Entscheidung
Der BGH hat die Berufung ebenso wie das OLG für unzulässig gehalten:
„a) Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt.
Da die Berufungsbegründung erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, hat dieser – zugeschnitten auf den konkreten Streitfall und aus sich heraus verständlich – diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend beurteilt ansieht, und dazu die Gründe anzugeben, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet. […]
b) Hiernach muss die Berufungsbegründung, wenn sie die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) rügt, zur Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensfehlers darlegen, was bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre und dass nicht auszuschließen ist, dass dieser Vortrag zu einer anderen Entscheidung geführt hätte […]. Dieser Darlegung bedarf es nur dann nicht, wenn die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör unmittelbar und zweifelsfrei aus dem bisherigen Prozessstoff ersichtlich ist […].
c) Diesen Erfordernissen genügt die Berufungsbegründung der Beklagten, soweit sie die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG rügt, nicht.
aa) In ihrer Berufungsbegründung hat die Beklagte nicht dargelegt, was sie inhaltlich vorgetragen hätte, wenn das Landgericht ihr vor Erlass seines Urteils Gelegenheit zur Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme und zu den beigezogenen Protokollen gegeben hätte. Sie hat sich vielmehr damit begnügt, darauf hinzuweisen, dass sie „ergänzend zu den Protokollen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen hätte“ und dies die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung des Gerichts beinhaltet hätte. […]
bb) Die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der Gehörsverletzung war nicht deshalb entbehrlich, weil sie unmittelbar und zweifelsfrei aus dem bisherigen Prozessstoff ersichtlich gewesen wäre. […]
d) Gleichfalls fehlt es an einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung für die Rüge der Verletzung von § 285 Abs. 1 ZPO. Auch insofern muss die Berufungsbegründung die Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensverstoßes darlegen.
aa) Gemäß § 285 Abs. 1, § 279 Abs. 3 ZPO ist über das Ergebnis der Beweisaufnahme zu verhandeln und der Sach- und Streitstand erneut mit den Parteien zu erörtern. Dies ist vorliegend, wie zwischen den Parteien nicht streitig ist, unterblieben.
bb) Die Parteien sollen nach § 285 Abs. 1 ZPO Gelegenheit erhalten, nach Abschluss der Beweisaufnahme zu deren Ergebnis vorzutragen und Stellung zu beziehen. Diese Vorschrift konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs; eine Verletzung von § 285 Abs. 1 ZPO enthält regelmäßig zugleich einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG […].
cc) Dementsprechend geht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon aus, dass eine auf die Verletzung von § 285 Abs. 1 ZPO gestützte Rechtsmittelbegründung – ebenso wie für die Rüge der Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG – Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensverstoßes enthalten muss. Es ist regelmäßig darzulegen, was die rechtsmittelführende Partei im Rahmen einer Verhandlung zum Ergebnis der Beweisaufnahme vorgetragen hätte und dass nicht auszuschließen ist, dass dieser Vortrag zu einer anderen Beweiswürdigung geführt hätte […].
dd) Diesen (auch) für die Berufungsbegründung gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO geltenden Anforderungen hat die Beklagte nicht genügt. In ihrer Berufungsbegründung fehlt die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung von § 285 Abs. 1 ZPO. Diese Darlegung war nicht deshalb entbehrlich, weil die Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensverstoßes unmittelbar und zweifelsfrei aus dem bisherigen Prozessstoff ersichtlich gewesen wäre. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen (zu c) Bezug genommen.“
Anmerkung
Wird in der Berufung eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht (insbesondere auch ein Verstoß gegen die Hinweispflicht gem. § 139 Abs. 2 ZPO), ist folglich (in aller Regel) darzulegen:
- die Umstände, aus denen sich die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergibt,
- wie die Partei im Falle eines Hinweises reagiert hätte, d.h. insbesondere, was sie ergänzend vorgetragen hätte, und
- warum nicht auszuschließen ist, dass die Reaktion zu einer anderen Entscheidung des Gerichts geführt hätte.
Hinzu kommt übrigens, dass Verletzungen des Anspruchs auf rechtliches Gehörs durch das erstinstanzliche Gericht immer schon in der Berufungsbegründung und nicht erst im Rahmen der Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden müssen.
tl;dr: Die Berufungsbegründung hat, wenn sie die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, gemäß § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO darzulegen, was bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre und dass nicht auszuschließen ist, dass dies zu einer anderen Entscheidung geführt hätte.
Anmerkung/Besprechung, BGH, Beschluss vom 28.07.2016 – III ZB 127/15. Foto: ComQuat |
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