„Attacke auf den Bankenschreck“ oder „Viel Lärm um nichts“?

Im Wirtschaftsteil der heutigen Süddeutschen Zeitung findet sich ein relativ ausführlicher Artikel über das Hypo-Real-Estate-Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht München (online hier). Unter der markigen Überschrift „Attacke auf den Bankenschreck" wird darüber berichtet, dass die Anwälte der Hypo Real Estate (HRE) dem OLG kürzlich einen sechsseitigen Schriftsatz geschickt hätten, in dem der fünfte Zivilsenat „heftigst angegangen wird". Aus diesem Schriftsatz ergebe sich, dass die Bank Zweifel am Willen des Senats habe, das Verfahren mit der „erforderlichen Sachlichkeit und Unvoreingenommenheit" zu führen. Das Gericht leiste sich „offenkundige Fehler", Hinweise des Gerichts seien „entweder falsch oder ungebührlich oder erfolgten sogar ohne jede Rechtsgrundlage". Die HRE werde die Prozessführung des Senats „nicht dauerhaft hinnehmen". Zudem ärgere man sich über die „plakative Ladung" der heutigen HRE-Chefin Manuela Better. Nach Ansicht der SZ dürfe man „gespannt sein, wie sich das OLG verhält, wenn der Prozess am heutigen Dienstag fortgesetzt wird."

Zum Hintergrund muss man vielleicht wissen, dass der Vorsitzende des fünften Zivilsenats am OLG München, Guido Kotschy, zwar vor seinem Jurastudium eine Banklehre gemacht hat, ihn dies aber nicht davon abhält, auch gegenüber Vorstandvorsitzenden deutscher Großbanken relativ forsch aufzutreten. Diese Erfahrung hatte schon die Deutsche Bank in dem Verfahren gegen Leo Kirch bzw. dessen Erben machen müssen. Auch deshalb hat ihm irgendjemand den Titel „Bankenschreck" angehängt.

Um zum Artikel in der SZ zurückzukommen: So richtig gespannt musste eigentlich niemand sein. Denn sollte der Schriftsatz lediglich eine allgemeine Unmutsäußerung der Anwälte darüber sein, dass das Verfahren für die HRE bislang nicht nach Plan läuft (dafür spricht wenig), dann wird der Senat das wohl geflissentlich ignorieren. So wie er es den Medienberichten zufolge auch getan hat. Sollte der Schriftsatz dagegen einen Befangenheitsantrag gegen den Senat bzw. dessen Vorsitzenden vorbereiten (dafür spricht mehr), dann ist er erschreckend substanzlos, wenn sein Inhalt nicht über die im Artikel genannten Aussagen hinausgeht. Einen Grund, der i.S.d. § 42 Abs. 2 ZPO „geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen", ist dem im Artikel genannten Inhalt des Schriftsatzes nämlich nicht zu entnehmen.

Will man einen Richter wegen seiner Verhandlungsführung (und nicht wegen außerhalb des Verfahrens liegender Umstände) ablehnen, sind die Hürden bekanntlich zu Recht sehr hoch. Und sie sind noch höher, wenn es im Ergebnis um rechtliche Fragen und nicht um die Verhandlungsführung im eher technischen Sinne geht. Die im Artikel genannten Gründe reichen dafür jedenfalls nicht, selbst wenn man einmal unterstellt, das OLG München wäre juristisch völlig auf dem Holzweg. Denn rechtliche Fehler des Gerichts können allein keine Zweifel an der Unvoreingenommenheit begründen. Erst recht muss dies für richterliche Hinweise gelten, da die ZPO das Gericht deutlich dazu auffordert, mit den Parteien das Rechtsgespräch zu suchen und das Verfahren aktiv zu fördern.

Besonders schön finde ich aber den Hinweis auf die „plakative Ladung" der Vorstandsvorsitzenden. Auch den Anwälten der HRE werden die Vorschriften der §§ 141 Abs. 1 Satz 1, 278 Abs. 3 ZPO wohl bekannt sein. Und den Medienberichten über die heutige Verhandlung ist zu entnehmen, dass der Senat heute nochmals auf eine gütliche Einigung gedrängt hat. Die Vorstandsvorsitzende der Beklagten zu laden entspricht dann exakt dem Regelungszweck des § 278 Abs. 3 ZPO; daraus einen Befangenheitsgrund zu „stricken" erscheint mir dann doch allzu sportlich. Und wenn es um die Anhörung von Vorstandsvorsitzenden geht, muss man noch wissen, dass der fünfte Zivilsenat im Kirch-Prozess mit der Anhörung des heutigen Co-Vorstandvorsitzenden der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, ziemlich gute Erfahrungen gemacht hat.

Also wohl eher: Viel Lärm um nichts.