Entscheidung
Der BGH hat den Ordnungsgeldbeschluss aufgehoben, weil dieser zu Unrecht gegen den Geschäftsführer und nicht gegen die beklagte GmbH ergangen sei:
„1. Gemäß § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO kann gegen eine Partei, die im Termin ausbleibt, ein Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden.
Ob bei der Anordnung des persönlichen Erscheinens einer juristischen Person – hier der Beklagten als Gesellschaft mit beschränkter Haftung – diese Adressat eines Ordnungsgeldbeschlusses ist oder aber ihr gesetzlicher Vertreter – hier der Beschwerdeführer –, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beurteilt.
a) Nach der ganz herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur kann insbesondere im Hinblick auf den Wortlaut des § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO ein Ordnungsgeld ausschließlich gegen die juristische Person verhängt werden […].
b) Nach der Gegenmeinung, der sich das Beschwerdegericht angeschlossen hat, ist wegen des Zwecks des Ordnungsgelds und der Strafähnlichkeit der Sanktion das Ordnungsgeld nicht gegen die juristische Person, sondern gegen den geladenen und nicht erschienen gesetzlichen Vertreter festzusetzen […].
2. Richtig ist die zuerst genannte Auffassung. Ist eine juristische Person Partei eines Rechtsstreits, darf ein Ordnungsgeld gemäß § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO nur gegen sie, nicht jedoch gegen ihren gesetzlichen Vertreter festgesetzt werden.
a) Hierfür spricht schon der eindeutige Wortlaut der Vorschrift. Die Sanktion soll die jeweilige „Partei“ treffen, die in dem Termin trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens ausbleibt. Hierfür spielt es keine Rolle, ob es sich um eine natürliche oder juristische Person handelt, eine Differenzierung erfolgt insoweit nicht. Sämtliche Folgen der Prozessführung treffen stets nur die jeweilige Prozesspartei. Dass sich bei einer juristischen Person die Terminsladung i. S. d. § 141 Abs.2 Satz 2 ZPO an den gesetzlichen Vertreter richtet (vgl. auch § 170 ZPO), beruht darauf, dass die juristische Person nur durch ihre gesetzlichen Vertreter handeln kann.
b) Der Zweck einer Anordnung des persönlichen Erscheinens einer juristischen Person vermag eine von dem Wortlaut der Norm abweichende Auslegung nicht zu rechtfertigen.
Zweck des § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist nämlich nicht – dies im Unterschied zu den sitzungspolizeilichen Maßnahmen gemäß den §§ 177 und 178 GVG, die auch gegen gesetzliche Vertreter einer Partei verhängt werden können […] – eine (vermeintliche) Missachtung des Gerichts zu ahnden, sondern die Aufklärung des Sachverhalts zu fördern […].
Diese Pflicht obliegt der Prozesspartei, im vorliegenden Zusammenhang also der juristischen Person. Sie hat die Nachteile zu tragen, wenn sie ihrer Prozessförderungspflicht nicht nachkommt. Entsprechend ist sie auch Adressatin etwaiger Sanktionsmittel i. S. d. § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
c) Es trifft auch nicht zu, dass der Sanktionszweck des § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO, wie das Beschwerdegericht meint, allein durch die persönliche Inanspruchnahme des gesetzlichen Vertreters erreicht werden kann.
aa) Leistet der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person der Anordnung des persönlichen Erscheinens der Partei nicht Folge und wird gegen die juristische Person (zu Recht) ein Ordnungsgeld verhängt, kann die juristische Person den pflichtwidrig handelnden gesetzlichen Vertreter in Regress nehmen […]. Dies hat wiederum zur Folge, dass auch der gesetzliche Vertreter selbst ein Interesse daran hat, die Pflichten zu erfüllen, die der von ihm vertretenen juristischen Person obliegen.
bb) Der Hinweis des Beschwerdegerichts, die Sanktionsmöglichkeit gegen eine juristische Person laufe ins Leere, wenn diese – wie hier – nicht über hinreichendes Vermögen verfüge, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
Eine solche Gefahr besteht in gleicher Weise bei Ordnungsmitteln gegen eine nicht zahlungsfähige natürliche Person. Ein Grund, insoweit juristische und natürliche Personen unterschiedlich zu behandeln, besteht nicht.“
Anmerkung
Damit dürfte dann zugleich auch die ebenfalls lebhaft umstrittene Frage beantwortet sein,
wessen persönliches Erscheinen angeordnet werden kann. Insoweit wird vielfach vertreten, das persönliche Erscheinen sei an den gesetzlichen Vertreter zu richten (Musielak/Voit/
Stadler, § 141 Rn. 6; ErfK/
Koch,
§ 51 ArbGG Rn. 2; unklar OLG Hamm, Beschluss v. 10.üß12.2012 –
18 W 42/12; ähnlich auch der Vordruck in Schaub/Schrader/Straube/
Vogelsang, Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, Rn. 238). Wenn aber ein Ordnungsgeld richtigerweise nur gegen die Partei verhängt werden kann, dann muss auch zuvor deren persönliches Erscheinen angeordnet worden sein (Zöller/
Greger, § 141 Rn. 2;
Vonderau, NZW 1991, 336). Dafür spricht im Übrigen auch, dass der gesetzliche Vertreter der juristischen Person ist selbst nicht Beteiligter des Rechtsstreits wird und keine eigene prozessuale Rolle einnimmt (
Vonderau, NZW 1991, 336, 337). Anzuordnen ist daher das persönliche Erscheinen der Partei – zu laden ist der jeweils namentlich zu benennende gesetzliche Vertreter (BGH, Beschluss vom 22. 6. 2011 –
I ZB 77/10 Rn. 16 und Beschluss vom 12.06.2007 –
VI ZB 4/07 Rn. 8 ff.; LAG Schleswig-Holstein,
5 Ta 27/15, OLG Hamm,
4 W 127/14 und Beschluss vom 01.07.2013 –
18 W 10/13; LAG Hamm, Beschluss vom 25.01.1999 –
1 Ta 727/98; Zöller/
Greger, § 141 Rn. 10;
Vonderau, NZW 1991, 336). Ob es allerdings sinnvoll ist, ein gegen das Organ verhängtes Ordnungsgeld anzufechten, kann man bezweifeln. Denn das Gericht ist ja nicht gehindert, das Ordnungsgeld nach der Aufhebung gegen die Partei zu verhängen (und ggf. aufgrund deren wirtschaftlicher Lage im Rahmen des
Art. 6 EGStGB zu erhöhen). Ist allerdings schon die
Anordnung des persönlichen Erscheinens unwirksam, weil sie sich unmittelbar an den Organvertreter und nicht an die Partei richtet (und das ist nach meinem Wissen
in sämtlichen Bundesländern, in denen die Justiz mit dem Programm ForumSTAR arbeitet, der Regelfall), dürfte eine Anfechtung des Ordnungsgeldbeschlusses stets gute Erfolgsaussichten haben. Foto:
ComQuat |
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