BGH zur Ungeeignetheit eines angebotenen Zeugenbeweises
Entscheidung
Der für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat hat das Urteil des OLG wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aufgehoben und die Sache zurückverwiesen:„Zu Recht beanstanden die Kläger, dass das Berufungsgericht seine Feststellungen unter Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) getroffen hat.
a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebotes verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (…). So liegt der Fall hier.
b) Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht die von den Klägern beantragte Vernehmung des Zeugen K. nicht hätte ablehnen dürfen. Die Kläger haben den Zeugen K. – unter anderem – zum Beweis der Tatsache benannt, dass der Händlervertrag der Beklagten für das Vertriebsgebiet (…) von der B. AG auch dann über den 30. September 2013 hinaus verlängert worden wäre, wenn die Beklagte sich (lediglich) dazu verpflichtet hätte, eine den „Standards 2013+“ entsprechende neue Betriebsstätte nach Ablauf der regulären Laufzeit des Mietvertrages am 30. September 2015 in Betrieb zu nehmen. (…)
(Bei der) Zurückweisung einer beantragten Zeugenvernehmung wegen Ungeeignetheit des Beweismittels ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs äußerste Zurückhaltung geboten. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn es völlig ausgeschlossen erscheint, dass diese Vernehmung sachdienliche Erkenntnisse erbringen kann. Weder die Unwahrscheinlichkeit der Tatsache noch die Unwahrscheinlichkeit der Wahrnehmung der Tatsache durch den benannten Zeugen berechtigen den Tatrichter dazu, von der Beweisaufnahme abzusehen (…).
Gemessen daran hätte das Berufungsgericht die Vernehmung des von den Klägern angebotenen Zeugen K. nicht mit der Begründung ablehnen dürfen, dass der Zeuge zur Ernsthaftigkeit der in den beiden Schreiben vom 14. Mai 2012 und 3. September 2012 formulierten Forderungen der B. AG nach Standortverlagerung „aus eigener Kenntnis“ nichts beitragen könne, weil dieser erst ab dem 1. März 2013 die Position als Vertriebsleiter Deutschland der B. AG bekleidet habe.
Mit Recht verweisen die Kläger darauf, dass es für die grundsätzliche Eignung des Zeugen K. als Beweismittel nicht darauf ankommt, wie dieser beruflich mit dem – grundsätzlich in seinen Verantwortungsbereich fallenden – Sachverhalt in Berührung gekommen sein könnte, sei es durch Aktenstudium, durch mündliche Einweisung in die Vorgeschichte des Standorts oder durch bloßes Hörensagen. Mag es auch eher unwahrscheinlich sein, dass der Zeuge K. als unterhalb der Vorstandsebene angesiedelter Vertriebsleiter Deutschland der B. AG unmittelbar mit Geschäftsfällen an einzelnen Standorten befasst worden war, rechtfertigt dies aber nicht das Absehen von seiner Vernehmung.
Eine Vernehmung konnte entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht deshalb unterbleiben, weil der Zeuge K. alle relevanten Erkenntnisse – auch durch Aktenstudium oder mündliche Einweisung – über den ihm unterstellten Zeugen G. hätte erlangen müssen, der im Jahr 2012 bei der B. AG bezüglich des Standorts der Beklagten der zuständige Mitarbeiter für die Verlängerung des Händlervertrags und für die Einhaltung der neuen „Standards 2013+“ gewesen sei. Denn soweit hierdurch unterstellt werden soll, dass der Zeuge K. bei einer Vernehmung nichts anders bekunden könnte als der bereits vernommene Zeuge G. bereits bekundet hat, würde dies auf eine unzulässige Vorwegnahme des Beweisergebnisses hinauslaufen.“