Hemmung der Verjährung auch bei unwirksamer öffentlicher Zustellung?
Entscheidung
Der BGH schließt sich zunächst der Auffassung der Vorinstanzen an, wonach die öffentliche Zustellung unwirksam gewesen sei:„[D]as Berufungsgericht [hat] mit Recht angenommen, dass die vorgenommene öffentliche Zustellung der Klageschrift unwirksam gewesen ist, weil unabhängig von der Frage, ob der Aufenthaltsort des Beklagten bekannt gewesen ist, eine Zustellung an die Rechtsanwaltssozietät […] hätte erfolgen […] können.
Eine Zustellung an diese Kanzlei wäre gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 171 ZPO möglich gewesen; denn der damalige anwaltliche Vertreter des Beklagten hatte […] mitgeteilt, seine Rechtsanwaltskanzlei könne für ein Klageverfahren als zustellungsbevollmächtigt angegeben werden […]. Daraus war entgegen der Auffassung der Revision zu entnehmen, dass dem eine entsprechende, wenn auch zwangsläufig noch allgemeine, Bevollmächtigung bereits zugrunde lag. Deshalb hätte die Klägerin dies bereits in der Klageschrift berücksichtigen, jedenfalls aber nach zweimaligem Fehlschlagen einer Zustellung an den Beklagten an diese Rechtsanwälte zustellen lassen können.
Angesichts dieser Umstände war für die Klägerin und auch das Landgericht erkennbar, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung der öffentlichen Zustellung noch nicht vorlagen und deshalb eine Hemmung der Verjährung nicht hat eintreten können.“
Daraus folge hier aber (ausnahmsweise) noch nicht, dass die geltend gemachten Ansprüche verjährt seien:„Eine andere Beurteilung könnte sich jedoch nach dem Vortrag der Klägerin ergeben, wonach eine Zustellung an den damaligen Bevollmächtigten des Beklagten nicht möglich gewesen sei. Denn der seinerzeit zuständige Richter R. habe unmissverständlich erklärt, dies genüge nicht, weil er für die Zulässigkeit der Klage ebenfalls die Adresse des Beklagten benötige […].
Mit diesem, von dem Beklagten in Abrede gestellten und mit Beweisantritten versehenen Vorbringen der Klägerin hat sich das Berufungsgericht zu Unrecht nicht auseinandergesetzt.
a) Beruht die Unwirksamkeit einer Zustellung auf einer unrichtigen Sachbehandlung durch das Gericht, kann eine Hemmung der Verjährung wegen höherer Gewalt in Betracht kommen (vgl. § 206 BGB). Sie greift jedoch nur ein, wenn die verjährungshemmende Wirkung einer Zustellung infolge eines – für den Gläubiger unabwendbaren – gerichtlichen Fehlers nicht eintritt […].
Auch wenn der Klägerin die Unwirksamkeit der öffentlichen Zustellung im Hinblick auf die Möglichkeit einer Zustellung an die Rechtsanwaltskanzlei erkennbar war, ist vorliegend von einer dementsprechenden Fallgestaltung auszugehen, wenn festgestellt wird, dass das Ausbleiben der Zustellung an den damaligen anwaltlichen Vertreter des Beklagten von der Klägerin nicht zu beeinflussen war und ihr keine mitwirkende Verantwortung für die Unwirksamkeit der öffentlichen Zustellung anzulasten ist.
b) Die Berufung auf eine für sie unabwendbare Beantragung der öffentlichen Zustellung der Klageschrift aufgrund des Verhaltens des zuständigen Richters setzt aber voraus, dass die Klägerin ihrerseits alles ihr Zumutbare getan hat, um der behaupteten Auffassung des Richters zu entsprechen, trotz des Hinweises auf die Anwaltskanzlei eine zustellungsfähige Adresse des Beklagten herauszufinden. Dieses Erfordernis folgt daraus, dass es im Rahmen des § 185 Nr. 1 ZPO stets Sache der Partei ist, die durch die Zustellung begünstigt wird, alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anzustellen, um so eine wirksame Zustellung bewirken zu können, und ihre gegebenenfalls ergebnislosen Bemühungen im Einzelnen darzulegen. Dabei kann allerdings die Frage, ob der Aufenthaltsort des Beklagten allgemein unbekannt ist, nicht ohne Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten beantwortet werden […].
c) Zu einem möglichen Mitverantwortungsbeitrag der Klägerin in diesem Sinn und der danach maßgeblichen Frage, ob sie alle gebotenen Ermittlungsmöglichkeiten genutzt hat, um eine zustellungsfähige Adresse herauszufinden, hat das Berufungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – bislang keine Feststellungen getroffen. […]“