BGH: Ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte gem. § 13 UWG auch für Vertragsstrafeklagen

Im Wettbewerbsprozessrecht ist seit langem umstritten, ob die Sonderzuständigkeit in § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG auch für Klagen auf Zahlung einer Vertragsstrafe anwendbar ist. In einem sehr ausführlichen obiter dictum hat sich der Bundesgerichtshof nun mit Beschluss vom 19.10.2016 – I ZR 93/15 mit der Frage beschäftigt.
Sachverhalt
Der Beklagte gab am 20.07.2009 gegenüber dem Kläger eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, nachdem der Kläger ihn zuvor wegen irreführender Werbeangaben über die Wirkung von Heilkräutern abgemahnt hatte. Mit seiner Klage begehrt der Kläger wegen Verstoßes gegen die Unterlassungserklärung die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 2.500 EUR. Das Landgericht hat die Klage mangels sachlicher Zuständigkeit (§§ 23, 71 GVG) als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung hat das Berufungsgericht den Beklagten verurteilt und die Revision „ im Hinblick auf die Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage“ zugelassen.

Die Beklagte hatte hier eine strafbewehrte Unterlassungserklärung unterschrieben. D.h., sie hatte sich verpflichtet, ein bestimmtes Handeln zu unterlassen und für den Fall einer Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe an den Kläger zu zahlen (§§ 339 ff. BGB). Der Kläger behauptete nun einen Verstoß gegen die Unterlassungspflicht und machte deshalb eine Vertragsstrafe in Höhe von 2.500 EUR geltend. Die Klage wäre deshalb grundsätzlich vor dem Amtsgericht zu erheben gewesen, §§ 23, 71 GVG. Der Kläger hatte sich aber auf § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG berufen, der eine ausschließliche sachliche Zuständigkeit der Landgerichte für Ansprüche „auf Grund“ des UWG normiert. Das Landgericht hatte die Klage als unzulässig abgewiesen und diese Vorschrift für unanwendbar gehalten, weil sich der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nicht aus dem UWG, sondern aus der Unterlassungserklärung ergebe. Das OLG sah das anders und gab der Klage auf die Berufung des Klägers hin statt.
Entscheidung
Die Revision hatte keinen Erfolg. Der Senat stellt zunächst fest, dass die Revision eigentlich wegen § 545 Abs. 2 ZPO schon unzulässig sei und auch keine Aussicht auf Erfolg habe:

„Ob die Annahme des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft ist, das Landgericht sei gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG für die Vertragsstrafeklage sachlich zuständig, kann vom Senat gemäß § 545 Abs. 2 ZPO nicht nachgeprüft werden. Das bedeutet, dass er die vom Berufungsgericht angenommene Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts ungeprüft zugrunde zu legen hat […].

Aber:

„Selbst wenn eine Prüfungskompetenz des Senats bestünde, ergäbe sich nichts anderes.

Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG sind die Landgerichte für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten ausschließlich zuständig, in denen ein Anspruch auf Grund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb geltend gemacht wird. Bei dem vorliegenden Rechtsstreit handelt es sich um eine wettbewerbsrechtliche Rechtsstreitigkeit im Sinne dieser Vorschrift.

aa) Allerdings ist die Frage, ob Ansprüche auf Grund von Vertragsstrafeversprechen und Unterlassungsverträgen von der Zuständigkeitsregelung des § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG erfasst werden, in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

(1) Nach einer Ansicht wird die ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte für derartige Ansprüche nach § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG wegen des Wortlauts der Vorschrift verneint […].

(2) Nach anderer Auffassung wird durch § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG unabhängig von der Höhe des geltend gemachten Anspruchs die erstinstanzliche landgerichtliche Zuständigkeit auch bei Vertragsstrafeansprüchen begründet, die ihren Ursprung in einem auf einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung beruhenden Unterlassungsvertrag haben […].

bb) Die zuletzt genannte und vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Ansicht trifft zu. Dies ergibt sich aus einer am Gesetzeszweck orientierten Auslegung von § 13 Abs. 1 UWG.

(1) Der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG setzt voraus, dass Ansprüche „auf Grund“ des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb geltend gemacht werden. Durch den wettbewerbsrechtlichen Vertrag, mit dem sich der Schuldner gegenüber dem Gläubiger strafbewehrt zur Unterlassung einer nach § 3 oder § 7 UWG unzulässigen geschäftlichen Handlung verpflichtet, werden derartige Ansprüche begründet. Die vertragliche Unterlassungsverpflichtung lässt die Wiederholungsgefahr für den gesetzlichen Unterlassungsanspruch nach § 8 UWG entfallen, wobei die vertragliche Verpflichtung in Form eines abstrakten Schuldanerkenntnisses im Wege der Schuldumschaffung an die Stelle des gesetzlichen Anspruchs tritt […].

(2) Dieses Verständnis entspricht dem mit der Neuregelung der gerichtlichen Zuständigkeit in Wettbewerbssachen in § 13 Abs. 1 UWG verfolgten Gesetzeszweck.

Der Gesetzgeber hatte das Ziel, statt der bisher gegebenen streitwertabhängigen Zuständigkeit von Amts- und Landgerichten (vgl. § 27 Abs. 1 UWG in der bis zum 7. Juli 2004 geltenden Fassung in Verbindung mit § 23 Nr. 1, § 73 Abs. 1 GVG) eine ausschließliche, streitwertunabhängige sachliche Zuständigkeit der Landgerichte in Wettbewerbssachen einzuführen, weil bei den Landgerichten aufgrund der dort streitwertbedingt überwiegend anfallenden Wettbewerbssachen der für die Behandlung dieser Sachen erforderliche Sachverstand und das notwendige Erfahrungswissen vorhanden sind. Insbesondere sollten Rechtsstreitigkeiten, in denen Abmahnkosten gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG geltend gemacht werden und bei denen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Unterschreitung der die Zuständigkeit bestimmende Streitwertgrenze von 5.000 € vorhanden ist, in die Zuständigkeit der Landgerichte fallen, weil bei ihnen als Vorfragen sämtliche einschlägigen wettbewerbsrechtlichen Fragen geprüft werden müssen. Zudem sollte mit der Alleinzuständigkeit der Landgerichte der inhaltliche Gleichklang mit § 140 Abs. 1 MarkenG, § 15 Abs. 1 GeschmMG aF, § 27 Abs. 1 GebrMG, § 143 Abs. 1 PatG und § 6 Abs. 1 UKlaG hergestellt werden (Begründung der Bundesregierung und Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 36, 44).

Diese Erwägungen gelten gleichermaßen für die Behandlung von Streitigkeiten aufgrund von Vertragsstrafeversprechen und Unterlassungsverträgen, in denen ähnliche, spezifisch wettbewerbsrechtliche Probleme auftreten wie bei originären Ansprüchen aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.

(3) Zwar heißt es in der Zuständigkeitsregelung in § 140 Abs. 1 MarkenG, ebenso wie in § 52 Abs. 1 DesignG (früher § 15 Abs. 1 GeschmMG), § 27 Abs. 1 GebrMG und § 143 Abs. 1 PatG, dass sie für alle Klagen gilt, durch die ein „Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse“ geltend gemacht wird, während § 13 Abs. 1 UWG auf alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten anzuwenden ist, in denen ein „Anspruch auf Grund dieses Gesetzes“ in Streit steht. § 6 UKlaG stellt dagegen ähnlich wie § 13 Abs. 1 Satz 2 UWG auf „Klagen nach diesem Gesetz“ ab.

Angesichts des erklärten gesetzgeberischen Ziels, mit § 13 Abs. 1 UWG einen inhaltlichen Gleichklang mit anderen die streitwertunabhängige, ausschließliche erstinstanzliche Zuständigkeit der Landgerichte begründenden Vorschriften im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und nach dem Unterlassungsklagengesetz herzustellen, steht der geringfügig abweichende Wortlaut der Vorschriften einer übereinstimmenden Auslegung nicht entgegen.

(4) Die Vorschriften, auf die die Gesetzesbegründung Bezug nimmt, werden weit ausgelegt […]. Sie begründen nach nahezu einhelliger Meinung eine ausschließliche sachliche Zuständigkeit der Landgerichte für Klagen aus strafbewehrten Unterlassungserklärungen.“

Anmerkung
Eine Revisionszulassung begrenzt auf die Zulässigkeit einer Klage, wenn es um Fragen der Zuständigkeit geht, ist im Hinblick auf § 545 Abs. 2 ZPO bemerkenswert. Zum Glück hat der I. Zivilsenat aber den ihm - wenn auch ohne prozessuale Grundlage - zugespielten Ball aufgenommen und über die „Selbst wenn…“-Begründung die für die Praxis wichtige Klarstellung getroffen. Fraglich bleibt aber, ob der BGH zugleich auch eine Aussage darüber getroffen hat, wie das Merkmal „Klagen auf Grund dieses Gesetzes“ in § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG auszulegen ist, ob also der „fliegende Gerichtsstand“ des § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG auch für Vertragsstrafeklagen gilt (bejahend LG Frankfurt a.M., Urteil vom 10.02.2016 - 2/6 O 344/15; ablehnend LG Mannheim, Beschluss v. 28.4.2015 – 2 O 46/15). Vielen Dank übrigens an RA Oliver Löffel, der mich auf die Entscheidung aufmerksam gemacht hat. Foto: Esculapio | wikimedia.org | CC BY-SA 3.0