BGH zur „Wahrscheinlichkeit “eines Schadenseintritts bei einer Feststellungsklage
- Wird die Schadensersatzpflicht darauf gestützt, dass ein absolutes Rechtsgut verletzt ist, muss es nur möglich sein, dass künftig ein weiterer Schaden eintritt – das wird man gerade bei Gesundheits-/Körperschäden kaum jemals verneinen können.
- Wird hingegen – wie hier – „nur“ ein Vermögensschaden geltend gemacht, muss es nach der Rechtsprechung des BGH wahrscheinlich sein, dass es aufgrund der Verletzungshandlung zu weiteren Schäden kommt.
Entscheidung
Der BGH hat das Urteil hinsichtlich des Feststellungsantrags aufgehoben und die Sache zurückverwiesen:„Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat der Kläger (…) hinreichend zur Wahrscheinlichkeit eines ihm durch die fehlerhafte Beratung entstandenen Vermögensschadens vorgetragen. Es kann daher offenbleiben, ob das Berufungsgericht den weiteren Vortrag des Klägers gemäß § 531 Abs. 2 ZPO als neuen Sachvortrag unberücksichtigt lassen durfte.
aa) Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, der Sachvortrag des Klägers sei nicht hinreichend substantiiert, weil der Kläger keine auf einen bestimmten Zeitpunkt bezogene Vermögensdifferenz dargetan habe. Das Berufungsgericht hat damit aus den Augen verloren, dass – wie es selbst zutreffend angenommen hat – die Zulässigkeit der auf den Ausgleich eines Vermögensschadens gerichteten Feststellungsklage lediglich die Darlegung von Tatsachen voraussetzt, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens ergibt. Dazu muss nicht dargelegt werden, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Vermögensdifferenz besteht.
Wäre eine rechnerische Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Gesamtvermögenslage erforderlich, führte dies dazu, dass es keinen Unterschied zwischen der Darlegung einer Schadenswahrscheinlichkeit und der Berechnung des vollen Schadens gäbe, obwohl die Feststellungsklage die gerichtliche Vorklärung der Ansprüche gerade dann ermöglichen soll, wenn der Schaden ganz oder teilweise noch nicht berechnet werden kann.
bb) Das Berufungsgericht hat darüber hinaus die Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers überspannt. Der Kläger hat bereits bis zur mündlichen Verhandlung in erster Instanz dargelegt, dass die von ihm aufgrund des Beratungsfehlers vorgenommene Umschichtung schon wegen der Kostenstruktur für ihn nachteilig und mit gravierenden Steuernachteilen sowie mit weiteren Nachteilen wie etwa der Personengebundenheit der neuen Vermögensanlage verbunden war. Damit hat er die Wahrscheinlichkeit eines Schadens ausreichend dargelegt.
(1) Das Berufungsgericht hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Umfang der erforderlichen Darlegungen sich auch danach richtet, was einer Partei unter Berücksichtigung der Einlassung des Gegners an näheren Angaben möglich und zumutbar ist (…). Die Revision macht mit Recht geltend, das Berufungsgericht hätte deshalb berücksichtigen müssen, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Anlageberatung den dabei für sie bestehenden Beratungspflichten nicht genügt und dem Kläger damit Informationen vorenthalten hat, die dieser nunmehr zur Darlegung seines Schadens benötigt.
Unter diesen Umständen ist dem Kläger ohne eine entsprechende Einlassung der Beklagten ein weitergehender Vortrag nicht zumutbar. Insbesondere ist es ihm – entgegen der von der Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung beim Senat geäußerten Ansicht – nicht zuzumuten, einen Versicherungsmathematiker hinzuzuziehen, um die Wahrscheinlichkeit eines Schadens mit seiner Hilfe näher darlegen zu können.
(2) Für eine großzügige Beurteilung der Frage, ob der Geschädigte in einem Fall wie dem vorliegenden die Wahrscheinlichkeit eines Vermögensschadens hinreichend dargelegt hat, spricht ferner, dass der Geschädigte regelmäßig innerhalb von drei Jahren nach der ersten Vermögenseinbuße eine Feststellungsklage erheben und die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts darlegen muss, um die Verjährung des Ersatzanspruchs zu hemmen, obwohl der endgültige Schaden erst viele Jahre später berechnet werden kann. Die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche verjähren grundsätzlich in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB), die mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Dabei gilt nach dem Grundsatz der Schadenseinheit der gesamte Schaden, der auf einem bestimmten einheitlichen Verhalten beruht, bereits mit der ersten Vermögenseinbuße als eingetreten, sofern mit den einzelnen Schadensfolgen bereits beim Auftreten des ersten Schadens gerechnet werden konnte. Die Verjährung des Ersatzanspruchs erfasst damit auch solche nachträglich eintretenden Schadensfolgen, die im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs als möglich voraussehbar waren. Zur Hemmung der Verjährung, die mit dem früheren Schadenseintritt begonnen hat, ist daher die Erhebung einer Feststellungsklage erforderlich (…).“