BAG zu Zeugnisverweigerungsrecht und prozessualer Wahrheitspflicht
Entscheidung
Das BAG hat sich der Auffassung des LAG angeschlossen:„1. Nach § 384 Nr. 1 ZPO besteht ein Zeugnisverweigerungsrecht über Fragen, deren Beantwortung u.a. dem Zeugen einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde. Der vermögensrechtliche Schaden für den Zeugen muss eine unmittelbare Folge der Beantwortung der Frage sein (…). Ein unmittelbarer Schaden droht, wenn die Beantwortung einer Frage die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Haftung des Zeugen als Schuldner, Mitschuldner, Bürge, Regressschuldner etc. begründet oder die Durchsetzung einer schon bestehenden Verpflichtung durch das Beweismittel der Aussage erleichtert werden könnte (…).
Der durch § 384 Nr. 1 ZPO vermittelte Schutz vor den nachteiligen Folgen einer wahrheitsgemäßen Aussage schließt ein Zeugnisverweigerungsrecht auch dann nicht von vornherein aus, wenn durch die Aussage die Durchsetzung eines eigenen Anspruchs des Zeugen erschwert werden könnte. Dies kann insbesondere in Betracht kommen, wenn der Zeuge durch seine Aussage dem Anspruchsgegner bisher unbekannte und von diesem vorzubringende rechtshindernde oder rechtsvernichtende Einwendungen offenbaren müsste. (…)
3. Die drohende Nichtrealisierung einer – ungeachtet des Vorliegens rechtshindernder oder rechtsvernichtender Einwendungen – ihren Anspruchsvoraussetzungen nach bereits nicht bestehenden Forderung kommt demgegenüber nicht als ein vermögensrechtlicher Schaden in Betracht, der mit einer Zeugenaussage unmittelbar i.S.v. § 384 Nr. 1 ZPO in Zusammenhang steht. Das Zeugnisverweigerungsrecht des § 384 Nr. 1 ZPO schließt die grundsätzliche Verpflichtung zur Zeugenaussage nicht hinsichtlich solcher Angaben aus, die der Zeuge in einem späteren Rechtsstreit in Erfüllung seiner Darlegungslast von sich aus wahrheitsgemäß (§ 138 Abs. 1 ZPO) vortragen müsste. Entsprechendes gilt für Umstände, deren Vorliegen die Gegenseite behauptet und zu denen sich der Zeuge bei entsprechendem Vortrag im Prozess gemäß § 138 Abs. 2 ZPO erklären müsste.
In diesen Fällen ist nicht die Zeugenaussage unmittelbar kausal für die erschwerte Durchsetzung der Forderung, sondern die allgemein zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess.
4. Gemessen daran droht dem drittbeteiligten Zeugen durch die Beantwortung der Frage, ob er Herrn H in das elektronische Mitgliederverzeichnis aufgenommen habe, kein unmittelbarer vermögensrechtlicher Schaden. Seine Aussage kann die Durchsetzung eines berechtigten Anspruchs nicht erschweren. (...) Der Beklagte geht unabhängig von einer Aussage des drittbeteiligten Zeugen bereits heute davon aus, dass dieser an der behaupteten Manipulation beteiligt war. (…) Beruft sich der Beklagte als Kündigungsgrund auf eine (direkte oder indirekte) Manipulation des Mitgliederverzeichnisses durch den drittbeteiligten Zeugen, hat sich dieser gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hierzu vollständig und insbesondere wahrheitsgemäß zu erklären.“