Beachtlichkeit des Bestreitens bei „abweichendem“ Ergebnis der Beweisaufnahme
Entscheidung
Der BGH den Beschluss des OLG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen:„1. Zwar geht das Berufungsgericht zutreffend und von der Revision nicht angegriffen davon aus, dass der Kläger für den behaupteten Behandlungsfehler (§ 630a Abs. 2 BGB) nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast trägt. Da nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kein für die Beklagte vollbeherrschbares Risiko vorlag, wird ein Behandlungsfehler nicht gemäß § 630h Abs. 1 BGB zugunsten des Klägers vermutet (…).
Die Revision beanstandet aber mit Erfolg, dass das Berufungsgericht angenommen hat, die Beklagte habe den Vortrag des Klägers – der Arzt habe keine Handschuhe getragen, keine Handreinigung durchgeführt und eine Spritze verwendet, die ihm zuvor zu Boden gefallen sei – ausreichend bestritten, § 138 Abs. 1 und 2, § 286 ZPO.
a) Die Beklagte hatte vorgetragen, der venöse Zugang sei durch den Zeugen Dr. R gelegt worden. Dabei sei es nicht zu den von dem Kläger behaupteten Geschehnissen gekommen, sondern der notwendige Hygienestandard sei korrekt eingehalten worden.
Nachdem sich indes im Zuge der Beweisaufnahme herausgestellt hatte, dass nicht der Zeuge Dr. R, sondern – wovon das Berufungsgericht ausgeht – eine andere Person die Infusion gelegt hatte, hätte das Berufungsgericht dabei nicht stehen bleiben, von einem wirksamen Bestreiten ausgehen und auf dieser Grundlage annehmen dürfen, dass der Kläger den ihm obliegenden Beweis für einen Behandlungsfehler nicht erbracht habe. Denn unter Berücksichtigung des Beweisergebnisses lag ein beachtliches Bestreiten nicht (mehr) vor.
Anderenfalls könnte sich der Prozessgegner durch beliebigen, sich als unzutreffend erweisenden Vortrag der ihm gemäß § 138 Abs. 1 und 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht entledigen, ohne die Folge des § 138 Abs. 3 ZPO gewärtigen zu müssen (…). Das ist mit der aus den verfassungsrechtlich geschützten Rechten auf ein faires Verfahren und auf effektiven Rechtsschutz folgenden Verpflichtung zu einer fairen Verteilung der Darlegungs- und Beweislasten (…) nicht zu vereinbaren.
Das Berufungsgericht hätte die Beklagte daher unter Hinweis auf ihr nicht beachtliches Bestreiten zur Stellungnahme zu dem bisherigen Beweisergebnis auffordern müssen, § 513 Abs. 1 Alt. 1, § 525, § 139 Abs. 1 ZPO.
Das hätte – worauf die Revision zu Recht hinweist – hier umso mehr nahegelegen, als der Zeuge Dr. R nach den Feststellungen ausgesagt hatte, in den Behandlungsunterlagen des Klägers sei die Eintragung bezüglich der Infusion von jemand anderem vorgenommen worden.“
Anmerkung
Das scheint unmittelbar einleuchtend, verdeutlicht aber, dass auch nach Durchführung einer Beweisaufnahme noch einmal sorgfältig geprüft werden muss, ob sich die nicht darlegungs- und beweisbelastete Partei zu den Behauptungen der darlegungs- und beweispflichtigen Partei überhaupt hinreichend erklärt hat. Erklärt sich der Prozessgegner zum „neuen“ Ergebnis der Beweisaufnahme nicht unaufgefordert, muss das Gericht ihn als Ausfluss seiner Hinweispflicht dazu auffordern, sich zu diesem Ergebnis zu erklären. Der Fall zeigt dabei sehr deutlich, warum ein sauberes Arbeiten auch praktisch einen erheblichen Unterschied macht:- Ist die streitige Tatsache: „Dr. P hat die Infusion nicht hygienisch gelegt“, dann hat die Beklagte ihrer Darlegungslast genügt. Sie muss dann im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast nicht Personen benennen, auf deren Zeugnis der Kläger seine (davon abweichende) Behauptung stützen kann.
- Ist aber die streitige Tatsache „der behandelnde Arzt hat die Infusion nicht hygienisch gelegt“, kann die Beklagte sich zu dieser Tatsache kaum erklären, ohne die Person zu benennen (§ 138 Abs. 4 ZPO), da ihr in ihrem Herrschaftsbereich äußerst umfangreiche Nachforschungspflichten obliegen. Und wenn die Beklagte diese Person benennt, kann sich der Kläger wiederum auf deren Zeugnis berufen.