Das Gesetz zur Änderung des Sachverständigenrechts - überflüssig oder kontraproduktiv?

Schon seit einigen Wochen ist auf der Homepage des BMJV nun auch der Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ verfügbar. (Hier geht's zum Referentenentwurf).

Darin enthalten sind mehrere Änderungen des Sachverständigenrechts in der ZPO, die nicht vorrangig familienrechtliche Verfahren sondern Zivilprozesse insgesamt betreffen.

Die geplanten Regelungen im Einzelnen

Der Umfang der geplanten Änderungen in der ZPO ist relativ überschaubar und lässt sich nach insgesamt drei gesetzgeberischen Zielen sortieren:

Ersten soll den Parteien bei der Auswahl von Sachverständigen mehr Mitsprache und Einfluss eingeräumt werden. Deshalb soll § 404 ZPO um einen Absatz 2 ergänzt werden:

„(2) Vor der Ernennung sollen die Parteien zur Person des Sachverständigen gehört werden.

Zweitens soll die Unabhängigkeit von Sachverständigen gestärkt werden. Dazu soll ein neuer § 407a Abs. 2 ZPO eingeführt werden:

„(2) Der Sachverständige hat unverzüglich zu prüfen, ob ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Der Sachverständige hat dem Gericht solche Gründe unverzüglich mitzuteilen.“

Drittens soll die Gutachtenerstattung beschleunigt werden. Das Gericht soll verpflichtet werden, Sachverständigen eine Frist zur Erstattung des Gutachtens zu setzen. Dazu sollen § 411 Abs. 1 und 2 ZPO geändert werden und künftig wie folgt lauten:

„(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat. (2) Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist, so soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. Das einzelne Ordnungsgeld darf 5.000 EUR nicht übersteigen. Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden. § 409 Abs. 2 gilt entsprechend.“

Sachverständige sollen gem. § 407a Abs. 1 ZPO dem Gericht künftig mitteilen müssen, ob sie das Gutachten in der gesetzten Frist erstatten können:

„(1) Der Sachverständige hat unverzüglich zu prüfen, ob der Auftrag in sein Fachgebiet fällt und ohne die Hinzuziehung weiterer Sachverständiger sowie innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist erledigt werden kann. Ist das nicht der Fall, so hat der Sachverständige das Gericht unverzüglich zu verständigen.

Zuletzt soll in § 411 Abs. 3 ZPO klargestellt werden, dass das Gericht auch eine schriftliche Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens anordnen kann.

Bewertung

Die positive Stellungnahme des Deutschen Richterbundes kann ich so recht nicht nachvollziehen. Denn der Vorschlag ist m.E. teilweise überflüssig und teilweise vielleicht sogar kontraproduktiv.

Die Regelung zur Anhörung der Parteien dürfte – wie die Begründung auch deutlich macht – lediglich eine klarstellende Funktion haben, da eine Anhörung der Parteien vor der Bestellung des Sachverständigen in der Regel heute schon allgemein üblich sein sollte.

Sinnvoll ist m.E. die Regelung, dass der Sachverständige von sich aus auf Gründe hinweisen muss, die geeignet sind, Misstrauen in seine Unabhängigkeit zu rechtfertigen. Auch das sollte aber eigentlich gängige Praxis sein.

Für wirkungslos, wenn nicht sogar kontraproduktiv halte ich die Änderungen, die eine Beschleunigung der Gutachtenerstattung bewirken sollen. Es macht das Verfahren zwar transparenter, wenn das Gericht konkrete Fristen setzt und Sachverständige unverzüglich mitteilen müssen, ob sie diese Frist werden einhalten können. Dass alleine die Fristsetzung die Dauer der Begutachtung tatsächlich verkürzt wird, ist aber sehr unwahrscheinlich. Möglich ist auch, dass die Sachverständigen aus Angst vor Ordnungsgeldern besonders lange Frist „heraushandeln" und sich damit die Gutachtenerstattung eher noch verzögert.

Soweit sich der Gesetzgeber eine Erfolg davon verspricht, dass Gerichte mehr Ordnungsgelder verhängen, springt die Wirkungslosigkeit der geplanten Änderung geradezu ins Gesicht: Überlastete Sachverständige werden in Zukunft einfach anzeigen, dass sie das Gutachten nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist erstatten können, und damit die erforderliche Frist „erzwingen“. In die „Ordnungsgeldfalle“, die der Gesetzgeber wohl zu bauen beabsichtigt, werden allenfalls einige wenige unerfahrene Sachverständige tappen. Und das auch nur ein einziges Mal, bevor sie sich ebenfalls der Anzeigepflicht bedienen, um eine ihnen genehme Frist auszuhandeln.

Im Übrigen liegt diesen Regelungen scheinbar die Vorstellung zugrunde, dass kompetente und gerichtserfahrene Sachverständige vor den Toren der Gerichte Schlange stehen und das Gericht nur etwas mehr zur Eile drängen müsste, damit alles schneller geht. Das scheint mir von der Realität bemerkenswert weit entfernt. Und dass man mit Ordnungsgeldern die Liebe guter Sachverständiger für die moderaten Stundensätze des JVEG gewinnen wird, kann ich mir auch nicht vorstellen.

Foto: Jörg Zägel, Berlin, Mitte, Mohrenstrasse 37, Bundesministerium der Justiz, CC BY-SA 3.0