklagte unterhalte keinen inländischen Wohnsitz mehr und sei nach Auskunft der Meldebehörde seines letzten Wohnortes in Deutschland nach San José, Costa Rica, verzogen. Eine ladungsfähige Anschrift habe er trotz Nachforschung bei den Eltern des Beklagten nicht in Erfahrung bringen können. Außerdem habe er dem Beklagten per E-Mail den Entwurf der Klageschrift übersandt und ihn aufgefordert, den Betrag zu überweisen. Das Landgericht hat das Gesuch mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe (noch) nicht alle ihm zumutbaren Nachforschungen unternommen, um den Aufenthaltsort des Beklagten zu ermitteln. Dagegen wendet sich der Kläger mit der sofortigen Beschwerde.

Ist der Aufenthaltsort der beklagten Partei nicht bekannt, kommt eine Zustellung nach den §§ 170 ff. ZPO nicht in Betracht. Gleichzeitig kann es aber nicht richtig sein, dass eine Partei untertaucht und der klagenden Partei dadurch die Möglichkeit nimmt, Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Deshalb sieht § 185 ZPO vor, dass eine Klage öffentlich zugestellt werden kann; gem. § 185 Nr. 1 ZPO beispielsweise dann, wenn „der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist“. Die öffentliche Zustellung erfolgt gem. § 186 Abs. 2 ZPO dadurch, dass eine Benachrichtigung über die öffentliche Zustellung an der Gerichtstafel ausgehängt wird. Die Zustellung wird also faktisch durch eine reine Fiktion ersetzt. Die öffentliche Zustellung muss daher immer ultima ratio bleiben, da sie die prozessualen Rechte der betroffenen Partei abschneidet. Die klagende Partei treffen daher umfangreiche Nachforschungspflichten, bevor der Aufenthalt der beklagten Partei tatsächlich als unbekannt angesehen werden kann. Und hier war fraglich, ob der Kläger diese erfüllt hatte.

Entscheidung

Das OLG hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen:

„1. Nach § 185 Nr. 1 ZPO kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist.

Unbekannt ist der Aufenthalt einer Person nur dann, wenn nicht nur das Gericht, sondern auch die Allgemeinheit den Aufenthalt des Zustellungsadressaten nicht kennt. Dabei ist es zunächst Sache der Partei, die durch die Zustellung begünstigt wird, alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anzustellen, um den Aufenthalt des Zustellungsempfängers zu ermitteln und ihre ergebnislosen Bemühungen gegenüber dem Gericht darzulegen. Dies gilt auch dann, wenn die Zustellung – wie bei einer Zivilklage (§§ 166 Abs. 2, 271 Abs. 1 ZPO) – von Amts wegen vorzunehmen ist. Wegen der besonderen Bedeutung der Zustellung für die Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) sind dabei an die Feststellung, dass die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung vorliegen, im Erkenntnisverfahren hohe Anforderungen zu stellen (…).

2. Daran gemessen durfte es der Kläger hier nicht mit der Nachfrage bei dem für die letzte Meldeadresse des Beklagten in Deutschland zuständigen Einwohnermeldeamt und mit der ergebnislosen persönlichen Befragung der Eltern des Beklagten nach dessen genauem Aufenthaltsort in Costa Rica bewenden lassen.

Es genügt auch nicht, dass der Kläger über die ihm bekannte E-Mail-Adresse des Beklagten diesem durch seinen anwaltlichen Vertreter am 09.05.2017 eine Kopie der Klageschrift mit der Aufforderung zur Kontaktaufnahme und zur Bezahlung der Klageforderung hat übermitteln lassen. Denn der Umstand, dass die bloße nochmalige Zahlungsaufforderung in der E-Mail vom 09.05.2017 unbeantwortet geblieben ist, rechtfertigt nicht zugleich den Schluss, dass sich der Beklagte auch auf eine elektronische Aufforderung zur Offenbarung seiner postalischen Erreichbarkeit mit ausdrücklicher Ankündigung der widrigenfalls beabsichtigten Beantragung der öffentlichen Klagezustellung zu seiner ladungsfähigen Adresse verschwiegen hätte; dagegen spricht mit Gewicht das Risiko des für den Beklagten drohenden endgültigen Rechtsverlusts im Falle einer rechtswirksamen öffentlichen Zustellung.

3. Nach Aktenlage stehen dem Kläger durchaus noch weitere geeignete Maßnahmen zur Ermittlung des Aufenthaltes des Beklagten zur Verfügung, die er bislang nicht genutzt hat:

a) So ist schon nicht ersichtlich, dass sich der Kläger ergebnislos beim letzten Vermieter des Beklagten oder bei dem Zustellungspostamt des letzten deutschen Wohnsitzes des Beklagten nach dem etwaigen Bestehen eines Nachsendeauftrages für Postsendungen an eine Anschrift in Costa Rica erkundigt hat.

b) Um den aktuellen Aufenthaltsort des Beklagten weiß möglicherweise auch dessen kontoführendes Kreditinstitut, über welches der Beklagte das Darlehen des Klägers vereinnahmt hat.

c) Außerdem besteht für den Kläger grundsätzlich auch die Möglichkeit zur Feststellung des Aufenthaltes des Beklagten mit Hilfe der deutschen Auslandsvertretung in Costa Rica, falls der Beklagte nach der Einreise dort z.B. konsularische Hilfe in Anspruch genommen hat. (...)

d) Unabhängig davon dürfte es sich für den Kläger anbieten, den Beklagten unter der ihm bekannten E-Mail-Adresse erneut anzuschreiben mit der Aufforderung, binnen angemessener Frist eine ladungsfähige Anschrift anzugeben und/oder einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland zu benennen zwecks Vermeidung der öffentlichen Zustellung (…). Reagiert der Beklagte darauf nicht, kann er sich später u.U. wegen Rechtsmißbrauchs nicht auf die Unwirksamkeit einer sodann angeordneten öffentlichen Zustellung berufen (…).“

Anmerkung

Im Weiteren weißt das OLG übrigens zu Recht darauf hin, dass es sich bei den hohen Anforderungen auch nicht um bloß Förmelei handelt, sondern dass diese auch dem Schutz der klagenden Partei vor den mit einer öffentlichen Zustellung einhergehenden Risiken dienen. Denn wurden zuvor nicht alle zumutbaren Nachforschungsmöglichkeiten ausgeschöpft, ist die öffentliche Zustellung unwirksam, mit der Folge, dass insbesondere die Verjährung nicht gehemmt wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Unwirksamkeit auf einem Fehler des Gerichts beruht. Allerdings bezweifle ich, dass die Bank des Beklagten ohne Weiteres dessen Wohnort mitteilen wird. Gleiches gilt wegen des Sozialgeheimnisses auch, soweit teilweise gefordert wird, Sozialversicherungsträger um Auskunft zu ersuchen (s. nur Zöller/Schultzky, 32. Aufl. 2018, § 185 Rn. 4). Deutlich abgesenkt hat der Gesetzgeber im Zuge des MoMiG 2008 übrigens die Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung an eine juristische Person: Hier ist eine öffentliche Zustellung gem. § 185 Ziff. 2 ZPO i.d.R. schon dann möglich, wenn eine Zustellung unter der im Handelsregister eingetragenen (inländischen) Anschrift nicht möglich ist. tl;dr: Im zivilprozessualen Erkenntnisverfahren sind an die Bewilligung der öffentlichen Bekanntmachung (öffentlichen Zustellung) der Klageschrift durch das Gericht strenge Anforderungen zu stellen. (Leitsatz des Gerichts) Anmerkung/Besprechung, OLG Zweibrücken, Beschluss vom 08.12.2017 – 4 W 64/17. Foto: wikimedia.org | gemeinfrei