BGH: Ergänzung einer unvollständigen Kostenentscheidung

Die nachträgliche Änderung von Kostenentscheidungen im Wege der Berichtigung gem. § 319 ZPO war hier vor kurzem noch Thema.

Nun hat sich der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 01.03.2016 – VIII 287/15 der Frage befasst, ob und wann ein Gericht eine Kostenentscheidung gem. § 319 ZPO „ergänzend berichtigen“ darf, wenn diese über die Kosten der Nebenintervention keine Regelung trifft.

Sachverhalt

Der VIII. Zivilsenat hatte mit Beschluss vom 20.01.2016 die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin zurückgewiesen und die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Klägerin auferlegt.

Über die Kosten der Streithelferin hatte der Senat allerdings (wohl irrtümlich) nicht entschieden. Deren Prozessbevollmächtigter begehrte daher die Berichtigung des Beschlusses, hilfsweise die Ergänzung des Beschlusses um eine Entscheidung über die Kosten der Streithelferin.

Die Klägerin hatte hier gegen ein Urteil des OLG Braunschweig Nichtzulassungsbeschwerde (§ 574 ZPO) eingelegt, damit aber keinen Erfolg gehabt. Die Kosten des (Nichtzulassungs-)Beschwerdeverfahrens hatte der BGH folgerichtig gem. § 97 Abs. 1 ZPO der Klägerin auferlegt.

Der Beklagten war im Laufe des Rechtsstreits aber offensichtlich eine Nebenintervenientin/Streithelferin beigetreten. Und über deren Kosten hätte der Senat ebenfalls entscheiden und diese gem. § 101 Abs. 1 ZPO der Klägerin auferlegen müssen. Dieser Ausspruch fehlte in dem Beschluss vom 20.01.2016 aber.

Deshalb stellte sich die Frage, wie der BGH seinen Beschluss um den entsprechenden Kostenausspruch ergänzen konnte: Im Wege der – relativ formfreien – Berichtigung in entsprechender Anwendung von § 319 ZPO oder nur im Wege der Urteilsergänzung gem. § 321 ZPO (die gem. § 321 Abs. 3 ZPO eine mündliche Verhandlung erfordert).

Entscheidung
Der BGH hält nur eine Ergänzung gem. § 321 ZPO für zulässig:

„1. Eine Berichtigung nach § 319 Abs. 1 ZPO kommt hier nicht in Betracht. Zwar ist eine solche Berichtigung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auch im Falle einer versehentlich unterbliebenen Entscheidung über die Kosten der Streithilfe möglich […]. Erforderlich hierfür ist, dass eine versehentliche Abweichung von dem seitens des Gerichts Gewollten vorliegt und diese Abweichung „offenbar“ ist, mithin sich dies aus dem Zusammenhang der Entscheidung selbst oder zumindest aus den Vorgängen bei ihrem Erlass oder ihrer Verkündung nach außen deutlich ergibt und damit auch für Dritte ohne Weiteres erkennbar ist […].

An der letztgenannten Voraussetzung fehlt es hier. Zwar wollte der Senat bei dem Erlass des Beschlusses vom 20. Januar 2016 der Klägerin auch die Kosten der Streithelferin gemäß § 101 Abs. 1 ZPO auferlegen und ist dies lediglich versehentlich nicht im Tenor ausgesprochen worden. Dieses Versehen ist jedoch nicht „offenbar“ im Sinne des § 319 Abs. 1 ZPO, da weder die Gründe des Beschlusses Ausführungen zu den Kosten der Streithelferin enthalten noch im Beschluss die die Kosten des Streithelfers regelnde Vorschrift des § 101 Abs. 1 ZPO genannt wird noch etwa jegliche Entscheidung über die Kosten fehlte […] und auch sonst hinreichende, nach außen ohne Weiteres erkennbare Anhaltspunkte für ein offenkundiges Versehen nicht vorliegen. Die bloße Erwähnung der Streithilfe im Rubrum der Entscheidung – wie hier der Fall – genügt insoweit nicht […].

2. Bei dieser Sachlage kann eine Korrektur indes durch eine Ergänzung der Entscheidung nach § 321 Abs. 1 ZPO erfolgen, der auf Beschlüsse entsprechend anwendbar ist […]. Da die Streithelferin auch dies – innerhalb der von § 321 Abs. 2 ZPO hierfür vorgesehenen Frist durch Schriftsatz ihres beim Bundesgerichtshof zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO) – beantragt hat, ist der Beschluss des Senats vom 20. Januar 2016 antragsgemäß dahin zu ergänzen, dass die Klägerin auch die Kosten der Streithelferin der Beklagten zu tragen hat.“

Anmerkung

Dass auch einem BGH-Senat mit fünf Berufsrichtern und einer unbekannten Zahl wissenschaftlicher Mitarbeiter unvollständige Kostenentscheidungen unterlaufen, beruhigt mich irgendwie. Aufgrund eigener Erfahrung sei zudem der Hinweis darauf erlaubt, dass ein Antrag auf Urteilsergänzung zwingend binnen zwei Wochen nach der Zustellung der Entscheidung zu stellen ist (§ 321 Abs. 2 ZPO), während der Antrag auf Urteilsberichtigung nicht fristgebunden ist.

Einen etwas säuerlichen Beigeschmack bekommt die Entscheidung aber vor dem Hintergrund der kürzlich ergangenen Entscheidung des IX. Zivilsenats zum AZ IX ZB 28/15 (s. die Besprechung hier). Darin ging es um eine ergänzende (gerichtliche) Entscheidung über die Kosten der Nebenintervention, wenn der Rechtsstreit durch Vergleich beigelegt wurde und dieser insoweit keine Regelung trifft. Denn hier unterstellt der VIII. Zivilsenat ohne nähere Erläuterung, dass der Senat selbstverständlich über die Kosten der Nebenintervention entscheiden wollte und dies nur irrtümlich nicht im Tenor ausgesprochen wurde. Der IX. Zivilsenat misst der der fehlenden Regelung im Vergleich hingegen einen Erklärungswert bei und hält eine ergänzende gerichtliche Entscheidung für nicht angezeigt.

tl;dr: Eine gem. § 101 Abs. 1 ZPO erforderliche aber fehlende Kostenentscheidung kann nur dann gem. § 319 ZPO nachgeholt werden, wenn das Versehen des Gerichts „offenbar“ ist. Anderenfalls ist ein fristgebundener Antrag auf Urteilsergänzung gem. § 321 ZPO erforderlich.

Anmerkung/Besprechung, Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.03.2016 – VIII 287/15. Foto: Andreas Praefcke, Karlsruhe BGH Eingangsbereich, CC BY 3.0