Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens macht Antragsgegner zum Kostenschuldner

Auch der Antragsgegner/Beklagte kann bekanntlich seinen Widerspruch gegen einen Mahnbescheid weiterverfolgen und selbst gem. § 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragen, wenn das Verfahren nach Eingang des Widerspruchs vom Antragsteller nicht weiter betrieben wird. Dass dies allerdings unerwünschte Folgen für den Antragsgegner haben kann, zeigt ein aktueller Beschluss des LG Essen vom 26.06.2017 – 12 O 33/17.

Sachverhalt

Die klagende Partei hatte gegen die Beklagte einen Mahnbescheid erwirkt, das Mahnverfahren dann aber nicht weiter betrieben. Deshalb beantragte die Beklagte, das streitige Verfahren durchzuführen (§ 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Mahngericht gab die Sache deshalb an das Landgericht Essen als Streitgericht ab, das von der Beklagten die noch fehlenden 2,5 Gerichtsgebühren forderte. Gegen diese Kostenrechnung des Landgerichts wendete sich die Beklagte mit der Erinnerung gem. § 66 GKG.

Ist die Klageforderung auf die Zahlung von Geld gerichtet und nicht von einer Gegenleistung abhängig oder die Gegenleistung erbracht (§ 688 Abs. 1, 2 Nr. 2 ZPO) und besteht die Möglichkeit, dass die beklagte Partei sich nicht verteidigen wird, ist das Mahnverfahren die günstigste Möglichkeit, einen Titel zu erhalten. Denn im Mahnverfahren muss die antragstellende Partei lediglich eine 0,5 Gerichtsgebühr verauslagen, während im Klageverfahren drei Gerichtgebühren fällig werden. Legt der Antragsgegner gegen den Mahnbescheid Widerspruch oder gegen den Vollstreckungsbescheid Einspruch ein, wird das Verfahren auf Antrag einer der Parteien (§ 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO, in der Regel der klagenden Partei) an das Streitgericht abgegeben und dort als normales streitiges Verfahren fortgesetzt. Mit der Abgabe an das Streitgericht werden aber auch die verbleibenden 2,5 Gerichtsgebühren fällig. Beantragt die klagende Partei die Abgabe, hat diese selbstverständlich die weiteren Gerichtsgebühren einzuzahlen. Hier hatte aber die Antragsgegnerin die Abgabe an das Streitgericht beantragt. Fraglich war daher, ob auch dann der Antragsteller die 2,5 Gebühren verauslagen muss (weil es sich beim streitigen Verfahren um eine Fortsetzung des Mahnverfahrens handelt und damit um die gleiche Instanz) oder ob die Gebühren in einem solchen Fall vom Antragsgegner zu verauslagen sind (weil es sich beim streitigen Verfahren um eine neue Instanz handelt und der Antragsgegner diese durch seinen Abgabeantrag eingeleitet hat).

Entscheidung

Das Landgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen:

„Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 GKG ist die Gebühr für das Verfahren im ersten Rechtszug mit Abgabe des Verfahrens an das Landgericht Essen fällig geworden.

Die Beklagte ist Kostenschuldnerin im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 GKG. Danach schuldet in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten mit Ausnahme der Restitutionsklage nach § 580 Nr. 8 ZPO die Kosten, wer das Verfahren des Rechtszuges beantragt hat. Das Mahnverfahren und das anschließende streitige Verfahren sind kostenrechtlich als eigenständige Rechtszüge im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 GKG anzusehen (…).

Im Kostenverzeichnis zum GKG ist das Mahnverfahren als eigenes Verfahren im Hauptabschnitt 1 geregelt, während der erste Rechtszug des Zivilprozesses vor den ordentlichen Gerichten unter dem Hauptabschnitt 2 zusammengefasst ist. Während für das Mahnverfahren nach Nr. 1100 des Kostenverzeichnisses nur eine halbe Gerichtsgebühr anfallt, werden für das Verfahren im Allgemeinen im ersten Rechtszug nach Nr. 1210 des Kostenverzeichnisses 3,0 Gebühren berechnet, wobei die halbe Gebühr aus dem Mahnverfahren angerechnet wird. Ein Antragsgegner, der im Mahnverfahren beantragt, das Verfahren an das zuständige Prozessgericht abzugeben, hat durch diesen Antrag veranlasst, dass die Gebühren für den ersten Rechtszug nach Nr. 1210 des Kostenverzeichnisses anfallen.

Auch wenn man das Mahnverfahren lediglich als eine Vorstufe des Streitverfahrens ansieht, so wird der erste Rechtszug des Streitverfahrens im Sinne des Hauptabschnitts 2 des Kostenverzeichnisses erst durch den Abgabeantrag eingeleitet.

Auch die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 2 GKG, wonach im Verfahren nach dem Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid derjenige die Kosten schuldet, der den Vollstreckungsbescheid beantragt hat, bestätigt, dass ein Antragsgegner, der nach Erhebung des Widerspruchs einen Abgabeantrag stellt, die Kosten für das streitige Verfahren zu tragen hat. Denn würde man kostenrechtlich davon ausgehen, dass nach einer Abgabe im Mahnverfahren immer der Antragsteller die Kosten zu tragen hat, wäre diese Ausnahmeregelung überflüssig (…).“

Anmerkung

Das entspricht – auch wenn es vielleicht nicht gerade intuitiv sein mag – der absolut herrschenden Ansicht (OLG Oldenburg, Beschluss vom 18.04.2016 – 6 W 37/16; KG, Beschluss vom 13.11.1979 – 1 W 3437/79; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.06.1996 – 10 W 50/96; Volpert/Fölsch/Kopf in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Auflage 2017, § 22 Rn. 48; Dörndorfer in: Binz, GKG, 3. Aufl. 2014, § 22 Rn. 10; anders aber OLG Koblenz, Beschluss vom 16.03.2015 – 14 W 162/15). Und dieses Ergebnis ist im Grunde auch interessengerecht, weil allein die Tatsache, dass ein Mahnbescheid gegen sie „in der Welt“ ist, die beklagte Partei  nicht belastet. Allein daraus ergibt sich folglich kein schützenswertes Interesse der beklagten Partei, die Durchführung des streitigen Verfahrens zu beantragen, ohne dafür auch die Kosten tragen zu müssen. Problematisch ist allerdings, dass das Mahnverfahren keine Möglichkeit der Kostenerstattung wie z.B. im § 494a ZPO vorsieht. Hat der Antragsgegner schon im Mahnverfahren einen Rechtsanwalt beauftragt und verfolgt der Antragsteller das Mahnverfahren nach dem Widerspruch nicht weiter, kann er die entstandenen Auslagen nur geltend machen, indem er selbst den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens stellt. Dass er dann dafür erheblich in Vorleistung gehen muss, scheint wenig interessengerecht. Trotz der praktischen Relevanz wird die Frage wegen §§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG – abgesehen von einer eher unwahrscheinlichen Klarstellung durch den Gesetzgeber – wohl nicht geklärt werden. Vielen Dank übrigens an den Kollegen Florian Kockentiedt, der mich auf die Entscheidung aufmerksam gemacht hat! tl;dr: Hat die beklagte Partei gegen den Mahnbescheid Widerspruch eingelegt und die Abgabe an das Prozessgericht beantragt, hat sie und nicht die klagende Partei den weiteren Gerichtskostenvorschuss einzuzahlen. Anmerkung/Besprechung, LG Essen, Beschluss vom 26.06.2017 – 12 O 33/17. Foto: wikimedia | CC0