Wenn Prozessbevollmächtigte zu Nebenintervenienten werden

Tobias Helferich wikimedia cc-by-sa 3.0Eine prozessual eher ungewöhnliche Konstellation liegt dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 21.07.2015 – II ZR 177/14 zugrunde, nämlich eine Nebenintervention der Prozessbevollmächtigten auf Seiten der von ihnen vertretenen Partei.

In der Sache ging es um die formalen Anforderungen an den „Widerspruch“ der Hauptpartei i.S.v. § 67 Hs. 2 ZPO.

Sachverhalt

Der Kläger war durch zwei Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten von September 2008 und Februar 2009 (jeweils) aus wichtigem Grund aus der beklagten GmbH ausgeschlossen worden. Gegen diese Beschlüsse erhob der Kläger eine Anfechtungs- und Nichtigkeitsfeststellungsklage. Das Landgericht erklärte den ersten Beschluss der Beklagten für unwirksam, wies die Klage hinsichtlich des zweiten Beschlusses aber ab, weil der Kläger die Anfechtungsfrist versäumt habe. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers (die Sozietät und sämtliche Sozien) legten daher Berufung ein und traten dem Kläger als Nebenintervenienten bei, konnten aber nicht verhindern, dass die Berufung erfolglos blieb.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts legten die Nebenintervenienten Nichtzulassungsbeschwerde ein. Daraufhin erklärte der Kläger den Nebenintervenienten und dem Gericht gegenüber durch einen neuen Instanzanwalt, dass er der „Weiterführung der Nichtzulassungsbeschwerde“ widerspreche.

Über das Vermögen der Beklagten wurde kurz darauf das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Kläger wollte mit seiner Klage zwei Beschlüsse der beklagten GmbH beseitigt haben, mit denen die anderen Gesellschafter ihn aus der Gesellschaft ausgeschlossen hatten. Mangels eigener Regelungen im GmbHG finden insoweit die Regelungen in §§ 241 ff. AktG entsprechende Anwendung.

Leidet ein Beschluss an einem besonders schweren Mangel und ist daher ohne weiteres nichtig (§ 241 AktG), kann die Feststellung der Nichtigkeit mittels einer (einfachen) Feststellungsklage begehrt werden, die grundsätzlich nicht an eine Frist gebunden ist. Das war hier aber nur bei dem ersten Beschluss der Fall.

Der zweite Beschluss war nach Ansicht von Landgericht und Oberlandesgericht aber nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar. Diesen Beschluss hätte der Kläger daher entsprechend § 246 AktG innerhalb einer bestimmten Frist mit einer Anfechtungsklage angreifen müssen (die Anfechtungsklage ist übrigens eine der wenigen echten Gestaltungsklagen!). Diese Klagefrist hatte der Kläger (bzw. seine Anwälte) aber versäumt. Deshalb war die Klage insoweit abgewiesen worden, mit der Folge, dass der Kläger durch den zweiten Beschluss wirksam aus der GmbH ausgeschlossen worden war.

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers fürchteten nun wohl, dass der Kläger sie in Regress nehmen würde. Sie waren dem Rechtsstreit daher auf Seiten des Klägers als Nebenintervenienten beigetreten (§ 66 ZPO). Als Nebenintervenienten (auch Streithelfer genannt) konnten sie gem. § 67 ZPO eigene Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen und damit insbesondere auch Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) gegen das Urteil des Berufungsgerichts einlegen.

Sie durften sich dabei aber nicht in Widerspruch zum Kläger setzen. Der aber wollte den Prozess nach der Berufungsinstanz nicht mehr fortsetzen und hatte das den Nebenintervenienten und dem BGH auch mitgeteilt. Er war dabei allerdings nicht durch einen am BGH zugelassenen Rechtsanwalt vertreten worden (§ 78 Abs. 3 ZPO).

Entscheidung

„Die Nichtzulassungsbeschwerde der Streithelfer ist als unzulässig zu verwerfen.Sie ist durch den im Schriftsatz des Instanzanwalts des Klägers vom 17. Dezember 2014 erklärten Widerspruch gegen die Weiterführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens […] unzulässig geworden.

Der durch den Instanzanwalt des Klägers ausgesprochene Widerspruch des Klägers gegen die „Weiterführung der Nichtzulassungsbeschwerde“ führt zur Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde, weil die Weiterführung der Nichtzulassungsbeschwerde damit der ausdrücklichen Erklärung der Hauptpartei widerspricht, § 67 ZPO. Widerspricht die Hauptpartei zweifelsfrei der Fortführung des Prozesses, so ist ein Rechtsmittel des – wie hier – nicht streitgenössischen Streithelfers unzulässig […].

Der Widerspruch der Hauptpartei ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auch dann zu berücksichtigen, wenn er nicht durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt erklärt wird. Der Widerspruch unterliegt nicht dem Anwaltszwang […].

Er muss noch nicht einmal ausdrücklich erklärt werden; schlüssiges Verhalten reicht aus, wenn sich daraus zweifelsfrei der Wille der Hauptpartei ergibt, den Prozess nicht fortführen zu wollen […]

Ob die spätere Eröffnung des Insolvenzverfahrens im vorliegenden Fall zu einer Unterbrechung des Verfahrens gem. § 240 ZPO geführt hat, kann offenbleiben. Ein Rechtsmittel, das bereits vor der Unterbrechung des Verfahrens unzulässig war, kann in entsprechender Anwendung des § 249 Abs. 3 ZPO auch während der Unterbrechung des Verfahrens verworfen werden […].“

tl;dr: Der Widerspruch i.S.d. § 67 Hs. 2 ZPO unterliegt weder dem Anwaltszwang, noch bedarf er einer bestimmten Form.

Anmerkung/Besprechung, BGH, Beschluss vom 21.07.2015 – II ZR 177/14. Foto: Tobias Helfrich | www.wikimedia.org | CC BY-SA 3.0