Entscheidung
Das Landgericht nimmt zur Begründung zunächst Bezug auf einen Beschluss des Kammergerichts vom 14.10.1999 – 2 W 6870/99, nach dem § 93 ZPO auch auf gesellschaftsrechtliche Anfechtungsklagen anwendbar sein soll, wenn die Gesellschaft aus zwei Gesellschaftern bestehe. Um eine Kostenentscheidung gem. § 93 ZPO zu vermeiden müsse der klagewillige Gesellschafter den anderen Gesellschafter zuvor auffordern, den anzufechtenden Beschluss wieder aufzuheben.
Auf diese Entscheidung nimmt das LG Aachen Bezug und schließt sich dem auch für eine aus drei Personen bestehende GmbH an, hält aber nicht den bzw. die anderen Gesellschafter für den richtigen Adressaten einer Aufforderung zur Aufhebung des Beschlusses, sondern die Gesellschaft:
„Ansprechpartner für die Anfechtungsklage sind nicht die Gesellschafter, sondern die Gesellschaft, vertreten durch den Geschäftsführer.
Zwar kann der Geschäftsführer der Gesellschaft keine verbindliche Erklärung dazu abgeben, dass die Gesellschaft nicht mehr an dem angefochtenen Beschluss festhalten will, da diese Erklärung keine Gestaltungswirkung hat.
Jedoch kann ein auf die Fehlhaftigkeit des gefassten Beschlusses rechtzeitig hingewiesener Geschäftsführer ohne Weiteres eine Gesellschafterversammlung einberufen, um auf diesem Wege gemeinsam mit den betroffenen Gesellschaftern den gefassten Beschluss wieder aufzuheben."
Auch die Fristbindung stehe der Anwendung von § 93 ZPO nicht entgegen:
„Um eine solche Maßnahme in Gang zu setzen, hatte der Kläger vor Klageerhebung ausreichend Gelegenheit.
Er war ausweislich des Protokolls auf der Gesellschafterversammlung vom 23.10.2014 zugegen, hatte also unmittelbare Kenntnis von den nunmehr gerügten Verstößen. Nach der vorgelegten Satzung der Beklagten können Gesellschafterbeschlüsse innerhalb von sechs Wochen nach Empfang der Niederschrift durch Klage angefochten werden. Dies bedeutet, dass der Kläger vom 08.11.2014 (Zugang des Protokolls) sechs Wochen lang Zeit hatte, eine fristgemäße Anfechtungsklage zu erheben. Rechnet man den Zeitraum ab dem 23.10.2014 hinzu, so standen dem Kläger sogar mehr als acht Wochen zur Verfügung, um zu den ihm bekannten Beschlussfassungen auf der Gesellschafterversammlung Rechtsrat einzuholen und auf der Basis dieses Rates seine weitere Vorgehensweise zu planen.
Da angesichts der Eindeutigkeit der Rechtslage weder die Erteilung eines solchen Rechtsrates noch die etwaige Reaktion der Beklagten bei Hinweis des Klägers auf eine beabsichtigte Anfechtungsklage längere Zeiträume in Anspruch nehmen durften, war es dem Kläger ohne Weiteres - auch zeitlich - zuzumuten, im Fall vor der Erhebung der Anfechtungsklage die Beklagte entsprechend abzumahnen und aufzufordern, die angefochtenen Beschlüsse im Rahmen einer erneuten Beschlussfassung, die auch im schriftlichen Verfahren hätte erfolgen können, aufzuheben.
Damit hätte er, wie sich aus dem sofortigen Anerkenntnis schlussfolgern lässt, die Erhebung der Klage verhindern können.
Da er aber eine Abmahnung unterlassen und darüber hinaus auch im Rahmen der Gesellschafterversammlung nicht auf die Unzulässigkeit der gefassten Beschlüsse hingewiesen hat, hat die Beklagte für die Klageerhebung mangels fehlender Abmahnung keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben.“
Anmerkung
Nach wohl h.M. ist § 93 ZPO jedenfalls dann auf Beschlussmängelklagen anzuwenden, wenn aufgrund eines überschaubaren Gesellschafterkreises die Möglichkeit besteht, den Beschluss innerhalb der Anfechtungsfrist aufzuheben (s. KG, Beschluss vom 29. 6. 2005 – 2 W 6/05, OLG Naumburg, Beschluss vom 22. 10. 1997 – 7 W 34/97; BeckOK-ZPO/Jaspersen/Wache, § 93 Rn. 74; anders OLG Stuttgart, Beschluss vom 23. 7. 2001 – 20 W 4/01, unentschieden OLG Frankfurt, Beschluss v. 30.03.1992 – 5 W 4/92).
Dabei erscheint schon fraglich, ob bei einer Beschlussmängelklage ein Anerkenntnis überhaupt möglich ist, schließlich steht der Bestand des Beschlusses der Gesellschafterversammlung nicht zur Disposition der Geschäftsführer (ablehnend daher z.B. OLG München, Urteil v. 27.03.1996 - 7 U 6037/95; LG Koblenz, Urteil v. 16.12.2003 - 4 O 146/03; Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, 11. Aufl. 2012-2013, § 46 Rn. 159; anders m. ausf. Begründung Bork, ZIP 1992, 1205 ff.). Aus diesem Grund soll beispielsweise auch bei der Anfechtungsklage gem. § 46 WEG ein Anerkenntnis ausgeschlossen sein (AG Wiesbaden, Schlussurteil v. 07.10.2011 - 92 C 3285/11).
Selbst wenn man ein Anerkenntnis für möglich hält, überzeugt die von der h.M. vorgenommene Differenzierung nicht. Bei einer aus nur wenigen Personen bestehenden Gesellschaft mag es zwar im Einzelfall möglich sein, den Beschluss innerhalb der Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage aufzuheben. Ab wann dies nicht mehr möglich ist, lässt sich aber kaum rechtssicher abgrenzen, so dass sich für den „klagewilligen" Gesellschafter eine erhebliche Rechtsunsicherheit ergibt. Im Interesse der Rechtssicherheit sollte § 93 ZPO daher auf Beschlussmängelklagen nicht angewendet werden.
Aus anwaltlicher Vorsicht erscheint aber eine kurzfristige Aufforderung an den Geschäftsführer bzw. Vorstand (und ggf. sicherheitshalber auch an die Mitgesellschafter) jedenfalls bei einem überschaubaren Gesellschafterkreis unbedingt geboten.
tl;dr: Wer den Beschluss einer Gesellschaft mit bis zu drei Gesellschaftern anficht, muss i.d.R. zuvor den Geschäftsführer auf die Mangelhaftigkeit des Beschlusses hinweisen. Anderenfalls sind ihm im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses gem. § 93 ZPO die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Anmerkung/Besprechung, LG Aachen, Urteil vom 22.01.2015 – 41 O 75/14.
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