Urteilsergänzung oder Protokollberichtigung?

ComQuat wikimedia.org CC BY-SA 3.0Wenig Neues aber eine anschauliche Darstellung des Verfahrens und der Voraussetzungen der Urteilsergänzung gem. § 321 ZPO bringen zwei prozessierende Anwälte und ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.09.2013 – I ZR 133/12.

Sachverhalt

Die Klägerin hatte den Beklagten (unter anderem) auf Unterlassung und Aufwendungsersatz (Abmahnkosten) in Anspruch genommen. Das Berufungsgericht hatte den Aufwendungsersatzanspruch im Gegensatz zum Gericht erster Instanz zwar für begründet gehalten. In die am Ende der Sitzung verkündete Entscheidung war ein entsprechender Zahlungstenor jedoch nicht aufgenommen worden. Das Berufungsgericht hatte daher – gegen den Widerspruch des Beklagten – schlicht das Protokoll nachträglich gem. § 164 ZPO um den fehlenden Zahlungstenor ergänzt.

Urteile sind gem. §§ 310, 311 ZPO  zu verkünden; entweder am Schluss der jeweiligen Sitzung bzw. des jeweiligen Sitzungstages oder in einem sog. Verkündungstermin. Mit der Verkündung wird das Urteil wirksam und kann grundsätzlich von dem erkennenden Gericht nicht mehr geändert werden. Von diesem Grundsatz normieren die §§ 319 -321 ZPO jedoch einige eng begrenzte Ausnahmen. Gem. §319 kann das Gericht offensichtliche Unrichtigkeiten berichtigen, gem. § 320 ZPO wegen der Beurkundungswirkung des § 314 ZPO (auch nicht offensichtliche) Unrichtigkeiten des Tatbestands. Ist das Urteil aber unvollständig (fehlt z.B. ein Teil der Kostenentscheidung oder wie hier ein Teil des Tenors) so ist das Urteil gem. § 321 ZPO zu ergänzen. Eine solche Urteilsergänzung setzt zunächst einen darauf gerichteten fristgebundenen Antrag einer Partei voraus (Abs. 2). Über diesen Antrag ist dann mündlich zu verhandeln (Abs. 3 und 4) und schließlich durch Urteil (und nicht durch Beschluss wie bei §§ 319, 320 und 321a ZPO) zu entscheiden.

Das Oberlandesgericht Hamm hatte es sich hier jedoch einfacher gemacht und schlicht das Verkündungsprotokoll um den „vergessenen" Zahlungstenor ergänzt (§ 164 ZPO).

Entscheidung

Dieses Vorgehen hält der Bundesgerichtshof für unzulässig:

„Nach § 164 Abs. 1 ZPO können nur Unrichtigkeiten des Protokolls jederzeit berichtigt werden. Das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 29. März 2012 war jedoch nicht unrichtig. Wie sich der Verfügung des Vorsitzenden des Berufungssenats vom 16. April 2012 entnehmen lässt, ist "aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen versäumt worden, bei der Abfassung des Tenors den Zahlungsanspruch zu berücksichtigen". Damit ist die Fassung des Urteilstenors gemäß dem ursprünglichen Sitzungsprotokoll vom 29. März 2012 also ohne Ausspruch über den geltend gemachten Zahlungsan-trag richtig. Eine dem tatsächlich verkündeten Inhalt widersprechende Berichtigung des Urteilstenors kommt nach § 164 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht. Zweck des Protokolls ist es, die in § 160 ZPO genannten Förmlichkeiten im Hinblick auf Inhalt und Gang der mündlichen Verhandlung darunter auch die Verkündung eines Urteils (§ 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO) zu beurkunden. Insofern genießt das Protokoll gemäß § 165 ZPO öffentlichen Glauben. Auch bei Beachtung der Ordnungsvorschriften über die Protokollberichtigung (§ 164 Abs. 3 ZPO) hätte danach keine wirksame Ergänzung des am Schluss der Sitzung vom 29. März 2012 verkündeten Urteilstenors im Wege einer Protokollberichtigung vorgenommen werden können."

Der Zahlungstenor sei somit nicht wirksam gem. §§ 310, 311 ZPO verkündet worden und das Berufungsverfahren insoweit noch nicht abgeschlossen. Der Bundesgerichtshof erklärt dem OLG Hamm auch gleich noch, wie man es richtig hätte machen müssen:

„Die erforderliche Ergänzung des Urteils hätte vielmehr im Wege einer Urteilsergänzung gemäß § 321 ZPO erfolgen müssen. Auf den fristgerechten Antrag der Klägerin im Schriftsatz vom 1. April 2012 hätte das Berufungsgericht Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumen, über den übergangenen Zahlungsantrag verhandeln und diesen bescheiden müssen (§ 321 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Mit der Ladung zum Verhandlungstermin hätte dem Beklagten der den Antrag enthaltende Schriftsatz der Klägerin vom 1. April 2012 zugestellt werden müssen (§ 321 Abs. 3 Satz 2 ZPO).“

Auch durch die Zustellung des – fehlerhaft ergänzten – Urteilstenors sei dieser Formmangel nicht geheilt.

"In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar anerkannt, dass es mit dem Wesen der Verkündung nicht unvereinbar ist, wenn ein Urteil statt durch Verkündung in öffentlicher Sitzung durch Zustellung verkündet wird, weil darin lediglich ein auf die Wahl der Verlautbarung beschränkter Verfahrensfehler liegt (vgl. BGH, NJW 2004, 2019, 2020).

Im vorliegenden Fall hat sich das Berufungsgericht jedoch für eine bestimmte Form der Verkündung entschieden und die Urteilsformel in öffentlicher Sitzung verlesen. In dieser Verfahrenssituation konnte es die Verlautbarung eines versehentlich übergangenen Ausspruchs nicht durch Zustellung des mit Gründen versehenen Urteils nachholen. Mit dem Wesen der Verkündung ist es unvereinbar, die einmal verlautbarte Urteilsformel durch Zustellung einer unwirksam berichtigten Fassung des Urteilstenors zu ergänzen, weil auf diese Weise zwei einander widersprechende Urteilsformeln in Umlauf gesetzt werden. Eine Urteilsergänzung kann allein im Verfahren gemäß § 321 ZPO erfolgen.“

Anmerkung/Besprechung, BGH, Urteil vom vom 24.09.2013 – I ZR 133/12.

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