BGH zu Beweislastentscheidung ohne Bauteilöffnung
Entscheidung
Die Revision hatte ebenfalls keinen Erfolg:„Soweit das Berufungsgericht weiter zu der Auffassung gelangt ist, die Klägerin habe den ihr obliegenden Beweis einer Zerstörung des Gebäudes durch eine hochwasserbedingte Beschädigung des Fundaments nicht geführt, ist auch das aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
a) Insoweit durfte sich das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die auf Grundlage des gerichtlichen Sachverständigengutachtens getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts gebunden sehen. (…)
b) Derartige konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der vom Landgericht festgestellten Tatsachen bestanden nicht.
Keinen Bedenken begegnen insbesondere die vom Berufungsgericht gebilligten Feststellungen des Landgerichts zu der von der Sachverständigen für eine eingehende Untersuchung des Fundaments für erforderlich erachteten, tatsächlich aber nicht durchgeführten Bauteilöffnung. Entgegen der Auffassung der Revision waren die Vorinstanzen auch im Rahmen eines ihnen nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO etwa eingeräumten Ermessens nicht zu einer entsprechenden Weisung an die Sachverständige verpflichtet.
aa) Allerdings hat das Gericht gemäß § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO von Amts wegen die Pflicht, die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und ihm in diesem Rahmen gegebenenfalls für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen zu erteilen. Damit ist klargestellt, dass der Gutachter Gehilfe des Gerichts ist und ihm vom Gericht vorgegeben werden kann, was rechtlich bedeutsam ist (…). Das gerichtliche Weisungsrecht umfasst damit neben den inhaltlichen Vorgaben, die der Sachverständige seiner Begutachtung zugrunde zu legen hat, grundsätzlich auch die zur Beantwortung der Beweisfrage erforderlichen Maßnahmen, die der Begutachtung selbst oder deren Vorbereitung dienen und der Sachkunde des gerichtlich bestellten Gutachters bedürfen, sowie Weisungen zur Art und Weise des bei der Untersuchung des Beweisgegenstands gebotenen Vorgehens (…).
bb) Ob dieses grundsätzliche Weisungsrecht des Gerichts danach auch die Befugnis umfasst, einen Sachverständigen speziell zur Vornahme einer Bauteilöffnung anzuweisen, soweit diese für die Begutachtung erforderlich ist (…), kann im Streitfall allerdings offenbleiben. Denn selbst wenn man dieses annimmt, so ist die von Amts wegen zu treffende Entscheidung darüber, ob das Gericht dem Sachverständigen nach den konkreten Umständen des Einzelfalls eine Weisung gemäß § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO zur Durchführung einer für die Begutachtung erforderlichen Maßnahme – hier die einer Bauteilöffnung – erteilt, dann jedenfalls in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt (…).
cc) Ein ihm etwa zustehendes Ermessen aber hat das Berufungsgericht mit der Ablehnung, im Streitfall eine Weisung an die Sachverständige zu erteilen, jedenfalls rechtsfehlerfrei ausgeübt.
(1) Dabei ist die Handhabung des nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO eingeräumten Ermessens im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüfbar, ob das Gericht die Notwendigkeit zur Ausübung seines Ermessens verkannt oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (…).
(2) Derartige Ermessensfehler liegen im Streitfall nicht vor.
(a) Das Berufungsgericht hat entgegen dem Vorbringen der Revision erkannt, dass die Erteilung einer Weisung eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen den Interessen der beweispflichtigen Partei und den mit einer Durchführung des Gutachtenauftrags für den Sachverständigen verbundenen Anforderungen voraussetzt und hierbei den Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit einzelfallbezogen Rechnung zu tragen ist.
(b) Bei seiner Ermessensentscheidung kann das Gericht den möglichen Erkenntniswert und die Verhältnismäßigkeit einer Weisung, aber auch berechtigte Belange des Sachverständigen oder Dritter berücksichtigen (…). Dass es im Streitfall den mit der Bauteilöffnung des Hausfundaments verbundenen besonderen Gefahren und daraus resultierenden Haftungsrisiken für die Sachverständige ausschlaggebendes Gewicht gegen die Erteilung einer Weisung nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO beigemessen hat, hält sich im Rahmen des ihm etwa eingeräumten Ermessens.
Unbeschadet der Frage, welche Haftungsrisiken generell für einen Bausachverständigen bei der Durchführung einer Bauteilöffnung bestehen und wieweit er sich dagegen versichern kann (...), ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung des Einzelfalls entscheidend auf hier vorliegende besondere Risiken abgestellt hat, die sich nach seinen unangegriffenen und aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen daraus ergeben, dass die nicht zerstörungsfreie Untersuchung des Hausfundaments die Gefahr einer Beschädigung der Horizontal- oder Vertikalsperre birgt und die Sachverständige dies trotz ihrer Sachkunde und auch bei sorgfältiger Überwachung hinzugezogener Fachunternehmen nicht verhindern kann. Zu einer Bauteilöffnung unter Eingehung unkalkulierbarer (Haftungs-)Risiken braucht das Gericht einen Sachverständigen nicht anzuweisen (…).
Auf der anderen Seite hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision rechtsfehlerfrei berücksichtigt, dass das Unterbleiben einer Weisung nach § 404a Abs.1, Abs. 4 ZPO die Klägerin nicht von vornherein in Beweisnot bringt, da sie unter den Umständen des Streitfalls die Öffnung des Fundaments selbst hätte veranlassen können.
c) Schließlich begegnet die Anwendung der Beweislastregeln zulasten der Klägerin revisionsrechtlich keinen Bedenken, nachdem sich diese nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zu einer Öffnung des Fundaments bereit erklärt hat. Dass die Beweisfrage aufgrund der verfügbaren Beweismittel noch in anderer Weise zu klären gewesen wäre (...), ist nicht ersichtlich.“