BGH zur Zulässigkeit von widersprechendem Hilfsvorbringen
Entscheidung
Mit dieser Strategie hatte der Kläger allerdings auch vor dem BGH keinen Erfolg:„a) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht einen auf sein Hauptvorbringen gestützten Anspruch des Klägers wegen nicht anlegergerechter Beratung auf Grund von Verjährung abgelehnt und dabei das Vorliegen grob fahrlässiger Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bejaht. (…)
b) Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht das Hilfsvorbringen des Klägers für mit dem Hauptvorbringen unvereinbar und unbeachtlich gehalten.
aa) Soweit das Berufungsgericht in tatrichterlicher, revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Würdigung das Hilfsvorbringen des Klägers für mit dem Hauptvorbringen unvereinbar gehalten hat, begegnet dies keinen Bedenken. (…)
bb) Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht das Hilfsvorbringen des Klägers nicht als beachtlich angesehen. Es kann dahingestellt bleiben, ob es auch wegen Verstoßes gegen das Wahrheitsgebot nach § 138 Abs. 1 ZPO unbeachtlich wäre. Denn die Bedingung für die Berücksichtigung des Hilfsvorbringens ist bereits nicht eingetreten.
Hinsichtlich des tatsächlichen Vortrags ist es das Prozessziel des Klägers, dass sein Hauptvorbringen berücksichtigt und der rechtlichen Würdigung zu Grunde gelegt wird. Hilfsvorbringen wird in den Prozess in der Regel für den Fall eingeführt, dass die Partei mit ihrem Hauptvorbringen in tatsächlicher Hinsicht nicht durchdringt, das Gericht das Hauptvorbringen seiner rechtlichen Würdigung also nicht zu Grunde legt. Dementsprechend ist auch das dem Hauptvorbringen widersprechende Hilfsvorbringen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu berücksichtigen, wenn das Gericht das Hauptvorbringen nicht für erwiesen erachtet. Denn es wäre widersprüchlich, würde das Gericht gleichzeitig das Hauptvorbringen als nicht erwiesen behandeln, andererseits aber doch als der Wirklichkeit entsprechend, indem es das Hilfsvorbringen wegen Verstoßes gegen die Wahrheitspflicht unbeachtet ließe (…).
Mit dem Hauptvorbringen unvereinbares Hilfsvorbringen kann dagegen nicht für den Fall geltend gemacht werden, dass das Hauptvorbringen nur rechtlich nicht zum Erfolg führt. Wenn der tatsächliche Hauptvortrag des Klägers erwiesen ist oder als wahr unterstellt und damit vom Gericht zu Grunde gelegt wird, besteht kein Anlass, auf das Hilfsvorbringen zurückzugreifen.
Der Partei steht es nicht frei, dem Gericht mehrere miteinander unvereinbare Sachverhalte zu unterbreiten mit dem Ziel, mit einem davon auch rechtlich durchzudringen. Sie unterliegt vielmehr der Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO und hat den aus ihrer Sicht der Wahrheit entsprechenden Sachverhalt vorzutragen.
Wenn das Hilfsvorbringen des Klägers nur für den Fall vorgetragen wurde, dass das Gericht seinen Hauptvortrag in tatsächlicher Hinsicht nicht zu Grunde legt, ist diese Bedingung nicht eingetreten. Das Berufungsgericht hat die Klage – ohne dass dies aus revisionsrechtlicher Sicht zu beanstanden wäre – bei Zugrundelegung des Hauptvortrags des Klägers wegen Verjährung für unbegründet gehalten. Für die Berücksichtigung des Hilfsvorbringens war deshalb von vornherein kein Raum.
Etwas Anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn das Hilfsvorbringen unter die Bedingung gestellt worden ist, dass die Klage auch unter rechtlichen Gesichtspunkten auf Grundlage des Hauptvorbringens keinen Erfolg hat. Denn wie ausgeführt ist eine solche Bedingung unzulässig und das Hilfsvorbringen auch in diesem Fall unbeachtlich.“