Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hat das Urteil insoweit aufgehoben und die begehrte Feststellung ausgesprochen.
„Das Berufungsgericht hat ein rechtliches Interesse (§ 256 Abs. 1 ZPO) des Klägers an der weitergehenden Feststellung hinsichtlich des bei Klageerhebung bereits bezifferbaren Schadensteils zu Unrecht verneint.
1. Es ist anerkannt, dass der Kläger grundsätzlich nicht gehalten ist, seine Klage in eine Leistungs- und in eine Feststellungsklage aufzuspalten, wenn bei Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden, die Entstehung weiteren Schadens aber noch zu erwarten ist.
Zwar fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann. Es besteht jedoch keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Vielmehr ist eine Feststellungsklage trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt.
Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dann, wenn eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, der Kläger in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren kann […].
2. So liegt es [...] hier. Es hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers […] bejaht, nach Klageerhebung eingetretene Schäden und Zukunftsschäden für möglich gehalten und insoweit der Feststellungsklage stattgegeben. Dann aber durfte es hinsichtlich des etwaig vor Klageerhebung entstandenen (Teil-)Schadens die Feststellungsklage nicht mangels Feststellungsinteresses des Klägers abweisen.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung steht dem nicht entgegen, dass einzelne Schadenspositionen bei Klageerhebung bereits bezifferbar und die diesen zugrunde liegenden Sachverhalte bereits abgeschlossen gewesen sein mögen.
Ein Feststellungsantrag erfasst den gesamten dem Kläger entstandenen Schaden, auch solche Positionen, die – aus welchem Grund auch immer – nicht mit der Leistungsklage geltend gemacht und auch nicht zur Begründung des Feststellungsantrags konkretisiert wurden […]. Einzelne bei Klageerhebung bereits entstandene Schadenspositionen stellen daher lediglich einen Schadensteil im obigen Sinne dar.“
Anmerkung
Der Fall verdeutlicht, dass es eine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage nicht gibt, sondern das Feststellungsinteresse jeweils im Einzelfall genau zu prüfen ist. Nur bei insgesamt abgeschlossenem Schadensverlauf und Bezifferbarkeit sämtlicher Schadenspositionen entfällt das Feststellungsinteresse.
Soweit die Schadensentwicklung noch nicht (vollständig) abgeschlossen ist (und erst recht, wenn eine Vollstreckung eher nicht notwendig sein wird), dürfte vielfach eine Feststellungsklage sogar zweckmäßiger sein, weil deren Streitwert geringer ist. Und eine solche Feststellungsklage bleibt auch dann zulässig, wenn der Schaden im Laufe des Rechtsstreits (vollständig) bezifferbar wird (s. nur BGH, Urteil vom 29.06.2011 – VIII ZR 212/08).
Und zuletzt: Bevor eine Feststellungsklage (teilweise) als unzulässig abgewiesen wird, muss die klagende Partei auch darauf hingewiesen und ihr die Möglichkeit gegeben werden, den Anspruch zu beziffern (s. z.B. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 256 Rn. 7a).
tl;dr: Sind bei Klageerhebung einzelne Schadenspositionen schon entstanden, ist die Entstehung weiteren Schadens aber noch zu erwarten, muss der Kläger seine Klage nicht in eine Leistungs- und in eine Feststellungsklage aufspalten, sondern kann insgesamt Feststellungsklage erheben.
Anmerkung/Besprechung, Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.04.2016 – VI ZR 506/14. Foto: TSteg | wikimedia.org |
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