Aus der Praxis: Das Teilversäumnis- und Schlussurteil als prozessuale Sackgasse?

Vor längerer Zeit hatte ich hier die Zulässigkeit eines „einseitigen Kostenfeststellungsantrags“ als Alternative zur Erledigungserklärung zur Diskussion gestellt. Nun ist mir in den letzten Monaten mehrfach eine andere Konstellation begegnet, die – obwohl praktisch durchaus relevant – bislang offensichtlich kaum Aufmerksamkeit erfahren hat. Oder aber - gut möglich - ich übersehe etwas.

Ausgangssituation

Im Termin zur mündlichen Verhandlung erscheint für die beklagte Partei niemand. Da die Klage nicht in vollem Umfang schlüssig ist, erlässt das Gericht ein „Teilversäumnis- und Schlussurteil“ (vgl. OLG Hamm, Urteil v. 04.12.2015 – 9 U 116/15; LG Düsseldorf, Urteil vom 13.04.2011 – 110 O 89/10; BeckOK-ZPO/Elzer, § 301 Rn. 35; ). Darin verurteilt es teilweise die beklagte Partei durch Versäumnisurteil, entscheidet aber im Übrigen über die Hauptsache und die Kosten durch (echtes) Schlussurteil und quotelt die Kosten entsprechend. Gegen das Urteil legt die beklagte Partei form- und fristgerecht Einspruch ein. Und nach Durchführung einer Beweisaufnahme erweist sich die Klage insgesamt als unbegründet.

Problemstellung

In der Hauptsache wird das Gericht deshalb das Versäumnisurteil aufheben und die Klage vollständig abweisen (terminologisch insoweit interessant, als es sich um ein auf ein Schlussurteil folgendes Schlussurteil handelt). Dem folgend wären abweichend von der Kostenentscheidung im Teilversäumnis- und Schlussurteil die Kosten des Rechtsstreits vollständig (mit Ausnahme der Säumniskosten, § 344 ZPO) der klagenden Partei aufzuerlegen. Das ist allerdings nicht so einfach möglich. Denn die beklagte Partei hat nur gegen das Teilversäumnisurteil Einspruch eingelegt, nicht aber zugleich auch das Schlussurteil angegriffen, mit dem über die Kosten des Rechtsstreits entschieden wurde. Das Schlussurteil (ergo: Die Klageabweisung und die Kostenentscheidung) ist deshalb in Rechtskraft erwachsen. Ergeht zunächst ein (isoliertes) Teilurteil, das angegriffen wird, so ist allgemein anerkannt, dass der darauf entfallende Teil der späteren Kostenentscheidung im Schlussurteil ebenfalls angegriffen werden muss, soll dieser nicht in Rechtskraft erwachsen (BGH, Beschluss vom 09.04.1956 – II ZR 135/55; OLG Hamm, Urteil vom 31.05.2000 – 12 U 41/00; sehr deutlich in einem Anwaltshaftungsfall dazu BGH, Beschluss vom 26.06.1986 - V ZR 15/86). Nur weil beide Entscheidungen im Ausgangsfall gleichzeitig ergehen und in einer „Urteilsurkunde“ zusammengefasst werden, kann m.E. nichts anderes gelten. Das Ergebnis wäre also ein Schlussurteil, in dem die Klage abgewiesen wird, die Kosten des Rechtsstreits aber trotzdem vollständig der beklagten Partei auferlegt werden.

Mögliche Lösung

Richtigerweise müsste die beklagte Partei neben dem Einspruch gegen das Teilversäumnisurteil wohl auch Berufung gegen das Schlussurteil einlegen, soweit ihr darin die Kosten auferlegt werden. Und richtigerweise müsste die Rechtsbehelfsbelehrung des Teilversäumnis- und Schlussurteils darauf hinweisen, § 232 ZPO. (Die Wertgrenze in § 511 Abs. 2 ZPO dürfte für die Berufung gegen die Kostenentscheidung übrigens nicht gelten, weshalb auch in amtsgerichtlichen Streitigkeiten eine Berufung gegen die Kostenentscheidung im Schlussurteil zulässig sein dürfte, BGH, NJW 1959, 578 und NJW 1984, 495.) Damit würde das Verfahren allerdings wenig zweckmäßig auf zwei Instanzen aufgeteilt. Die ZPO kennt übrigens einen Lösungsweg, der es in genau solchen Konstellationen ermöglicht, Sachentscheidung und Kostenentscheidung zu trennen, ohne dass allein deshalb ein weiterer Verhandlungstermin notwendig wäre: Das Gericht könnte nämlich zunächst durch Teilversäumnisurteil und Teilurteil in der Hauptsache entscheiden und die Entscheidung über die Kosten dem Schlussurteil vorbehalten. Und nachdem die Einspruchsfrist abgelaufen ist (oder nach einer Entscheidung über den Einspruch), kann das Gericht dann gem. § 128 Abs. 3 ZPO im schriftlichen Verfahren über die Kosten des Rechtsstreits durch Schlussurteil entscheiden. Und das, ohne dass dafür die Zustimmung der Parteien notwendig wäre. Mir stellt sich nur die Frage, ob man diesen Weg wirklich gehen muss, denn ich habe davon noch nirgendwo gelesen und dieses Vorgehen auch noch nie gesehen. Übersehe ich irgendetwas? Und: Gilt dasselbe dann nicht sogar immer, wenn durch Teilversäumnis- und Schlussurteil entschieden wird, also beispielsweise auch bei § 331 Abs. 3 Satz 3 ZPO? Foto: geralt | pixabay.de | CC0