BGH: VW-Händler und VW AG sind Streitgenossen bei Klagen im sog. Abgasskandal
Entscheidung
Der X. Zivilsenat hat das bereits mit der Sache befasste Landgericht Ellwangen als zuständiges Gericht bestimmt:„1. Die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind erfüllt.
a) Die Beklagten werden als Streitgenossen im Sinne von §§ 59, 60 ZPO in Anspruch genommen.
Die hier allein in Betracht kommende Streitgenossenschaft nach § 60 ZPO setzt voraus, dass gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden. Die Vorschrift ist, wovon der Vorlagebeschluss und der Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg übereinstimmend ausgehen, grundsätzlich weit auszulegen. Es genügt, dass die Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt (…).
Die gegen den Verkäufer und den Hersteller gerichteten Ansprüche sind ihrem Inhalt nach gleichartig, weil sie jeweils darauf gerichtet sind, den Kläger von den Folgen seiner Kaufentscheidung zu befreien. Sie werden auf einen im Wesentlichen gleichen Lebenssachverhalt gestützt, beruhen also auf im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen Gründen:
Maßgeblicher Anknüpfungspunkt des Klagevorbringens gegen beide Beklagte sind der Schadstoffausstoß und Kraftstoffverbrauch des verkauften Fahrzeugs, darauf bezogene werbende Äußerungen der Beklagten zu 2 und deren Einfluss auf die Kaufentscheidung der Klägerin. Dass weitere Sachverhaltselemente nur im Verhältnis zur einen oder zur anderen Beklagten relevant sein mögen, ist unschädlich, denn § 60 ZPO verlangt nicht, dass die anspruchsrelevanten Sachverhalte deckungsgleich sind.
Auch in rechtlicher Hinsicht sind die Anspruchsgründe im Wesentlichen gleichartig, denn die in Rede stehenden Herstellerangaben stellen nach der Klagebegründung unter kaufrechtlichen wie deliktsrechtlichen Gesichtspunkten ein wesentliches Anspruchselement dar. Sie sind nicht nur unmittelbarer Anknüpfungspunkt für die gegen die Beklagte zu 2 erhobenen Ansprüche aus unerlaubter Handlung, sondern im Hinblick auf ihre mögliche Bedeutung für die Sollbeschaffenheit der Kaufsache (§ 434 Abs. 1 Satz 3 BGB) auch für die geltend gemachten Gewährleistungsansprüche von zentraler Bedeutung.
Die nur im Verhältnis zu einzelnen Beklagten relevanten zusätzlichen Aspekte (Erfordernis einer Gelegenheit zur Nacherfüllung einerseits, Zurechnungs- und Kausalitätsfragen andererseits) stehen entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Nürnberg rechtlich nicht derart im Mittelpunkt, dass sie die wesentliche Gleichartigkeit des Anspruchsgrundes in rechtlicher Hinsicht in Frage stellen könnten.
b) Die Beklagten haben ihren allgemeinen Gerichtsstand bei verschiedenen Gerichten.
c) Unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann dahinstehen, ob für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet ist. Zur Vermeidung einer auf Zuständigkeitszweifeln beruhenden Verfahrensverzögerung, die mit einer Klärung der Zuständigkeitsfrage durch klageabweisendes Prozessurteil und Rechtsmittel verbunden wäre, genügt es, dass das angerufene Landgericht Ellwangen seine örtliche Zuständigkeit für die Klage gegen die Beklagte zu 2 verneinen möchte (…).
2. Für die Bestimmung des Landgerichts Ellwangen als zuständiges Gericht sprechen Erwägungen der Prozesswirtschaftlichkeit, da der Rechtsstreit dort bereits anhängig ist und einigen Fortgang genommen hat. Der bundesweit am Markt auftretenden Beklagten zu 2 ist zudem eine Prozessführung am Sitz des jeweiligen Verkäufers eher zumutbar als diesem eine Prozessführung am Sitz des Kraftfahrzeugherstellers.
Vor diesem Hintergrund kommt es auch für Zwecke der Gerichtsstandsbestimmung nicht entscheidend darauf an, ob das Landgericht Ellwangen ohnehin nach § 32 ZPO auch für die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage zuständig ist.“