Auch instruierter Vertreter schützt nicht immer vor Ordnungsgeld

Mit einer ganzen Reihe grundsätzlicher Fragen zur Verhängung eines Ordnungsgelds gem. § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO befasst sich der Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 1.8.2013 – 7 W 43/13.

Insbesondere zeigt der Beschluss, dass auch die Entsendung eines sachkundigen Vertreters nicht zwingend die Verhängung eines Ordnungsgeldes verhindert.

 

Gem. § 141 Abs. 1 Satz 1 ZPO soll das Gericht das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen, „wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint“. Diese Regelung ist äußerst sinnvoll: Denn wenn die Parteien über Vorgänge streiten, die sie selbst wahrgenommen haben, ist eine Befragung der Parteien zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts oft besser geeignet als eine Beweisaufnahme. Nicht selten wird nach einer ausführlichen Anhörung der Parteien auch eine Beweisaufnahme entbehrlich sein (weil der Vortrag entweder unschlüssig oder unerheblich geworden ist).

Die Anordnung des persönlichen Erscheinens verpflichtet die Partei lediglich zur Anwesenheit, nicht aber zur Abgabe irgendwelcher Erklärungen. Verweigert die Partei hingegen Angaben zur Sache, wird dies Gericht dies allerdings im Rahmen von § 286 ZPO (kritisch) zu würdigen haben.

Erscheint die Partei nicht, riskiert die Verhängung eines Ordnungsgeldes, § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Von einem Ordnungsgeld kann das Gericht aber nach Satz 2 ZPO absehen, wenn die Partei einen sachkundigen sog. „instruierten Vertreter“ schickt, der nicht nur mit dem streitgegenständlichen Sachverhalt vertraut sondern auch zum Abschluss eines Vergleichs ermächtigt ist.

Im zu entscheidenden Fall war der zum Termin ordnungsgemäß geladene Beklagte zu 3) nicht erschienen. Der anwesende Beklagte zu 2) und der Prozessbevollmächtigte konnten zu der zwischen den Parteien offenbar streitigen Auftragserteilung nichts beitragen. Denn sie waren bei dem Gespräch nicht zugegen. Das Landgericht hatte daher gegen den Beklagten zu 3) ein Ordnungsgeld in Höhe von 200 EUR verhängt. Dagegen hatte sich der Beklagte zu 3) mit der sofortigen Beschwerde gewehrt, die das OLG Stuttgart als unbegründet zurückweist.

1.) Besonders hervorzuheben ist m.E. zunächst die Begründung, mit der das OLG sowohl den Prozessbevollmächtigten als auch den Beklagten zu 2) für ungeeignet hält. Denn nach Ansicht des OLG seien sowohl der Prozessbevollmächtigte als auch der Beklagte zu 2) als Vertreter i.S.d. § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO unabhängig von einer Instruktion durch den Beklagten zu 3) ungeeignet, weil sie bei der strittigen Besprechung nicht anwesend waren.

„Für den Prozessbevollmächtigten gelten, wie auch für den Beklagten Ziff. 2, dieselben Grundsätze wie für jeden Vertreter und insbesondere der Prozessbevollmächtigte einer Partei wird normalerweise über die übliche und beschränkte Unterrichtung in einem Mandantengespräch, wenn er nicht ausnahmsweise an Verhandlungen o. ä. der Parteien teilgenommen hat, keine ausreichenden und erst Recht keine umfassenden Sachverhaltskenntnisse aufweisen können […]

Zudem entspricht ein Vertreter nicht den Anforderungen des § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO, wenn bei Fragen des Gerichts zu unmittelbaren Wahrnehmungen der Partei ein zum Termin entsandter Vertreter keine eigenen Wahrnehmungen wiedergeben kann. Ein Vertreter, der nur erläutern kann, was ihm die Partei berichtet hat, ist in Fällen, in denen es (wie meist) auf den detaillierten Gegenstand und Inhalt bei strittigen Besprechungen und Verhandlungen ankommt, von vornherein ungeeignet, weil er dem Gericht nicht den erforderlichen persönlichen Eindruck vermitteln kann […].“ [Hervorhebung durch Bearb.]

Das hatte so übrigens auch schon das OLG Karlsruhe in einem hier öfters zitierten Beschluss vom 02.03.2012 – 9 W 69/11 entschieden. Gerade wenn (auch) der Inhalt eines Gesprächs streitig ist, an dem die Partei teilgenommen hat, dürfte es daher für Parteien in Zukunft äußerst riskant sein, nicht selbst zum Termin zu erscheinen.

2.) Sodann setzt sich das Gericht mit dem in der sofortigen Beschwerde vorgebrachten Einwand auseinander, die im Termin zu stellenden Fragen bzw. klärungsbedürftigen Punkte seien in der Ladung nicht genannt worden.

„Die Beschwerde verkennt, dass das Gericht nicht gehalten ist, mit der Ladung einer Partei in einer Terminsverfügung die konkret an eine Partei zu stellenden Fragen schriftlich anzukündigen und die „klärungsbedürftigen Punkte“ schriftlich vorab mitzuteilen. Eine „Anordnung des persönlichen Erscheinens der Parteien zur Aufklärung des Sachverhalts und für einen Güteversuch“, wie in der Terminsverfügung des Landgerichts vom 07.05.2013 oder eine ähnliche allgemeine Formulierung, ist für eine Anordnung des persönlichen Erscheinens und insbesondere für die Verhängung eines Ordnungsgeldes gem. § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO bei unentschuldigtem Ausbleiben einer Partei völlig ausreichend.“

3.) Nach Ansicht des OLG ist das Gericht mangels sog. Protokollförmlichkeit nicht gehalten, sachverhaltsaufklärende Fragen ins Protokoll aufzunehmen oder aber festzuhalten, dass von solchen Fragen seitens des Gerichts wegen offensichtlicher Zwecklosigkeit Abstand genommen wurde.

4.) Zuletzt verneint das OLG Ermessensfehler des Landgerichts. Insbesondere müsse das Gericht in seinem Ordnungsgeldbeschluss keine konkreten Feststellungen dazu treffen, dass und inwieweit die Aufklärung des Sachverhalts durch das Ausbleiben der Partei erschwert worden sei.

„Vielmehr reicht es aus, dass eine Erschwerung der Sachverhaltsfeststellungen durch das Ausbleiben der Partei jedenfalls in Betracht kommt […]. Das Gericht muss im Rahmen von § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO nicht die Erschwerung bestimmter Sachverhaltsfeststellungen konkret feststellen […]. Nur dann, wenn umgekehrt eine Erschwerung von Sachverhaltsfeststellungen durch das Ausbleiben der Partei nach den Umständen ausgeschlossen erscheint, kann dies der Festsetzung eines Ordnungsgeldes ausnahmsweise entgegenstehen.“

Anmerkung/Besprechung OLG Stuttgart, Beschl. v. 1.8.2013 – 7 W 43/13.

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