BGH: Keine Beschwer des Beklagten bei Klageabweisung trotz Anerkenntnis

Im Beschluss des BGH vom 11. März 2015 – XII ZB 553/14 geht es um eine eher ungewöhnliche aber prozessrechtlich interessante Frage: Ist eine beklagte Partei beschwert, wenn sie den Klageanspruch anerkennt, die Klage aber durch Prozessurteil abgewiesen wird?

Sachverhalt

Die Beklagte war Eigentümerin eines Reiterhofs, den sie an die D-GmbH verpachtet und den diese wiederum an die Klägerin unterverpachtet hatte. In der Folgezeit war die Beklagte liquidiert und im Handelsregister gelöscht und die Zwangsverwaltung des Hofs angeordnet worden.

Die Klägerin (Unterpächterin) begehrte nun gegenüber der Beklagten (Eigentümerin) die Feststellung, dass der (Haupt-)Pachtvertrag zwischen der D-GmbH und der Beklagten (Eigentümerin) wirksam sei. Diesen Klageanspruch hat die Beklagte schriftsätzlich anerkannt. Zum Termin erschien für die Beklagte niemand. Das Landgericht wies die Klage als unzulässig ab. Die Beklagte sei gesetzlich nicht vertreten und damit nicht prozessfähig (was wohl mit dem begrenzten Aufgabenkreis eines zwischenzeitlich für die Beklagte bestellten Nachtragsliquidators zu tun hatte).

Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte (!) Berufung eingelegt mit dem Ziel, dass gegen sie entsprechend dem Klageantrag und ihrem Anerkenntnis erkannt werden möge. Grund dafür war wohl das sehr eigenwillige prozessrechtliche Verständnis der Beklagten (bzw. ihres Prozessbevollmächtigten). Sie war nämlich der Ansicht, sie könne gegen die D-GmbH (Hauptpächterin) Ansprüche geltend machen, sollte das Gericht (zwischen ihr und der Klägerin!) feststellen, dass der Pachtvertrag wirksam sei.

Erkennt die beklagte Partei den gegen sie geltend gemachten Anspruch an, ist sie grundsätzlich durch Anerkenntnisurteil zu verurteilen, ohne dass es dafür einer mündlichen Verhandlung bedürfte, § 307 ZPO.

Das gilt aber nach herrschender Ansicht nur, wenn die Klage auch zulässig ist. (Zu mehr Einzelheiten siehe hier.) Die Zulässigkeit der Klage hatte das Landgericht hier verneint, da der Gegenstand dieser Klage nicht in den Aufgabenbereich des für die Beklagte handelnden Nachtragsliquidators fiel (§ 66 Abs. 5 GmbHG). Da die Beklagte nicht wirksam vertreten war, fehle es ihr an der Prozessfähigkeit. Das Landgericht hatte die Klage daher durch Prozessurteil abgewiesen.

Dass die Beklagte hier in Berufung ging, obwohl ja die Klage abgewiesen worden war (und sie damit ja gewonnen hatte), beruhte auf einem fehlerhaften Rechtsverständnis der Reichweite der materiellen Rechtskraft auf Seiten der Beklagten). Dafür muss man sich noch einmal gegenwärtigen, dass die Klägerin die Feststellung begehrte, dass der Pachtvertrag zwischen der Beklagten und der D-GmbH (d. h. zwischen zwei anderen Personen) wirksam war.

Die Beklagtenvertreter gingen nun offenbar davon aus, dass ein entsprechendes Anerkenntnisurteil auch die Rechtsbeziehungen zwischen der Beklagten und der D-GmbH festlegen würde. Das verkennt aber die Reichweite der materiellen Rechtskraft gem. § 322 ZPO, die nur zwischen den Parteien eines Rechtsstreits wirkt. Um diese auf die D-GmbH auszudehnen, hätte die Beklagte ihr den Streit verkünden müssen und hätte dann auch nicht anerkennen dürften.

(Im Übrigen hätte wohl auch ein gesundes Judiz ausgereicht: Es wäre doch erstaunlich, wenn ein Beklagter der Klägerin gegenüber anerkennen und dadurch seine Rechtsposition zu einem Dritten verbessern könnte, ohne dass sich der Dritte „dagegen wehren“ kann. Das aber nur am Rande.)

So mussten die Folgeinstanzen aber darüber entscheiden, ob die Beklagte hier in Berufung gehen konnte, obwohl sie ja gewonnen hatte.

Eine Berufung ist – wenn sie nicht zugelassen wird – aber nur dann zulässig, wenn die beklagte Partei durch das Urteil um mehr als 600 EUR beschwert ist, § 511 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO. Die Frage war also, ob die Beklagte (um mehr als 600 EUR) beschwert war.

Die Berufung hat das OLG durch Beschluss verworfen, weil die Beklagte durch das erstinstanzliche Urteil nicht beschwert sei.

Entscheidung

Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde blieb erfolglos:

„Für die klagende Partei gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die so genannte formelle Beschwer, die nur dann vorliegt, wenn eine gerichtliche Entscheidung von dem in der unteren Instanz gestellten Antrag der Klagepartei zu ihrem Nachteil abweicht, ihrem Begehren also nicht voll entsprochen worden ist.

Demgegenüber bedarf es für die Zulässigkeit des Rechtsmittels eines Beklagten der so genannten materiellen Beschwer. Für diese kommt es nicht darauf an, in welcher Weise er zu dem Klagevorbringen Stellung genommen hat, sondern es reicht aus, ist aber auch notwendig, dass ihm die angefochtene Entscheidung ihrem Inhalt nach nachteilig ist […]. Darüber hinaus ist erforderlich, dass der Beklagte mit seinem Berufungsantrag das Ziel verfolgt, diese Beschwer zu beseitigen […].

Ausgehend von der für die Beklagtenseite maßgeblichen materiellen Beschwer kann ein Beklagter zum einen Berufung gegen ein gemäß seinem Anerkenntnis ergehendes Anerkenntnisurteil einlegen […]. Zum anderen kann er auch durch eine klageabweisende Entscheidung beschwert sein, etwa wenn Prozess- statt Sachurteil ergangen […], die Klage als „derzeit unbegründet" abgewiesen worden ist […] oder die Klageabweisung auf einer Aufrechnung beruht […].

Gemessen hieran ist es im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Berufung verneint hat.

Durch das erstinstanzliche Urteil ist die Klage abgewiesen worden. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, eine Beschwer der Beklagten folge daraus, dass sie aufbauend auf die von der Klägerin begehrte Feststellung der Wirksamkeit des Pachtvertrags Ansprüche gegen Dritte durchsetzen könne.

Abgesehen davon, dass ein derartiges Urteil zwischen den hiesigen Parteien keinerlei Rechtskraftwirkung in Rechtsstreitigkeiten mit den genannten Dritten entfalten würde, ist der von der Beklagten bezeichnete "Nachteil" bereits im Ansatz nicht geeignet, eine ein Rechtsmittel der Beklagten ermöglichende materielle Beschwer zu begründen. Denn diese Beschwer muss sich aus der Entscheidung selbst ergeben, wofür der rechtskräftige Inhalt der angefochtenen Entscheidung maßgebend ist. Daher ist nicht ausreichend, wenn eine nachteilige Wirkung erst aus dem Zusammenwirken mit sonstigen Umständen folgt.

Denkbar wäre zwar eine Beschwer, die darin liegen könnte, dass die Klage nicht mit Sach-, sondern mit Prozessurteil abgewiesen worden ist. Die Beklagte hat aber mit ihrer Berufung nicht das Ziel verfolgt, diese Beschwer zu beseitigen.“

tl;dr: Der Beklagte ist nicht dadurch i.S.d. § 511 ZPO beschwert, dass das Gericht die Klage trotz seines Anerkenntnisses abweist. Anmerkung/Besprechung, BGH, Beschluss v. 11. März 2015 – XII ZB 553/14. Foto: ComQuat, BGH - Palais 1, CC BY-SA 3.0